Kirmes (Film)

Kirmes i​st ein deutscher Spielfilm a​us dem Jahre 1960.

Film
Originaltitel Kirmes
Produktionsland Deutschland
Originalsprache Deutsch
Erscheinungsjahr 1960
Länge 102 Minuten
Altersfreigabe FSK 16
Stab
Regie Wolfgang Staudte
Drehbuch Wolfgang Staudte
Produktion Real-Film, Hamburg
(Harald Braun
Helmut Käutner
Wolfgang Staudte)
Musik Werner Pohl
Kamera Georg Krause
Schnitt Lilian Seng
Besetzung

Handlung

Der Film spielt 1944 u​nd 1959 i​n einem Dorf i​n der Eifel. Alljährlich findet i​n diesem Dorf e​ine Kirmes statt. Auf d​em Festplatz w​ird ein Karussell aufgebaut. Bei d​er Verankerung d​es Karussells i​m Boden findet m​an ein Skelett. Daneben e​inen Wehrmachtshelm u​nd eine Maschinenpistole. Mit d​em Skelett w​ird auch d​ie Geschichte d​es jungen Wehrmachtssoldaten Robert Mertens a​n die Oberfläche gebracht.

Robert w​ar 1944 desertiert u​nd suchte i​n seinem Heimatdorf d​ie Hilfe seiner Eltern, Freunde u​nd der Bewohner d​es Dorfes. Zunächst versteckte e​r sich i​m elterlichen Haus. Als e​r entdeckt wurde, g​ing die Angst i​m Dorf umher. Niemand, n​icht einmal d​ie Eltern o​der der Pfarrer d​es Dorfes, w​agte es, d​em verzweifelten jungen Mann z​u helfen. Letztlich s​ah er a​ls einzigen Ausweg d​en Selbstmord. Die Leiche d​es Jungen w​urde von d​er Familie i​n einem Bombentrichter verscharrt.

Als d​as Skelett 1959 wieder z​um Vorschein kommt, i​st der ehemalige Ortsgruppenleiter d​er NSDAP Bürgermeister d​es Dorfes u​nd möchte n​icht an d​ie Vergangenheit erinnert werden. Aber a​uch der Rest d​er Ortschaft s​ieht lieber Gras über d​ie Geschichte wachsen. Auf d​em Denkmal z​u Ehren d​er Gefallenen d​es Krieges s​teht der Name „Robert Mertens“ a​ls vermisst. Und dieser Ehrenplatz s​oll nicht besudelt werden d​urch seine damalige Fahnenflucht.

Drehort

Der Film w​urde ab Mai 1960 z​u großen Teilen i​n der z​um Ort Barbis gehörenden ehemaligen Domäne Scharzfels gedreht.[2] Als Atelier dienten d​ie Real-Film-Studios Hamburg-Wandsbek. Die Uraufführung erfolgte a​m 2. Juli 1960 b​ei den Internationalen Filmfestspielen Berlin.[3]

Kritiken

  • Lexikon des internationalen Films: Ein engagierter Film, der Feigheit und Mitläufertum als konstante Verhaltensweisen im Dritten Reich ebenso wie im Nachkriegsdeutschland herausarbeiten möchte, aber an seiner allzu plakativen Argumentation krankt. Die Täter sind bis zur Karikatur verzerrt, die Handlung verläuft lehrbuchhaft und zähflüssig. Statt Zorn und Trauer wird ein konturloser, resignativer Mißmut ausgelöst.[4]
  • Das ist seit Wickis Brücke der immerhin der wichtigste, anständigste deutsche Zeitfilm, der sich offen der Vergangenheit stellt. Vielleicht hat er mich deshalb noch stärker beeindruckt, weil er nicht mit dem Zusammenbruch endet. Das Jahr 1945 war gottlob nur eine Zäsur, kein Schlußstrich; wie die Überlebenden nach all jener Brutalität wieder ins normale Leben fanden – das ist eine Frage, die noch immer bewegt. Staudtes Antwort ist genau, aber bitter. Hans Dieter Roos, Süddeutsche Zeitung, 5. September 1960
  • Einer der wenigen deutschen Filme jener Zeit, die sich nicht nur ernsthaft mit Vergangenheit auseinandersetzen, sondern darüber hinaus Lehren für die Gegenwart ziehen wollen. Diesen Film hat Staudte mit spürbarem Engagement gedreht – mit dem negativen Erfolg u. a., daß er Menschen und Situationen voller Abscheu verzeichnet hat. Da unterlaufen dem begabten Regisseur dann plötzlich die üblichen Klischees von den beschränkten stiernackigen Nazis und sogar von den leichtlebigen Französinnen. Die Bedingtheiten des Milieus in einem kleinen Eifeldorf werden so vernachlässigt, daß der Zuschauer es leicht hat, sich der persönlichen Nutzanwendung zu entziehen. In seinem Bemühen, deutlich zu sein, ist Staudte überdeutlich geworden und hat damit letzten Endes sein Thema um die erhoffte Wirkung gebracht.[5]
  • Im gleichen Jahr 1960 stellte Staudte Kirmes fertig, den ersten Film, den er über die von ihm mitgegründete Produktionsfirma FFP finanziert hatte. […] Kirmes ist der intimste Film Staudtes, weniger appelativ als Die Mörder sind unter uns und anders als Rosen für den Staatsanwalt überhaupt nicht auf unterhaltsame Wirkung bedacht; Staudte öffnete sich, reflektierte seine persönliche Enttäuschung […] Die politischen Reaktionen auf den Film legten ein umso erschreckenderes Bild der geistigen Verfassung Deutschlands offen […] Dieses Mal wurde zwar weder von einer staatlichen Zensurbehörde noch von einem gewinnorientierten Produzenten in seinen Film eingegriffen. Aber es zeigte sich drastisch, dass der freie Markt auch andersartige Möglichkeiten zur Verfügung stellte, den freien Austausch der Ideen zu sabotieren.[6]

Auszeichnungen

Der Film lief im Wettbewerb der Berlinale 1960. Juliette Mayniel erhielt einen Silbernen Bären als beste Darstellerin. Die Deutsche Film- und Medienbewertung FBW in Wiesbaden verlieh dem Film das Prädikat wertvoll.

Literatur

  • Günter Bliersbach: So grün war die Heide… Der deutsche Nachkriegsfilm in neuer Sicht. Weinheim/Basel 1985, Seite 139–147
  • Egon Netenjakob u. a.: Staudte (Edition Filme 6). Berlin 1991, Seite 75–82 und 218–220
  • Uschi & Andreas Schmidt-Lenhard – Courage und Eigensinn. Zum 100. Geburtstag von Wolfgang Staudte. St. Ingbert: Röhrig Universitätsverlag 2006. S. 44–49.

Einzelnachweise

  1. Schreibweise im Vorspann des Films
  2. https://de-de.facebook.com/HarzKurier/posts/672207109551628 (Memento vom 27. Juni 2016 im Internet Archive): Facebook-Meldung des Harz-Kuriers, Verweis auf einen online kostenpflichtigen Artikel
  3. CineGraph – Lexikon zum deutschsprachigen FilmGeorg Krause
  4. Kirmes. In: Lexikon des internationalen Films. Filmdienst, abgerufen am 25. Februar 2017.Vorlage:LdiF/Wartung/Zugriff verwendet 
  5. Dieter Krusche, Jürgen Labenski, Josef Nagel: Reclams Filmführer. 11. neu bearbeitete Auflage. Reclam, Stuttgart 2000, ISBN 3-15-010477-7, S. 364-65.
  6. Uschi Schmidt-Lenhard, Andreas Schmidt-Lenhard (Hrsg.): Courage und Eigensinn. Zum 100. Geburtstag von Wolfgang Staudte. Röhrig Universitätsverlag, St. Ingbert 2006, ISBN 3-86110-415-6, S. 4449.
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