Julius Meinl
Das österreichische Unternehmen Julius Meinl AG entstand aus dem im Jahre 1862 von Julius Meinl I. in Wien (1. Bezirk, Fleischmarkt) gegründeten Gewürzgeschäft, in dem anfangs nur grüne Kaffeebohnen, später auch frisch gerösteter Kaffee angeboten wurde.[1] Ihr Markenzeichen war der von Joseph Binder entworfene Meinl-Mohr, ein schwarzer Kinderkopf mit hohem rotem Fes auf gelbem Grund, der aber 2004 überarbeitet wurde. Im Oktober 2021 wurde beschlossen, den Mohrenkopf im Markenzeichen aus Gründen des Zeitgeists aufzugeben und nur noch den bekannten Meinl-Hut ohne Kopf erscheinen zu lassen.[2] Dies gilt nur für Meinl am Graben, nicht für die Tochtergesellschaft Meinl Austria.[3]
Julius Meinl AG | |
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Rechtsform | Aktiengesellschaft |
Gründung | 1862 |
Sitz | Wien |
Leitung | Julius Meinl V. |
Mitarbeiterzahl | 750 (2017) |
Umsatz | 172 Millionen Euro (2017) |
Branche | Kaffee |
Website | www.meinl.at |
Geschichte
In Österreich-Ungarn wurde das Unternehmen in seiner Branche führend. Auch nach dem Ersten Weltkrieg blühte das Geschäft mit frisch geröstetem Kaffee, sodass Julius Meinl II. 1939 europaweit mehr als 1000 Filialen hatte, in denen auch andere Lebensmittel von überdurchschnittlicher Qualität verkauft wurden. Bereits im Jahr 1927 erhielt das Unternehmen die Staatliche Auszeichnung und damit das Recht, das Bundeswappen im Geschäftsverkehr zu führen. Durch den Zweiten Weltkrieg blieben davon nur die österreichischen Geschäfte und Röstereien übrig. Ende der 1960er Jahre hatte Meinl 280 Filialen. Dazu kamen am Ende der 1960er Jahre 78 Filialen der im Juli 1891 in Oberdöbling, Donaugasse 7 (heute: Pokornygasse), zur Beerenmosterei und Champagnererzeugung gegründeten Firma Brüder Kunz,[Anm. 1] die im Niedrigpreissegment des Lebensmittelhandels im Kaffeebereich als Dachmarke fungierte.
Sozialpolitisch nennenswerte Maßnahmen sind die Einführung der Sonntagsruhe im Jahr 1907 sowie der 5-Tage-Woche mit 43 Wochenstunden im Jahr 1931.[4]
Zum Julius-Meinl-Konzern gehörte bis 1999 auch die Hypermarktkette PAM PAM. Sie wurde von Jenö Eisenberger, dem Begründer der LÖWA-Kette, ins Leben gerufen und dann 1974 an Meinl verkauft. Der erste PAM-PAM-Markt war jener am Kreilplatz im 19. Bezirk. Die nächsten Märkte entstanden in der Siebenbrunnengasse und in der Sandleitengasse. Bis 1998 zählte Pam Pam 41 Standorte, wovon rund 20 in Wien waren. Der Rest verteilte sich über die restlichen Bundesländer.
Neuausrichtung
Hohe Verluste im Lebensmitteleinzelhandel bewogen Meinl schließlich zum Rückzug aus diesem Geschäftsbereich mit den Marken Julius Meinl, Pampam und Jééé-Diskont. Im Frühjahr 1999 wurden zunächst die mittel- und westösterreichischen Standorte an Billa (Rewe Group) verkauft; im Mai gingen die Märkte in Wien, Niederösterreich und Burgenland an die Spar. Auch die Filialen in Ungarn (1999 an Delhaize), Tschechien (2005 an Ahold, mittlerweile mit Delhaize zu Ahold Delhaize fusioniert) und Polen (2005 an Tesco) wurden aufgelassen. Die Firma konzentriert sich heute wieder auf das ursprüngliche Kaffeegeschäft und betreibt in Ottakring an der Julius-Meinl-Gasse 3–7 eine Rösterei. Dort befindet sich auch die Zentrale. Lediglich die 1950 eröffnete Wiener Hauptfiliale Meinl am Graben wird weiter als Flagshipstore (s. u.) betrieben. Seit 2002 werden in Chicago ein Kaffeehaus (Coffeehouse) und eine Coffee Bar betrieben.[5]
Meinl am Graben
Die bekannte Wiener Filiale Am Graben 19 (Eingang Graben 20) wurde im Jahr 1999 renoviert und vergrößert und wird als Delikatessengeschäft Meinl am Graben geführt. Diese Filiale wird von Touristen stark frequentiert. Im Sortiment sind insbesondere internationale Produkte aus den Bereichen Tee, Kaffee, Marmelade, Süßwaren, Wein und Spirituosen stark vertreten. Neben einer Auswahl an frischen Lebensmitteln werden auch verschiedene selbst hergestellte Produkte angeboten.
Das im ersten Stock des Hauses Graben 20 betriebene Restaurant wurde 2004 vom Gault-Millau mit drei Hauben ausgezeichnet. Ab März 2010 war Metin Yurtseven Chef de Cuisine im Restaurant, er wurde 2012 mit seiner ersten Gault-Millau-Haube ausgezeichnet. Im Mai 2021 wurde die Schließung des Restaurants und der Weinbar bekannt.[6][7]
Logo
Das ursprüngliche Logo zeigte in einem horizontalen Oval ein besegeltes Handelsschiff auf Wellen. Es wurde 1924 durch einen vom Wiener Grafiker Joseph Binder entworfenen schwarzen Burschen mit rotem Fes ersetzt, der auf die Geschichte der Wiener Kaffeekultur verweist: Der Kaffee erreichte Wien über die Belagerung durch das Osmanische Reich, in dem wiederum afrikanische Sklaven für dienende Tätigkeiten eingesetzt wurden.[8] Das Logo, ähnlich wie der Mohr von Sarotti, hatte einen starken Wiedererkennungswert des Unternehmens und ist auf fast jedem Meinl-Produkt und Filialen dargestellt. Bis in die 1990er-Jahre prägten Metallschilder mit dem Logo das österreichische Straßenbild. Inzwischen erzielen sie bei Auktionen hohe Preise.[9] Mit den Jahren unterlag der Meinl-Mohr verschiedenen Veränderungen, blieb aber lange in seiner Kernkomponente bestehen. 2004 überarbeitete der Designer Matteo Thun das Logo, indem er es durch eine rote Silhouette des Buben ersetzte und ihn aufrecht schauen ließ.[10]
Die Initiative Mein Julius hat 2007 eine veraltete Version des Logos in ein Protestzeichen umgewandelt, um gegen rassistische Klischees sowie gegen Fehlinterpretationen von Afrika und der Kolonialzeit zu demonstrieren. Allerdings benutzt die Initiative dazu ein Logo von vor 2004 und nicht die überarbeitete Version ab 2004, da dieses nicht mehr für die bildliche Darstellung des Protestes und des Rassismus-Klischees geeignet gewesen wäre. Die Initiative weist auch nicht darauf hin, dass sie ein veraltetes Logo benutzt oder dass Meinl das Logo überarbeitet hatte, um den rassistischen Klischees keinen Vorschub mehr zu leisten, was wiederum Kritik an der Initiative ermöglicht.[11][12]
Im Oktober 2021 wurde bekannt, dass Meinl auf den umstrittenenen Mohren verzichtet. Von diesem bleibt nur der Fez, seine Kopfbedeckung, künftig auf petrolfarbenem Hintergrund.[13]
Literatur
- Oliver Kühschelm: Julius Meinl. Patriarchalisch, (groß)bürgerlich, österreichbewusst. In: Emil Brix, Ernst Bruckmüller, Hannes Stekl (Hrsg.): Memoria Austriae III. Unternehmer, Firmen, Produkte. Verlag für Geschichte und Politik, Wien 2005, ISBN 3-7028-0419-6, S. 43–97.
- Margaretha Lehrbaumer: Womit kann ich dienen? Julius Meinl – Auf den Spuren einer großen Marke. Pichler Verlag, Wien 2000, ISBN 3-85431-164-8.
- Peter Pirker: Exilpolitische Seiten der Julius Meinl AG, in: Ursula Seeber, Veronika Zwerger, Claus-Dieter Krohn (Hgg.): "Kometen des Geldes": Ökonomie und Exil. Reihe: Exilforschung, 33. edition text + kritik, München 2015, ISBN 3-86916-451-4
Weblinks
- Webpräsenz von Julius Meinl
- Website von Meinl am Graben
- Der legendäre Mohr hängt in der Luft, Wiener Zeitung, 13. September 2007 (abgerufen am 22. November 2013)
- Eintrag zu Julius Meinl im Austria-Forum (im AEIOU-Österreich-Lexikon)
- schlot.at: Julius Meinl – historische Ansichten und Dokumente
- Frühe Dokumente und Zeitungsartikel zur Brüder Kunz AG in der Pressemappe 20. Jahrhundert der ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft
Einzelnachweise
- Geschichte von Julius Meinl. Julius Meinl, abgerufen am 19. April 2018.
- Meinl ohne Mohrenkopf, In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 23. Oktober 2021
- Agnes Preusser: Ein Logo, zwei Zugänge: "Mohrenkopf" bei Meinl nicht überall Geschichte In: kurier.at, 22. Oktober 2021, abgerufen am 28. Februar 2022
- 80 Jahre Julius Meinl: Wiener Paradeunternehmen feiert. Rathauskorrespondenz der Stadt Wien, 13. Mai 2004, abgerufen am 7. August 2015.
- About us. Julius Meinl Chicago, abgerufen am 4. März 2021 (englisch).
- Nina Wessely: Meinl am Graben schließt Restaurant und baut um. In: DerStandard.at. 7. Mai 2021, abgerufen am 7. Mai 2021.
- Karin Schuh: Meinl am Graben: Restaurant und Weinbar sind Geschichte. In: Die Presse. 7. Mai 2021, abgerufen am 7. Mai 2021.
- Elisabeth Kimmerle: Welches Geheimnis steckt hinter den Afrotürken? Die WELT, abgerufen am 24. Juni 2020.
- Oberösterreichische Nachrichten vom 3. Jänner 2009, Meinl-Banker begannen als Kaffeeröster.
- Julius Meinl: Unternehmensgeschichte, abgerufen am 28. Januar 2017
- Website Mein Julius Logokritik
- Meinl-Mohr – Symbol des Rassismus? Die Presse vom 17. Dezember 2007, abgerufen am 12. April 2015
- Verena Kainrath: Totgesagter Meinl am Graben eröffnet neu – der Mohr ist Geschichte In: DerStandard.at, 21. Oktober 2021, abgerufen am 28. Februar 2022.
Anmerkungen
- Die ursprüngliche Firma, die offene Gesellschaft J. Kunz (Wien-Innere Stadt, Maximilianstraße 3), bestand seit 1. Jänner 1888, gegründet von den in Graz wohnhaften Gemischtwarenhändlern Jakob Kunz († 7. September 1941) sowie Adam Josef Kunz († 16. Jänner 1924).