Klaus Hurrelmann
Klaus Hurrelmann (* 10. Januar 1944 in Gotenhafen) ist ein deutscher Sozial-, Bildungs- und Gesundheitswissenschaftler. Nach langjähriger Tätigkeit an der Universität Bielefeld arbeitet er seit 2009 als Professor of Public Health and Education an der Hertie School in Berlin.
Biografie
Durch Flucht vor der nahenden Roten Armee gelangte Hurrelmann als Kleinkind mit seiner Mutter aus Gotenhafen, heute Gdynia bei Danzig, zunächst nach Leipzig. Nach der Rückkehr seines Vaters aus der Gefangenschaft Ende 1947 zog die Familie nach Norddeutschland, wo er in Nordenham aufwuchs. Sein Abitur machte er an der Humboldtschule Bremerhaven.[1]
Aus seiner ersten Ehe mit Bettina Hurrelmann, spätere Professorin für Germanistik an der Universität Köln, verstorben 2015, stammen ein Sohn und eine Tochter. In zweiter Ehe ist er verheiratet mit Doris Schaeffer, Professorin für Gesundheitswissenschaften an der Universität Bielefeld.[2]
Ausbildung
Hurrelmann studierte an den Universitäten in Münster und Freiburg und der University of California in Berkeley (USA) Soziologie, Psychologie und Pädagogik. Von 1963 bis 1966 war Hurrelmann neben seinem Studium in Münster als Redakteur bei der Studentenzeitung Semesterspiegel tätig. 1968 absolvierte er sein Diplom, 1971 die Promotion in Soziologie an der Universität Münster. Die Doktorarbeit hatte das Thema „Unterrichtsorganisation und schulische Sozialisation“. 1975 habilitierte er sich an der Universität Bielefeld mit der Arbeit „Erziehungssystem und Gesellschaft“.[3]
Berufsleben
Von 1968 bis 1970 war Hurrelmann Projektleiter der „Arbeitsgruppe Hauptschule“ an der Pädagogischen Hochschule in Münster. Von 1970 bis 1974 arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Bielefeld in der Fakultät für Soziologie mit den Arbeitsschwerpunkten Sozialisations- und Bildungsforschung.[2]
Nach der Habilitation übernahm er 1975 den Lehrstuhl Bildung und Sozialisation an der Universität Essen. 1980 folgte er einem Ruf der Universität Bielefeld auf den Lehrstuhl Sozialisationsforschung. Hurrelmann war erster Dekan der neu gegründeten „Fakultät für Pädagogik“. Von 1986 bis 1998 leitete er den von ihm mit begründeten Sonderforschungsbereich der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) „Prävention und Intervention im Kindes- und Jugendalter“.[2]
1993 wechselte Hurrelmann an die neu gegründete Fakultät für Gesundheitswissenschaften in Bielefeld. Er wurde zum Gründungsdekan gewählt und war für den Aufbau der bis heute einzigen voll ausgebauten deutschen School of Public Health verantwortlich. In der Fakultät für Gesundheitswissenschaften übernahm er die Erforschung des Gebietes Prävention und Gesundheitsförderung. Er baute im Auftrag der Weltgesundheitsorganisation das Collaboration Centre for Child and Adolescent Health Promotion auf. Das Zentrum koordinierte bis 2012 die repräsentativen Gesundheitserhebungen bei 11- bis 15-jährigen Jugendlichen in der Bundesrepublik Deutschland, die alle vier Jahre im Rahmen der europaweiten Studie Health Behaviour in School-aged Children (HBSC) durchgeführt wurden. Von 1996 bis 2004 war er außerdem Direktor am Institut für Bevölkerungsforschung und Sozialpolitik.[2]
Seit März 2009 ist Hurrelmann Professor für Public Health and Education an der Hertie School of Governance in Berlin. Sein Arbeitsschwerpunkt liegt in der Verbindung von Sozial-, Bildungs- und Gesundheitspolitik, um umfassende Interventionsstrategien zur Prävention von sozialen und gesundheitlichen Benachteiligungen zu entwickeln. Außerdem führt er vergleichende Studien zu Einstellungen, Wertorientierungen und Verhaltensweisen von Jugendlichen durch. Dazu gehören die Shell-Jugendstudien und Jugendstudien in 15 osteuropäischen und zentralasiatischen Ländern, die durch die Friedrich-Ebert-Stiftung gefördert werden.[2]
Hurrelmann war Mitglied des Expertenrats Demografie beim Bundesminister des Innern, der von 2010 bis 2017 den Ausschuss von Staatssekretären verschiedener Bundesministerien beim Thema „Gestaltung der demografischen Entwicklung“ beriet.[4] Er fungierte als stellvertretender Sprecher eines Expertenkreises, der 2018 den Nationalen Aktionsplan Gesundheitskompetenz erstellte.[5]
Auszeichnungen
- Preis der Schweizer Margrit-Egnér-Stiftung für sein Lebenswerk (dotiert mit 25.000 Franken), 2003
- Verleihung des Titels Dr. phil. h. c. durch die PH Freiburg, 2018
Publikationen (Auswahl)
Lehrbücher
- Developmental Tasks in Adolescence (2019). Routledge, New York, ISBN 978-1-138-32243-1
- Einführung in die Kindheitsforschung (2003). Beltz, Weinheim, ISBN 978-3-407-25282-1.
- Einführung in die Sozialisationstheorie (2020). Beltz, Weinheim, ISBN 978-3-407-25843-4.
- Erziehungssystem und Gesellschaft (1975). Rowohlt, Reinbek, ISBN 978-3-499-21070-9.
- Gesundheits- und Medizinsoziologie (2013). Beltz Juventa, Weinheim, ISBN 978-3-7799-2605-4.
- Human Development and Health (1989). Springer, New York, ISBN 978-3-642-74330-6.
- Kindheit (2010). Beltz, Weinheim, ISBN 978-3-407-34202-7.
- Kindheit heute (2017). Beltz, Weinheim, ISBN 978-3-407-25774-1.
- Lebensphase Jugend (2016). Beltz Juventa, Weinheim, ISBN 978-3-7799-2619-1.
- Socialisation During the Life Course (2018). Routledge, New York, ISBN 978-1-138-50218-5.
- Social Structure and Personality Development (2009). Cambridge University Press, New York, ISBN 978-0-521-35747-0.
- Understanding Publik Health (2020). Routledge, New York, ISBN 978-0-367-36076-4.
Handbücher(Auswahl)
- Handbuch Bildungsarmut (2018). VS, Wiesbaden, ISBN 978-3-658-19572-4
- Geschlecht und Gesundheit (2016). Hogrefe, Göttingen, ISBN 978-3-456-85466-3.
- Handbuch Gesundheitswissenschaften (2015). Beltz Juventa, Weinheim, ISBN 978-3-7799-0797-8.
- Handbuch Sozialisationsforschung (2015). Beltz, Weinheim, ISBN 978-3-407-83183-5.
- Health Hazards in Adolescence (1990). De Gruyter, Berlin/New York, ISBN 978-3-11-012448-4.
- Health Risks and Developmental Transitions during Adolescence (1997). Cambridge University Press, New York, ISBN 978-0-521-48053-6.
- Individualization in Childhood and Adolescence (1996). De Gruyter, Berlin/New York, ISBN 978-3-11-014681-3.
- International Handbook of Public Health (1996). Greenwood Publishers, Westport, ISBN 978-0-313-29500-3.
- International Handbook of Adolescence (1994). Greenwood Publishers, Westport, ISBN 978-0-313-28584-4.
- Leistung und Wohlbefinden in der Schule (2018). Beltz Juventa, Weinheim, ISBN 978-3-7799-3859-0.
- Social Networks and Social Support in Childhood and Adolescence (1994). De Gruyter, Berlin/New York, ISBN 978-3-11-014360-7.
- Social Problems and Social Contexts in Adolescence (1996). Aldinge, New York, ISBN 978-0-202-36101-7.
- Soziologie von Gesundheit und Krankheit (2016). Springer, Wiesbaden, ISBN 978-3-658-11010-9.
- Referenzwerk Prävention und Gesundheitsförderung (2018). Huber, Bern, ISBN 978-3-456-85590-5.
Empirische Studien
- 14. Shell Jugendstudie (2002). S. Fischer, Frankfurt am Main, ISBN 978-3-596-15849-2.
- 15. Shell Jugendstudie (2006). S. Fischer, Frankfurt am Main, ISBN 978-3-596-17213-9.
- 16. Shell Jugendstudie (2010). S. Fischer, Frankfurt am Main, ISBN 978-3-596-18857-4.
- 17. Shell Jugendstudie (2015). S. Fischer, Frankfurt am Main, ISBN 978-3-596-03401-7.
- 18. Shell Jugendstudie (2019). Beltz, Weinheim, ISBN 978-3-407-83195-8.
- Jugend, Vorsorge, Finanzen (2019). Beltz Juventa, Weinheim, ISBN 978-3-7799-3967-2.
- Kinder 2013. 3. World Vision Kinderstudie (2013). Beltz, Weinheim, ISBN 978-3-407-85950-1.
- Lost in Democratic Transition (2015). Berlin: Friedrich Ebert Stiftung, ISBN 978-9958-884-42-9.
- McDonald’s Ausbildungsstudie (2019). München: McDonald’s
Weblinks
- Literatur von und über Klaus Hurrelmann im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Werke von und über Klaus Hurrelmann in der Deutschen Digitalen Bibliothek
- Publikationsliste
- Klaus Hurrelmann an der Universität Bielefeld
- Klaus Hurrelmann bei Hertie School of Governance
- WDR 5 (Westdeutscher Rundfunk) Erlebte Geschichten vom 16. November 2021: Klaus Hurrelmann, Jugendforscher
Quellen
- Detlef Berentzen: Meister des magischen Dreiecks; in taz.de am 13.01.2014 (Memento vom 22. August 2018 im Internet Archive)
- Klaus Hurrelmann im Munzinger-Archiv, abgerufen am 1. Januar 2022 (Artikelanfang frei abrufbar)
- Universität Bielefeld: Curriculum Vitae.
- Dritte Sitzung des Expertenrats Demografie. Abgerufen am 1. Januar 2022.
- Doris Schaeffer, Klaus Hurrelmann, Ullrich Bauer, Kai Kolpatzik, Attila Altiner, Marie-Luise Dierks, Michael Ewers, Annett Horn, Susanne Jordan, Ilona Kickbusch, Bernadette Klapper, Jürgen M. Pelikan, Rolf Rosenbrock, Alexander Schmidt-Gernig, Sebastian Schmidt-Kaehler, Heide Weishaar, Christiane Woopen: Nationaler Aktionsplan Gesundheitskompetenz. Hrsg.: Doris Schaeffer, Klaus Hurrelmann, Ullrich Bauer und Kai Kolpatzik. 1. überarbeitete Auflage. Nationaler Aktionsplan Gesundheitskompetenz, Berlin Februar 2020, S. 58.