Mohammad Rasulof
Mohammad Rasulof (persisch محمد رسولاف Mohammad Rasulof, DMG Mohammad Rasūlof, * 1973 in Schiras[1]) ist ein iranischer Filmemacher, Produzent und Künstler. Aufgrund der politischen Lage im Iran ist sein Wirken derzeit in hohem Maße eingeschränkt.[1] Er befindet sich nicht unter Hausarrest.[2][3] Gegenwärtig lebt er in Teheran und in Hamburg.
Leben und Werk
Rasulof studierte Soziologie und besuchte einen Workshop zu Filmschnitt am Sooreh Higher Education Institute in Teheran.[4] In den 90er Jahren begann er Kurzfilme zu drehen; sein erster langer Film Gagooman wurde 2002 beim Festival in Teheran ausgezeichnet.[5]
Typisch für Rasulofs Filme ist der allegorische, mehrdeutige Verlauf.[6] Sein wohl bekanntester Film ist Eiserne Insel (2005), der eine ambivalente Exodusgeschichte sunnitischer Iraner erzählt, die sich aus ihrer Unterkunft, dem Wrack eines plötzlich sinkenden Öltankers, in die Wüste flüchten.[6] Beim Filmfest Hamburg 2005 erhielt Rasulof für Eiserne Insel den Preis der Hamburger Filmkritik.
Rasulofs bislang einziger Dokumentarfilm ist Im Reich der Schüssel, der einen Einblick in die widersprüchliche mediale Situation im Iran gibt.[6]
Mohammad Rasulof und Jafar Panahi unterstützten sich bei ihren Filmprojekten wiederholt gegenseitig. So besorgte bei Rasulofs Parabel The White Meadows (2009), der sich mit der Bedeutung von Traditionen im heutigen Iran auseinandersetzt, Panahi den Schnitt. Rasulof kam anschließend in Haft.[6] Während gemeinsamer Dreharbeiten zu einem Film Panahis über die Proteste nach den iranischen Präsidentschaftswahlen 2009 wurden beide im März 2010 verhaftet.[6] Rafi Pitts machte sich mit Protesten für die Freilassung stark.
Rasulof wurde in den westlichen Medien vielfach als Mitarbeiter Panahis bezeichnet; beide arbeiten jedoch eigenständig und unterstützen sich bei Projekten gegenseitig und oftmals gleichwertig.[1] Im Dezember 2010 wurden beide zu einer sechsjährigen Haftstrafe verurteilt, die nicht vollzogen wurde, Rasulof wurde entgegen anderslautenden Meldungen jedoch nicht mit einem Berufsverbot belegt.[1][7] Die beiden befanden sich jedoch mit Auflagen unter Hausarrest.[2]
Die Internationalen Filmfestspiele Berlin 2011 („Berlinale“) waren von der Verurteilung Rasulofs und Panahis überschattet.[8] Im Mai 2011 wurde es Rasulof überraschend gestattet, zu den Internationalen Filmfestspielen von Cannes zu reisen; sein Film Be omid-e didar (Auf Wiedersehen) war zuvor bereits gezeigt worden.[2] Der Film handelt von einer jungen Iranerin, die auf ein Ausreisevisum wartet.[9] Be omid-e didar gewann in Cannes den Regiepreis der Nebensektion Un Certain Regard.[10] Sein Film Dastneweschteha nemissusand (Manuscripts Don't Burn) bezieht sich auf die Kettenmorde in den 90er Jahren, als Intellektuelle – Schriftsteller, Verleger und Journalisten – vom Geheimdienst umgebracht wurden. Der nach Frankreich geschmuggelte Film feierte 2013 ebenfalls in der Sektion Un Certain Regard in Cannes Premiere und wurde mit dem FIPRESCI-Preis ausgezeichnet.[11] Für das Drama Lerd (A Man of Integrity) erhielt er 2017 schließlich den Hauptpreis der Sektion Un Certain Regard.[12]
2017 wurde er in die Academy of Motion Picture Arts and Sciences (AMPAS) aufgenommen, die jährlich die Oscars vergibt.[13]
2020 erhielt Rasulof für seinen Spielfilm Doch das Böse gibt es nicht eine Einladung in den Wettbewerb der 70. Internationalen Filmfestspiele Berlin und gewann schließlich den Goldenen Bären. Den Preis konnte er nicht persönlich entgegennehmen, da er keine Reiseerlaubnis erhielt; den Goldenen Bären nahm an seiner Stelle seine Tochter Ranan Rasulof entgegen.
Wenige Tage nach der Preisverleihung wurde Rasulof im Iran zu einer Haftstrafe von einem Jahr verurteilt sowie mit einem zweijährigen Verbot, Filme zu machen, belegt, da er mit drei Filmen „Propaganda gegen das System“ betrieben habe.[14]
Im Jahr 2021 wurde er in die Wettbewerbsjury der 71. Berlinale berufen,[15] er durfte aber nicht nach Berlin ausreisen. Er wird an den Vorstellungen und Jurysitzungen online teilnehmen.[16]
In seinen Werken findet keine diffuse Regimekritik statt. Rasulofs Filme sprechen sich – sowohl brachial als auch poetisch – für die Freiheit der Ideen, Meinungen und der Kunst aus.
Filmografie
- 1991: Friday (Kurzfilm)
- 1993: The Pin (Kurzfilm)
- 1994: Seven Dreams (Kurzfilm)
- 1995: Ten Seconds More (Kurzfilm)
- 1997: The Glass House (Kurzfilm)
- 1999: Evening Party (Kurzfilm)
- 2002: Gagooman
- 2005: Eiserne Insel (Dschasireh Ahani)
- 2008: Im Reich der Schlüssel (Baad-e-daboor) (Dokumentarfilm)
- 2009: Keshtzarha ye sepid / The White Meadows
- 2011: Bé Omid é Didar / Auf Wiedersehen
- 2013: Dastneveshteha Nemisoozand / Manuscripts Don't Burn
- 2017: Lerd / A Man of Integrity
- 2020: Doch das Böse gibt es nicht (Sheytan vojud nadarad)
Auszeichnungen
- 2003: Bester Erstlingsfilm des Internationalen Fajr-Filmfestivals für Gagooman
- 2005: Spezialpreis der Jury des Gijón International Film Festivals für Dschasireh Ahani
- 2005: Bester Film des International Film Festival of India für Dschasireh Ahani
- 2007: Bester Film und Drehbuchpreis des Avanca Film Festivals für Dschasireh Ahani
- 2009: „AsiaAfrica Special Jury Prize“ des Dubai International Film Festivals für Keshtzar haye sepid
- 2011: Regiepreis der Reihe Un Certain Regard der 64. Filmfestspiele von Cannes für Bé Omid é Didar
- 2013: FIPRESCI-Preis in der Reihe Un Certain Regard der 66. Filmfestspiele von Cannes für Manuscripts don't burn
- 2017: Hauptpreis der Reihe Un Certain Regard der 70. Filmfestspiele von Cannes für A Man of Integrity
- 2020: Goldener Bär für den besten Film der 70. Internationalen Filmfestspiele Berlin (Berlinale) für Doch das Böse gibt es nicht
Weblinks
- Mohammad Rasulof in der Internet Movie Database (englisch)
- Im Reich der Schlüssel, Dokumentarfilm Rasulofs auf Youtube in voller Länge.
Einzelnachweise
- Bert Rebhandl: Iranischer Regisseur im Portrait: Der poetische Feldforscher. In: taz.de. 7. Februar 2011, abgerufen am 2. Mai 2020.
- hpi/afp: Verurteilter Regisseur Rasoulof: Iranische Behörden heben Reiseverbot auf. In: Spiegel Online. 17. Mai 2011, abgerufen am 2. Mai 2020.
- Tom R. Schulz: Alltag im Iran: Angst essen Seele nicht auf. In: abendblatt.de. 29. September 2011, abgerufen am 2. Mai 2020.
- http://www.filmfestivalrotterdam.com/en/persons/mohammad-rasoulof/
- Susan Vahabzadeh: Mohammad Rasoulof. Abgerufen am 16. August 2020.
- Unfreier Mitarbeiter. In: derStandard.at. 24. Januar 2011, abgerufen am 12. Dezember 2017.
- Mohammad Rasoulof: Iranischer Regisseur über seine Arbeit: "Lieber in meinem eigenen Land fremd". In: taz.de. 7. Dezember 2011, abgerufen am 2. Mai 2020.
- Stefan Kuzmany: Zensur in Iran: Filme sind keine Verbrechen! In: Spiegel Online. 11. Februar 2011, abgerufen am 9. Juni 2018.
- Jan Schulz-Ojala: Iranische Regisseure: Trotz Verbot: Filme von Panahi und Rasoulof in Cannes. In: tagesspiegel.de. 8. Mai 2011, abgerufen am 2. Mai 2020.
- vgl. Auszeichnungen bei festival-cannes.com, 21. Mai 2011 (französisch; aufgerufen am 21. Mai 2011).
- Cannes: 'The Missing Picture' Wins Un Certain Regard Prize. In: Hollywood Reporter. 26. Mai 2013. Abgerufen am 26. Mai 2013.
- 70. Filmfestival Cannes – Iranischer Regisseur Rasoulof ausgezeichnet. In: Neue Zürcher Zeitung. 28. Mai 2017. Abgerufen am 10. Juli 2017.
- „Class of 2017“. Zugegriffen 30. Juni 2017.
- Emeli Glaser: Haftbefehl gegen iranischen Berlinale-Gewinner. In: FAZ.net. 5. März 2020, abgerufen am 2. Mai 2020.
- Goldene Bären–Gewinner*innen bilden Internationale Jury der 71. Berlinale. In: berlinale.de (abgerufen am 1. Februar 2021).
- Christiane Peitz: Interview mit Regisseur Mohammad Rasoulof „Nein-Sagen hat große Schönheit“. In: tagesspiegel.de, 28. Februar 2021 (abgerufen am 1. März 2021).