Kontravalenz
Kontravalenz ist in der klassischen Logik und Mathematik die Bezeichnung für die Verbindung zweier Aussagen durch den zweistelligen Junktor, der entweder – oder[1], exklusives Oder sowie auch Kontravalentor heißt.
Synonym mit Kontravalenz werden auch die Bezeichnungen ausschließende Disjunktion (auch vollständige oder antivalente Disjunktion)[2], Bisubtraktion[3], ausschließendes Oder, Antivalenz, kontradiktorischer Gegensatz[4], Kontrajunktion oder Alternation[5] verwendet. In der Schaltalgebra spricht man von dem Exklusiv-Oder-Gatter (XOR-Gatter), in der Aussagenlogik nennt man sie XOR-Verknüpfung.
Definition und Eigenschaften
Definiert wird die Kontravalenz durch die Wahrheitswertefunktion ihres Junktors: Eine Kontravalenz ist genau dann wahr, wenn beide durch sie verbundenen Aussagen unterschiedliche Wahrheitswerte haben, das heißt, wenn entweder die eine oder die andere wahr ist, wenn aber nicht beide gleichzeitig wahr oder beide gleichzeitig falsch sind. Der lateinische Ausdruck für dieses ausschließende Oder als „entweder – oder“ lautet „aut – aut“.
Durch eine Wahrheitstabelle (Matrix) ist die aut-Funktion als Wahrheitswertefunktion der Kontravalenz damit wie folgt gegeben:
A | B | |
---|---|---|
wahr | wahr | falsch |
wahr | falsch | wahr |
falsch | wahr | wahr |
falsch | falsch | falsch |
Die Kontravalenz ist assoziativ und kommutativ. Zudem ist sie selbstinvers und distributiv bezüglich logisch UND, aber nicht bezüglich ODER:
- Es gilt immer sowie
- Es gilt immer ,
- jedoch ist , nur falls falsch ist.
- Sie ist selbstinvers wegen: .
- Daraus folgt, dass das Ergebnis verknüpft mit einem Operanden den anderen Operanden ergibt: Wenn ist und .
Abgrenzung und Gemeinsamkeiten
Der Unterschied zum nicht-ausschließenden Oder (im engeren Sinn die Disjunktion) besteht in der „verschärften Information“[6], dass „von vornherein feststeht, dass eine der beiden Alternativen wahr sein muss“[7], das heißt nicht nur wenigstens, sondern auch höchstens einer der beiden Sachverhalte besteht.[6]
Äquivalenzen der Kontravalenz, also Formeln mit anderen Junktoren, die denselben Wahrheitswertverlauf haben, sind:
- Negation des Bikonditionals (Negation der Äquivalenz) [8]
- oder
- oder
- .
Bedeutung und praktische Anwendung
Die Bedeutung der Kontravalenz ist in der modernen Logik eher gering, „da sie relativ wenige Zusammenhänge zu formulieren gestattet“.[9] In der Schaltalgebra hat sie als XOR-Verknüpfung hingegen große Bedeutung. Die Eigenschaft, dass die zweimalige Anwendung der XOR-Verknüpfung der Identität entspricht, d. h., dass sie selbstinvers ist, wird unter anderem in der Kryptographie – dort ermöglicht sie die Verwendung der gleichen Funktion beim Verschlüsseln und Entschlüsseln – sowie beim RAID-System verwendet.
Notation und Aussprache
Symbole des Kontravalentors sind unter anderem:
- ⌴ ein halbes nach oben offenes Quadrat.[10]
- XOR
- „>-<“
- „><“
Die Sprechweise für den Junktor variiert ebenfalls:
- „A kontra B“[11]
- „A oder (aber) B“[6]
- „Entweder A, oder B“[12][13]
- „A, außer dass B“[14]
- „A, ausgenommen dass B“[14]
- „A, es sei denn, dass B“[14]
- „A genau dann, wenn nicht B“[15]
Umgangssprachlich wird der Kontravalentor mit „entweder – oder“ umschrieben. Doch kann dieser Ausdruck umgangssprachlich auch noch andere Bedeutungen haben, die nicht mit der Kontravalenz übereinstimmen; beispielsweise kann „Dich holen entweder Emil oder ich ab“ auch dann als wahr verstanden werden, wenn beide den Gesprächspartner abholen.[16]
Siehe auch
Einzelnachweise
- Vgl. Lorenz: Disjunktion. In: Jürgen Mittelstraß (Hrsg.): Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie. 2. Aufl. 2005.
In einer anderen Bedeutung auch die Wahrheitswertefunktion, die diesen Junktor interpretiert - z. B. Lorenz: Disjunktion. In: Mittelstraß (Hrsg.): Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie, 2. Aufl. 2005
- z. B: Paul Lorenzen: Logik, 4. Aufl. (1970), S. 48 (um das Wort „Disjunktion“ zu vermeiden)
- z. B. Menne: Logik, 6. Aufl. (2001), S. 39
- Strobach: Einführung in die Logik (2005), S. 22: manchmal, aber der lateinischen Bedeutung nicht gut entsprechend
- Essler/Martínez: Grundzüge der Logik I, 4. Aufl. (1991), S. 51
- Schülerduden, Philosophie, 2. Aufl. (2002), Disjunktion
- Hilbert/Ackermann: Grundzüge, 6. Aufl. (1972), S. 6; Reichenbach: Grundzüge der symbolischen Logik (1999), S. 33
- Essler/Martínez: Grundzüge der Logik I, 4. Aufl. (1991), S. 98 Fn. 33
- Lorenzen: Logik. 4. Aufl. (1970), S. 39.
- Menne: Logik, 6. Aufl. (2001), S. 39
- Essler/Martínez: Grundzüge der Logik I, 4. Aufl. (1991), S. 51
- Detel: Grundkurs Philosophie I: Logik (2007), S. 71
- Wilhelm K. Essler: Einführung in die Logik (= Kröners Taschenausgabe. Band 381). 2., erweiterte Auflage. Kröner, Stuttgart 1969, DNB 456577998, S. 96.
- Spies: Einführung in die Logik (2004), S. 13.
- Rosenkranz: Einführung in die Logik (2006), S. 81.