Jafar Panahi
Jafar Panahi (persisch جعفر پناهی Dschaʿfar Panahi, DMG Ǧaʿfar Panāhī; * 11. Juli 1960 in Mianeh, Provinz Ost-Aserbaidschan) ist ein iranischer Filmregisseur. In seinen Filmen setzt er sich immer wieder kritisch mit Politik und Gesellschaft in der Islamischen Republik auseinander. 2010 wurde Panahi zu einer Haftstrafe und einem 20-jährigen Berufsverbot verurteilt.
Leben
Jafar Panahi ist einer der wichtigsten unabhängigen Filmemacher im Iran. Er studierte in den 1980er Jahren in Teheran Film- und Fernsehregie. Nach einigen Fernseharbeiten und Kurzfilmen war er Assistent von Abbas Kiarostami, wie bei dem mehrfach ausgezeichneten Film Quer durch den Olivenhain (1994). Sein Debütfilm Der weiße Ballon wurde 1995 bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes mit der Goldenen Kamera ausgezeichnet. Sein nächster Film Der Spiegel gewann 1997 beim Locarno Film Festival den Goldenen Leopard. Der größte Erfolg war für ihn der Gewinn des Goldenen Löwen bei den Internationalen Filmfestspielen von Venedig 2000 mit dem Film Der Kreis. Der Film wurde jedoch vom iranischen Regime verboten und nicht im Iran gezeigt. 2003 erhielt Crimson Gold – Blutrotes Gold den Hauptpreis auf der Semana Internacional de Cine de Valladolid und den Goldenen Prometheus beim Tbilisi International Film Festival 2004. Sein Film Offside erlebte auf der Berlinale 2006 am 17. Februar 2006 seine Welturaufführung und gewann einen Tag später einen Silbernen Bären.
Im Februar 2010 sollte Panahi als Ehrengast der 60. Berlinale im Rahmen des World Cinema Fund Day an einer Diskussion zum Thema „Iranisches Kino: Gegenwart und Zukunft, Erwartungen innerhalb und außerhalb des Landes“ teilnehmen. Die Ausreise aus seinem Heimatland wurde Panahi jedoch verwehrt.[1] Er war zuvor in Nader Davoodis kritischem Dokumentarfilm Red, White & The Green aufgetreten, der in der Berlinale-Reihe Panorama Dokumente gezeigt wurde und die Hoffnung der iranischen Intellektuellen, Jugend und Frauen auf einen politischen Wechsel deutlich macht.[2]
Panahi unterstützte bei den umstrittenen iranischen Präsidentschaftswahlen 2009 die Oppositionsbewegung Grüne Bewegung von Mir Hossein Mussawi gegen den Präsidenten Mahmud Ahmadineschād.[3]
Nach Angaben Oppositioneller wurde Panahi zusammen mit seiner Frau, seiner Tochter und weiteren Dissidenten am 1. März 2010 in seinem Haus von der iranischen Polizei festgenommen.[4] Ebenfalls festgenommen wurde Mohammad Rasulof, mit dem er wiederholt zusammengearbeitet hatte.[5] Panahi wurde zunächst ohne Anklage in das Evin-Gefängnis gebracht, wo er knapp drei Monate lang inhaftiert blieb. Er trat in den Hungerstreik, unter anderem, weil er einen eigenen Anwalt forderte. Zahlreiche internationale Prominente wie Michael Moore, Steven Spielberg, Robert Redford, Abbas Kiarostami setzten sich für seine Freilassung ein. Panahi kam am 25. Mai 2010 gegen Zahlung einer Kaution von 200.000 US-Dollar stark abgemagert bis zum Beginn des Strafprozesses frei.[3][6] Bereits im Sommer 2009 war er nach einer Gedenkveranstaltung für Neda Agha-Soltan kurzzeitig inhaftiert worden.[7]
Der Prozess fand am 20. Dezember 2010 statt. Panahi wurde dabei zu 6 Jahren Gefängnis verurteilt; gleichzeitig erhielt er ein Berufsverbot von 20 Jahren, darf keine Interviews geben oder ins Ausland reisen. Gemäß seiner Anwältin muss Panahi wegen „Propaganda gegen das System“ ins Gefängnis. Konkret wird ihm vorgeworfen, er habe einen regimekritischen Film über die Wahlen und die anschließenden Ausschreitungen vorbereiten wollen.[3][8][9]
Panahi hatte in Abwesenheit seinen Platz in der Wettbewerbsjury bei den 61. Internationalen Filmfestspielen von Berlin behalten. Das Festival setzte damit das Zeichen, Panahis Freiheitskampf zu unterstützen.[10] Außerdem sollte er mit Filmvorführungen und Diskussionen unterstützt werden. In mehreren Sektionen wurde jeweils ein Film von ihm gezeigt.[11] Aus Solidarität mit Jafar Panahi, der vom religiösen Regime des Iran an der Ausreise zur Berlinale 2011 gehindert wurde, erschien Die Tageszeitung (taz) am 11. Februar 2011 in grüner Farbe, der Farbe der iranischen Oppositionsbewegung.[12] Bis zum Ende der Berlinale hatte Festival-Direktor Dieter Kosslick daran geglaubt, Panahi würde am Ende noch auf seinem Juryplatz sitzen. Die Preisverleihung musste dennoch ohne ihn stattfinden. Die starke Solidarität Kosslicks führte daher zu einer weltweiten Berichterstattung des Falles Panahis.[13]
Anfang Mai 2011 gab die Festivalleitung der Filmfestspiele von Cannes die Uraufführung von Jafar Panahis und Mojtaba Mirtahmasbs Dies ist kein Film (englischsprachiger Titel: This Is Not a Film) bekannt. Der 75-minütige Dokumentarfilm zeigt einen Tag im Leben Panahis, während er über Monate auf seine Verurteilung warten musste.[14]
Im Oktober 2011 bestätigte ein iranisches Berufungsgericht sowohl die sechsjährige Haftstrafe als auch das zwanzigjährige Berufs- und Reiseverbot gegen Panahi.[15] Anfang März 2012 erklärte der Botschafter Irans in Deutschland, Ali Reza Sheikh Attar, dass Panahi zu diesem Zeitpunkt in zweiter Instanz vor Gericht stehe.[16]
Panahis Film Pardé lief im Wettbewerb der Berlinale 2013.[17]
In Taxi Teheran, dem zweitneuesten Film von Panahi, spielt er selbst einen Taxifahrer, der durch die Straßen Teherans fährt. Die Kamera ist unauffällig am Armaturenbrett des Autos befestigt und wird in einzelnen Szenen sichtlich von Panahi geschwenkt. Taxi Teheran war im Wettbewerb der 65. Berlinale vertreten und gewann dort den Goldenen Bären. Panahi ließ den Film nach Berlin schmuggeln.[18]
Auch Drei Gesichter/Se Rokh aus dem Jahr 2018 spielt zu großen Teilen im Auto. Wieder inszeniert Panahi sich selbst als Fahrer: Er begleitet die im Iran berühmte Schauspielerin Behnaz Jafari (auch sie spielt sich selbst) in ein Dorf im Nordwestiran. Von dort hat Jafari das scheinbar echte Selbstmordvideo einer jungen Frau zugespielt bekommen. Das Duo macht sich auf den Weg, um herauszufinden, was wirklich passiert ist.[19] Der Film gewann 2018 beim Filmfestival in Cannes den Preis für das beste Drehbuch.[20]
Filme
- Yarali Bashlar (1988, Kurzdokumentarfilm)
- Kish (1991, Dokumentarfilm)
- Doust (1992, Kurzfilm)
- Zire Darakhatan Zeyton (Quer durch den Olivenhain, 1994, Regieassistenz)
- Badkonake Sefid (Der weiße Ballon, 1995)
- Ardekoul (1997, Kurzdokumentarfilm)
- Ayneh (Der Spiegel, 1997)
- Dayereh (Der Kreis, 2000)
- Talaye Sorkh (Crimson Gold, 2003)
- Offside (2006)
- Ākordeon (Das Akkordeon, 2010, Kurzfilm)
- Dies ist kein Film (In film nist, 2011)[21]
- Pardé (Closed Curtain, 2013)
- Taxi Teheran (Taxi, 2015)
- Drei Gesichter (Se Rokh, 2018)[22]
Auszeichnungen
- 2000: Goldener Löwe der Filmfestspiele von Venedig für den Spielfilm Der Kreis
- 2012: Sacharow-Preis für geistige Freiheit des Europäischen Parlamentes[23], gemeinsam mit der iranischen Rechtsanwältin und Menschenrechtsaktivistin Nasrin Sotudeh
- 2013: National Society of Film Critics Award als bester Experimentalfilm für Dies ist kein Film
- 2013: Silberner Bär für das beste Drehbuch, gemeinsam mit Kambuzia Partovi für Pardé
- 2015: Goldener Bär für Taxi Teheran
- 2015: Preis für die Freiheit und Zukunft der Medien der Medienstiftung der Sparkasse Leipzig
- 2018: Douglas Sirk Preis[24]
Siehe auch
Weblinks
- Literatur von und über Jafar Panahi im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Jafar Panahi in der Internet Movie Database (englisch)
Einzelnachweise
- vgl. Elterlein, Eberhard von: Ein Film aus dem Iran sorgt für Furore. In: Berliner Morgenpost, 17. Februar 2010, Nr. 47, S. 21
- vgl. Berlinale: Ein Volk begehrt auf. In: zeit.de, 17. Februar 2010 (aufgerufen am 19. Februar 2010)
- Sechs Jahre Haft wegen „Propaganda“. (Memento vom 22. Dezember 2010 im Internet Archive) In: tagesschau.de vom 21. Dezember 2010; Archiv-Version (Memento vom 22. Dezember 2010 im Internet Archive)
- vgl. Rückschau: Künstler im Knast. In: ttt – titel, thesen, temperamente vom 28. März 2010 (aufgerufen am 30. März 2010)
- Bert Rebhandl: Unfreier Mitarbeiter in: Der Standard vom 24. Jänner 2011. Abgerufen am 3. Juni 2011.
- Der Tagesspiegel: Iran: Filmemacher Jafar Panahi gegen Kaution frei. 25. Mai 2010.
- vgl. Al Jazeera: Iran targets reformist publications. 2. März 2010.
- Panahi zu sechs Jahren Haft verurteilt. In: Spiegel Online vom 21. Dezember 2010.
- The Guardian: Iran: Iran jails director Jafar Panahi and stops him making films for 20 years. 20. Dezember 2010.
- Jafar Panahi behält Platz in Berlinale-Jury. In: Focus vom 21. Januar 2011.
- Berlinale unterstützt iranischen Filmemacher Panahi. (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven) Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. In: Welt Online vom 18. Januar 2011.
- Tageszeitung, 11. Februar 2011.
- Mit Humor ist manchmal doch viel mehr zu erreichen. (Memento des Originals vom 20. Februar 2011 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. In: zenithonline vom 17. Februar 2011.
- vgl. Offizielle Pressemitteilung bei festival-cannes.com, 7. Mai 2011 (englisch; aufgerufen am 9. Mai 2011).
- Frankfurter Allgemeine Zeitung: Haftstrafe für Dschafar Panahi bestätigt. 15. Oktober 2011.
- 3sat, Kulturzeit, Maren Beuscher: Video: Interview mit Ali Reza Sheikh Attar, 1. März 2012.
- Archivlink (Memento des Originals vom 21. Januar 2013 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- Dietmar Dath: Die Wahrheit als Mitfahrgelegenheit. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, E-Paper vom 7. Februar 2015, abgerufen am 10. Februar 2015.
- Oliver Kaever: Auf der Suche nach der Moderne. In: spiegel.de. SPIEGEL ONLINE GmbH & Co. KG, 26. Dezember 2018, abgerufen am 10. Januar 2019.
- 3 Faces. In: Festival de Cannes. Festival de Cannes, abgerufen am 10. Januar 2019.
- Lasst diesen Blick frei in: FAZ vom 23. Mai 2012, Seite 31
- Programm Filmfest Hamburg
- Sacharow-Preis geht an iranische Aktivisten. 26. Oktober 2012, abgerufen am 31. Mai 2019.
- Douglas Sirk Preis Filmfest Hamburg