Kirche des Hl. Johannes von Kronstadt zu Hamburg
Die Kirche des Hl. Johannes von Kronstadt zu Hamburg, die ehemalige evangelisch-lutherische Gnadenkirche in Hamburg, ist ein zur Russisch-orthodoxen Kirche gehörender Sakralbau im Stadtteil St. Pauli. Sie wurde am 30. Mai 2007 nach der orthodoxen Tradition geweiht.
Geschichte
Bau als „Gnadenkirche“
Mit dem starken Wachstum ihrer Gemeinde im Bereich des Karolinenviertels Ende des 19. Jahrhunderts konnten die Möglichkeiten der St.-Pauli-Kirche schon bald nicht mehr mithalten. So begannen im Jahr 1904 die Planungen für eine Filialkirche in unmittelbarer Nähe zu Wohnsiedlungen und wichtigen Gewerbegebieten wie dem Schlachthof.
Der Bau wurde am 8. Juli 1906 mit der Grundsteinlegung eingeleitet und stand unter der Leitung des Architekten Fernando Lorenzen. Dieser schuf einen Zentralbau nach den Grundsätzen des Wiesbadener Programms, den er nach außen neoromanisch in Anlehnung an rheinisch-staufische Formen gestaltete. Dadurch wirkte die Kirche – so die zeitgenössische Kritik – bereits „zur Erbauungszeit nicht nur überholt [...], sondern für Hamburg auch völlig untypisch“.[1] Die Außenansicht wird von einem wuchtigen achteckigen Turm – einem Oktogon – dominiert, um den sich mehrere kapellenartige Anbauten und Querschiffe formieren. Auch der Innenraum wird dadurch im Achteck gegliedert und ist elliptisch mit der Hauptachse in Nord-Süd-Richtung ausgerichtet.[1] Lorenzen nahm die Tradition des auf den Kanzelaltar fokussiertem barocken Kirchenraumes wieder auf. Die von Paul Rother gebaute Orgel[2] positionierte er unmittelbar über Kanzel und Altar, wodurch Wort und Musik als Schwerpunkte der Liturgie auch architektonisch miteinander verbunden werden sollten. Für die seitlichen Apsiden auf der Empore schuf Carl Otto Czeschka zwei Triptychen Die Schöpfung und Die Geburt Christi (1911–1919). Damals war Werner von Melle Vorsitzender des Kirchenvorstandes.
Am 1. Dezember 1907 wurde die Kirche eingeweiht und dabei der Gnade Gottes gewidmet, eine bewusste Bezugnahme auf ihren Standort zwischen den Gerichten und dem Gefängnis Holstenglacis. Die ersten Pastoren der Gnadenkirche waren Johannes Walter Kärner, Hermann Theodor Strasosky, Franz Eduard Alexander Tügel und Gustav Max Kunze. Später wurde die Gnadenkirche geprägt durch die Pastoren Hartmut Winde und Dirk Römmer.[3]
Das Gebäude wurde während der Bombenangriffe auf Hamburg im Zweiten Weltkrieg so stark beschädigt, dass es erst ab 1947 wieder genutzt werden konnte. Die Fenster sowie ein großer Teil des Kirchenschiffs wurden vernichtet. 1957 erfolgte eine Restaurierung der Orgel durch die Firma Walcker.[2] In den folgenden Jahren führten Veränderungen der Bevölkerung im Einzugsgebiet zu sinkenden Besucherzahlen, durch die recht isolierte Lage auf einer Verkehrsinsel ging vermutlich auch die Identifizierung der Kirche mit den angrenzenden Wohnvierteln verloren. Das Gebäude wurde verstärkt für nicht-sakrale Zwecke genutzt und so in Hamburg als „Kunstkirche“ bekannt.[4] Trotzdem konnte die Kirchengemeinde nicht weiter eigenständig existieren und fusionierte 2002 mit der Gemeinde der St.-Pauli-Kirche. Um das Gebäude weiterhin als Gotteshaus zu erhalten, wurde es 2004 an eine Hamburger Gemeinde der Russisch-orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats übergeben. Seitdem trägt sie den Namen des Heiligen Johannes von Kronstadt, einem Erzpriester, Prediger und geistlichen Schriftsteller.[5]
Umbau zur „Kirche des Heiligen Johannes von Kronstadt“
Die Russisch-orthodoxe Gemeinde des Hl. Johannes von Kronstadt in Hamburg wurde im Januar 2001 gegründet.[6] Sie zählte im Jahr 2010 ca. 2000 Mitglieder.
Der Innenraum wurde nach dem Erwerb umfangreich umgebaut, da die neue Liturgie gänzlich andere Anforderungen stellt. Die Sitzbänke wurden von der Mitte an die Wände des Kirchenschiffs versetzt, die Kanzel platzierte man an der linken Seite der Ikonostase. Der alte Sandsteinaltar der evangelischen Vorgängergemeinde befindet sich heute in der St.-Pauli-Kirche, die Orgel wurde entfernt. Die bereits bestehende Trennwand zwischen Sakristei und Hauptraum wurde zur Grundlage der Ikonostase. Am äußeren Erscheinungsbild änderte sich bis auf die Verwendung orthodoxer Kreuze auf den Türmen nur wenig.
Ein in unmittelbarer Nähe liegendes Gebäude aus dem Jahr 1881 war ursprünglich als Gemeindehaus vorgesehen, allerdings so stark von Schädlingen befallen, dass es 2012 abgerissen werden musste. An seiner Stelle errichtete man einen vom Berliner Architekten Jörg Springer entworfenen Neubau.[7]
Architektur
Den Grundriss der Kirche bildet ein griechisches Kreuz. Im Stil des Historismus ausgeführt, ist der Zentralbau von ostkirchlichen Sakralbauten inspiriert, insbesondere vom Bautyp georgischer Kirchen. Die für die mitteleuropäische Bauweise ungewöhnliche Architektur mit runder Formgebung und bestimmten Elementen aus der Romanik und Gotik erinnert an den Baustil der byzantinischen Kirchen. In ihrem jetzigen Erscheinungsbild mit fünf Zwiebeldachtürmchen und orthodoxen Kreuzen nimmt der Kirchenbau die klassische Bauweise von osteuropäischen orthodoxen Kirchen auf[5].
Ausstattung
Die Ikonen sind in einer heute selten verwendeten Technik von Malerei auf Stein ausgeführt, wodurch dieses Projekt in Europa für die heutige Zeit einzigartig ist.
Die Ikonostase enthält u. a. Werke mit Bezug zum deutschen Kulturraum, dazu gehören drei Vertreter, welche von der Russisch-Orthodoxen Kirche heiliggesprochen wurden, der Hl. Prokop von Ustjug, die Hl. Elisabeth und der Hl. Ansgar, welcher sowohl in der Ostkirche als auch in Mittel- und Nordeuropa besonders verehrt wird.
Kirchenfriedhof und Filialkirche Hl. Myronträgerinnen
Seit dem Jahr 2014 befindet sich im Hamburger Stadtteil Bahrenfeld im Stadtbezirk Altona ein Begräbnisplatz der Russisch-orthodoxen Hauptgemeinde; dazu wurde eine Filialkirche errichtet, die neben ihrer Funktion als Begräbniskapelle auch für Gebets- und Musikveranstaltungen genutzt wird.
Fotografien und Karte
- Zustand 2007, rechts neben der Kirche noch mit altem Gemeindehaus
- Luftaufnahme der Kirche (rechts hinter dem Oberlandesgericht)
- Turmkreuz 2013
- Südwestturm als Beispiel für den neoromanischen Baustil
Literatur
- Ralf Lange: Architektur in Hamburg. Junius Verlag, Hamburg 2008, ISBN 978-3-88506-586-9, S. 76 f.
- Matthias Gretzschel: Hamburgs Kirchen: Geschichte, Architektur, Angebote. Axel Springer Verlag, Hamburg 2013, ISBN 978-3-86370-116-1, S. 220–225.
- Friedhelm Grundmann, Thomas Helms: Wenn Steine predigen. Medien Verlag Schubert, Hamburg 1993, ISBN 3-929229-14-5, S. 106–108.
Einzelnachweise
- Ralf Lange: Architektur in Hamburg. Junius Verlag, Hamburg 2008, ISBN 978-3-88506-586-9, S. 77.
- Historische Disposition der Orgel in der Orgeldatenbank orgbasse.nl. Abgerufen am 3. Juli 2014.
- Gnadenkirche Hamburg 1907–1987. Festschrift zum 80jährigen Jubiläum.
- Beschreibung der Änderungen in der Nutzung auf www.hamburg.de. Abgerufen am 3. Juli 2014.
- Gemeinde des Hl. Johannes von Kronstadt
- https://www.hamburg-hram.de/prihod
- Carsten Vitt: Abriss im Februar. In: Elbe-Wochenblatt Eimsbüttel. 10. Januar 2012 (online [abgerufen am 3. Juli 2014]). online (Memento des Originals vom 4. März 2016 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
Weblinks
- Homepage der Gemeinde
- Beschreibung auf www.hamburg.de.