Kovarianz (Stochastik)
Die Kovarianz (lateinisch con- = „mit-“ und Varianz (Streuung) von variare = „(ver)ändern, verschieden sein“, daher selten auch Mitstreuung[1]) ist in der Stochastik ein nichtstandardisiertes Zusammenhangsmaß für einen monotonen Zusammenhang zweier Zufallsvariablen mit gemeinsamer Wahrscheinlichkeitsverteilung. Der Wert dieser Kennzahl macht tendenzielle Aussagen darüber, ob hohe Werte der einen Zufallsvariablen eher mit hohen oder eher mit niedrigen Werten der anderen Zufallsvariablen einhergehen.
Die Kovarianz ist ein Maß für die Assoziation zwischen zwei Zufallsvariablen.
Definition
Sind und zwei reelle, integrierbare Zufallsvariablen, deren Produkt ebenfalls integrierbar ist, d. h., die Erwartungswerte , und existieren, dann heißt
die Kovarianz von und . Die Kovarianz ist also das Produkt der Differenzen je zwischen und und ihren Erwartungswerten. In der Statistik werden und als Abweichungen vom arithmetischen Mittelwert berechnet.[2]
Falls und quadratintegrierbar sind, also falls und gelten, so folgen aus der Cauchy-Schwarz-Ungleichung:
- und analog und zusätzlich .
Somit ist die geforderte Existenz der Erwartungswerte für quadratintegrierbare Zufallsvariablen erfüllt.
Berechnung
Die Berechnung der empirischen Kovarianz aus einer Datenreihe erfolgt durch die Gleichung
- .
Dabei sind und die Mittelwerte der Messwerte und . Mit und kann den beiden Variablen, sowie jedem einzelnen Messwert optional ein individuelles Gewicht ungleich Eins zugeordnet werden. Die im Nenner ist nur dann notwendig, wenn bei sehr wenigen Messwerten die empirische Kovarianz erwartungstreu geschätzt werden soll. In diesem Fall müssen auch die Mittelwerte und mit entsprechender Gewichtung gebildet werden:
- , .
Eigenschaften und Rechenregeln
Interpretation der Kovarianz
- Die Kovarianz ist positiv, wenn zwischen und ein monotoner Zusammenhang besteht, d. h., hohe (niedrige) Werte von gehen mit hohen (niedrigen) Werten von einher.
- Die Kovarianz ist hingegen negativ, wenn zwischen und ein gegensinniger monotoner Zusammenhang besteht, d. h. hohe Werte der einen Zufallsvariablen gehen mit niedrigen Werten der anderen Zufallsvariablen einher und umgekehrt.
- Ist das Ergebnis null, so besteht kein monotoner Zusammenhang zwischen und ; nichtmonotone Beziehungen sind aber möglich.
Die Kovarianz gibt zwar die Richtung einer Beziehung zwischen zwei Zufallsvariablen an, über die Stärke des Zusammenhangs wird aber keine Aussage getroffen. Dies liegt an der Linearität der Kovarianz. Um einen Zusammenhang vergleichbar zu machen, muss die Kovarianz standardisiert werden. Die gebräuchlichste Standardisierung – mittels der Standardabweichung – führt zum Korrelationskoeffizienten.
Verschiebungssatz
Zur oft einfacheren Berechnung der Kovarianz kann man auch den Verschiebungssatz als alternative Darstellung der Kovarianz anwenden.
Satz (Verschiebungssatz für die Kovarianz):
Beweis:
Beziehung zur Varianz
Satz: Die Kovarianz ist die Verallgemeinerung der Varianz, denn es gilt
Beweis:
Die Varianz ist demnach die Kovarianz einer Zufallsvariablen mit sich selbst.
Mit Hilfe der Kovarianzen lässt sich auch die Varianz einer Summe von quadratintegrierbaren Zufallsvariablen berechnen. Allgemein gilt
Speziell für die Summe zweier Zufallsvariablen gilt daher die Formel
Wie sich unmittelbar aus der Definition ergibt, ändert die Kovarianz das Vorzeichen, wenn eine der Variablen das Vorzeichen ändert:
Somit ergibt sich für die Differenz zweier Zufallsvariablen die Formel
Linearität, Symmetrie und Definitheit
Satz: Die Kovarianz ist eine positiv semidefinite symmetrische Bilinearform auf dem Vektorraum der quadratisch integrierbaren Zufallsvariablen.
Es gelten also die folgenden drei Sätze:
Satz (Bilinearität): Für gilt:
Beweis:
Die Kovarianz ist offensichtlich invariant unter der Addition von Konstanten zu den Zufallsvariablen. In der zweiten Gleichung ist die Kovarianz wegen der Symmetrie auch im ersten Argument linear.
Satz (Symmetrie):
Beweis:
Satz (Positive Semidefinitheit):
Beweis:
Insgesamt folgt wie für jede positiv semidefinite symmetrische Bilinearform die Cauchy-Schwarzsche Ungleichung
Die Linearität der Kovarianz hat zur Folge, dass die Kovarianz vom Maßstab der Zufallsvariablen abhängt. So erhält man beispielsweise die zehnfache Kovarianz, wenn man anstatt die Zufallsvariable betrachtet. Insbesondere hängt der Wert der Kovarianz von den verwendeten Maßeinheiten der Zufallsvariablen ab. Da diese Eigenschaft die absoluten Werte der Kovarianz schwer interpretierbar macht, betrachtet man bei der Untersuchung auf einen linearen Zusammenhang zwischen und häufig stattdessen den maßstabsunabhängigen Korrelationskoeffizienten. Der maßstabsunabhängige Korrelationskoeffizient zweier Zufallsvariablen und ist die Kovarianz der standardisierten (auf die Standardabweichung bezogenen) Zufallsvariablen und :[3]
- .
Unkorreliertheit und Unabhängigkeit
Definition (Unkorreliertheit): Zwei Zufallsvariablen und heißen unkorreliert, wenn .
Satz: Zwei stochastisch unabhängige Zufallsvariablen sind unkorreliert.
Beweis: Für stochastisch unabhängige Zufallsvariablen und gilt , d. h.
Der Umkehrschluss gilt im Allgemeinen nicht. Ein Gegenbeispiel ist gegeben durch eine im Intervall gleichverteilte Zufallsvariable und . Offenkundig sind und voneinander abhängig. Es gilt aber
- .
Stochastisch unabhängige Zufallsvariablen, deren Kovarianz existiert, sind also auch unkorreliert. Umgekehrt bedeutet Unkorreliertheit aber nicht zwingend, dass die Zufallsvariablen stochastisch unabhängig sind, denn es kann eine nichtmonotone Abhängigkeit bestehen, die die Kovarianz nicht erfasst.
Weitere Beispiele für unkorrelierte, aber stochastisch abhängige Zufallsvariablen:
- Seien und Zufallsvariablen mit und
- Dann gilt und ,
- Es folgt und ebenfalls , also
- Andererseits sind und wegen nicht stochastisch unabhängig.
- Seien die Zufallsvariablen und bernoulliverteilt mit Parameter und unabhängig, dann sind und unkorreliert, aber nicht unabhängig.
- Die Unkorreliertheit ist klar, denn
- Aber und sind nicht unabhängig, denn es ist
Siehe auch
Literatur
- Norbert Henze: Stochastik für Einsteiger: Eine Einführung in die faszinierende Welt des Zufalls. 10. Auflage. Verlag Springer Spektrum, Wiesbaden 2013, ISBN 978-3-658-03076-6, Kapitel 21, doi:10.1007/978-3-658-03077-3_21.
- Karl Bosch: Elementare Einführung in die Angewandte Statistik: Mit Aufgaben und Lösungen, 9. erw. Auflage. Vieweg+Teubner Verlag 2010, ISBN 978-3834812292, doi:10.1007/978-3-8348-9705-3.
Einzelnachweise
- Hansjochem Autrum, Erwin Bünning et al.: Ergebnisse Der Biologie., S. 88
- Rainer Diaz-Bone: Statistik für Soziologen. 5. Auflage. UVK Verlag, ISBN 978-3-8252-5210-6, 4.3.2, S87.
- Ludwig Fahrmeir, Rita Künstler, Iris Pigeot, und Gerhard Tutz: Statistik. Der Weg zur Datenanalyse. 8., überarb. und erg. Auflage. Springer Spektrum, Berlin/ Heidelberg 2016, ISBN 978-3-662-50371-3, S. 326.