Itzgründisch
Itzgründisch ist ein unterostfränkischer Dialekt, der in den Tälern der namensgebenden Itz und ihrer Zuflüsse Grümpen, Effelder, Röthen/Röden, Lauter, Füllbach und Rodach und der Rodach-Zuflüsse Kreck und Helling, den Tälern der Neubrunn, Biber und der oberen Werra und im Tal der Steinach gesprochen wird. In dem kleinen Sprachraum, der sich vom Itzgrund in Oberfranken bis in den Südhang des Thüringer Schiefergebirges hinein erstreckt, existiert das „Fränkische“ (genauer das Ostfränkische) noch in einer sehr ursprünglichen Form. Auf Grund der isolierten Randlage dieser Gegend bis Ende des 19. Jahrhunderts und später während der deutschen Teilung haben sich bis heute viele sprachliche Eigenheiten erhalten. Wissenschaftliche Beachtung erfuhr das Itzgründische erstmals Mitte des 19. Jahrhunderts durch den Sprachforscher August Schleicher.
Itzgründisch | ||
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Gesprochen in |
Bayern, Thüringen | |
Sprecher | 225.000 | |
Linguistische Klassifikation |
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Geografische Eingrenzung
Das itzgründische Dialektgebiet umfasst südlich des Rennsteigs den Landkreis Sonneberg, den südlichen und östlichen Teil des Landkreises Hildburghausen, Stadt und Landkreis Coburg und den Nordwesten des Landkreises Lichtenfels.
Im Westen des Dialektgebietes grenzt die „Südhennebergische Staffelung“, die sich durch den Landkreis Hildburghausen zieht, das Itzgründische zum Hennebergischen ab. Ihre Verlängerung südlich der Kreisstadt und weiter entlang der Kreisgrenze bildet die Dialektgrenze zum Grabfeldischen bzw. weiter südlich zum Unterfränkischen, das auch in Seßlach im Westen des Landkreises Coburg gesprochen wird. Südlich der Coburger Kreisgrenze vermischt sich das Itzgründische mit dem Bambergischen. Östlich der Sonneberger (ausgenommen Heinersdorf, das schon im oberfränkischen Sprachgebiet liegt) und der Coburger Kreisgrenze und im Osten von Michelau im Landkreis Lichtenfels grenzt das itzgründische Sprachgebiet an das Oberfränkische. Das Oberfränkische liegt jenseits der Bamberger Schranke bzw. „Coburger Schranke“, gehört also nicht zu den mainfränkischen Dialekten.
Unmittelbar am Verlauf des Rennsteigs über den Kamm des Thüringer Schiefergebirges existiert eine schmale Übergangszone zum Thüringischen, die aus den moderneren, weitgehend ostfränkisch geprägten Ortsdialekten der Orte um Sachsenbrunn und Lauscha besteht, die den itzgründischen Wortschatz nutzen.
Das itzgründische Dialektgebiet ist deckungsgleich mit den Territorien der historischen Landschaft Pflege Coburg und der Benediktinerabtei Banz.
Sprecher
Am 31. Dezember 2010 lebten in der Stadt Coburg 41.076, in den Städten und Gemeinden des itzgründischen Dialektgebietes im Landkreis Coburg 84.129, im Landkreis Hildburghausen 40.745, im Landkreis Lichtenfels 22.791 und im Landkreis Sonneberg etwa 50.000 (geschätzter Anteil der nicht itzgründisch sprechenden Gemeindeteile abgezogen) Einwohner. In der Stadt Lichtenfels, die am Südufer des Mains liegt, womit deren historischer Dialekt schon als Mischdialekt aus dem Itzgründischen und dem Bambergischen gilt, wurden 20.555 Einwohner gezählt. Während in den ländlichen Gemeinden nahezu durchgehend die jeweiligen itzgründischen Dorfdialekte gesprochen werden, ist der Anteil der nicht itzgründisch sprechenden Einwohner in den Städten deutlich größer. Bei vorsichtiger Schätzung dürfte die Zahl der itzgründischen Muttersprachler Anfang des 21. Jahrhunderts noch bei etwa 225.000 Sprechern liegen.
Die Ortsdialekte der Übergangszone am Rennsteig werden von den meisten der ca. 13.000 Einwohner beherrscht und im Alltag gesprochen. Eine Ausnahme bildet hier lediglich die Stadt Neuhaus am Rennweg, wo aufgrund des starken Zuzugs von Familien aus der Umgebung und aus weiter entfernten Regionen im 20. Jahrhundert neben dem einheimischen „Herrnhäuser“ Dialekt Südostthüringische und andere Mundarten gesprochen werden.
Besonderheiten
Die Grammatik des Itzgründischen entspricht grundsätzlich den ostfränkischen Regeln (siehe unter Ostfränkische Dialekte) und hat nach der Formenlehre Schleichers noch Merkmale des Mittelhochdeutschen. Die Besonderheit des Itzgründischen im Vergleich mit anderen deutschen Dialekten besteht in verschiedenen Diphthongierungen. Die so entstandenen Diphthonge ähneln zum Teil denjenigen des Mittelhochdeutschen, es handelt sich aber um sekundäre Entwicklungen, die nicht direkt aufs Mittelhochdeutsche zurückgehen.
- Um Sonneberg und Neustadt fallen die Diphthonge iä, ue und üä (nicht – niä, Beet – Biäd, Ofen – Uefm, Vögel – Vüächl) und die hintergaumige Aussprache von -ch wie in durch auf, beispielsweise in Sonneberg – Sumbarch, ärgern – archern und morgen – morchng. Andere Diphthongierungen liegen beispielsweise in den Wörtern Brot – Bruad, Hosen – Huasn, Hasen – Housn, heißen – heaßn oder schön – schööä vor.
- Sätze werden oft mit Hilfsverben wie „mögen“, „wollen“, „machen“, „tun“ oder „können“ und dem Partizip Perfekt formuliert. (Das Kind schreit. – „Des Kindla dud schrein.“ oder „Des Kindla ka fei g’schrei.“)
- Die Vergangenheitsformen werden fast immer in Partizip-Konstruktionen mit den Hilfsverben „sein“ oder „haben“ gebildet. (Da gingen wir hinein / Da sind wir hineingegangen. – „Dou sä’me neig’anga.“) Im Norden des Dialektgebiets macht sich allerdings die Präteritalgrenze bemerkbar, das heißt in den thüringischen Orten Judenbach oder Bockstadt wird die Vergangenheitsform einiger Verben bereits mit dem in den norddeutschen Dialekten üblichen Präteritum ausgedrückt, das im Ostfränkischen ansonsten unbekannt ist. In Sachsenbrunn und Lauscha, die nahe am Rennsteig außerhalb des itzgründischen Dialektgebiets liegen, ist bereits zu mehr als drei Viertel der Verben das Präteritum gebräuchlich.
- Wenn ungehemmt in Mundart geplaudert wird, sind auch Satzkonstruktionen mit doppelter Verneinung zu hören, beispielsweise: „Wenn da kää Gald niä host, kaas da de fei nex gekeaf.“ (Wenn du kein Geld (nicht) hast, kannst du dir nichts kaufen.") oder „Doumit kaast da kä Eä niä eigelech.“ (Damit kannst du keine Ehre (nicht) einlegen.)
- Wie im Mainfränkischen üblich wird die Modalpartikel „fei“ und die Verkleinerungsform -lein – -la (örtlich auch -le) sehr gern und häufig verwendet.
(Anmerkung: Da es keine standardisierte Schriftform gibt, wird der Text durch „normale“ Buchstaben, von verschiedenen Autoren unterschiedlich, angenähert. Im vorliegenden Artikel wird auf die (genauere) Bezeichnung nach dem internationalen phonetischen Alphabet (IPA) verzichtet.)
Zahlen in Sonneberger Mundart
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davon abweichend werden Uhrzeitangaben (vormittags wie nachmittags) wie folgt angegeben:
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Beispiel: Es ist um ein Uhr. – Es is in Easa. (Dabei wird das i von in insoweit ‚verschluckt‘, dass es nur teilweise hörbar ist.)
Wochentage in Sonneberger Mundart
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Variationen im Vergleich mit dem Oberfränkischen
Das Itzgründische verfügt über eine Vielzahl örtlicher Variationen. So wird ein Mädchen in Haselbach „Mädle“, im benachbarten Steinach „Mädla“ und in Sonneberg „Meadla“ genannt. Noch deutlicher sind die Unterschiede zum Oberfränkischen, das auch in Heinersdorf im Landkreis Sonneberg gesprochen wird.
Hochdeutsch | Itzgründisch | Oberfränkisch |
Mädchen | Meadla (Mädla) | Madla |
Heinersdorf | Heaneschdaff | Haaneschdaff |
heißen | heasn | haasn |
zwei Zwetschgen | zweji Gwadschge | zwa Zwetschgä |
Sperling | Schperk | Schbootz |
angekommen | akumma | akumma |
hinüber geholt | nübe ghuald | nübe ghold |
hinunter | nou, nunde | nunde |
Gras | Grous | Grous |
Hase, Hasen | Hous, Housn | Hos, Hosn (Has, Hasn) |
Nase, Nasen | Nous, Nousn | Nos, Nosn (Nas, Nasn) |
Hose, Hosen, oben | Huas, Huasn, uam | Hos, Hosn (Husn), om |
rot, Not, Brot | ruad, Nuad, Bruad | rod, Nod, Brod |
eins; heiß | eas (ääs); heas (hääs) | ans (ääs); haas (hääs) |
nicht | niä (niät, net) | net (niät) |
Salzstreuer (auf dem Tisch) | Soulznapfla (Salznäpfla) | Salzbüchsle (Salznäpfle) |
Tasse | Kabbla | Dässla |
Kloß, Klöße | Klueß, Klüeß | Kloß, Klöß/Kließ |
daheim | deheam (dehämm), hämma | daham, dahom |
Gräten | Graadn | Gräidn |
Ich kann dir helfen. | Ich kaa de ghalf (gehelf). | Ich kaa de (dich) helf. |
Geh (komm) doch mal her. | Gih amo haa. | Geh amol hää. |
ein breites Brett | a breads Braad | a braads Breed |
Nebel | Naabl | Nejbl |
Dialektatlas
- Thüringer Dialektatlas, Heft 27, 1969, Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Akademie-Verlag-Berlin
Der Dialektatlas zeigt die Verbreitung von Wortarten und die entsprechenden Lautverschiebungen.
Literatur
- August Schleicher: Volkstümliches aus Sonneberg im Meininger Oberlande. H. Böhlau, Weimar 1858 (Google Books).
- Otto Felsberg: Die Koburger Mundart. In: Mitteilungen der geographischen Gesellschaft (für Thüringen) zu Jena. Zugleich Organ des botanischen Vereins für Gesamtthüringen, Band 6, Jena 1888, S. 127–160 (Google Books – US).
- Karl Ehrlicher: Zur Syntax der Sonneberger Mundart. Gebrauch der Interjection, des Substantivs und des Adjectivs. Inaugural-Dissertation an der Hohen Philosophischen Fakultät der Universität Leipzig 1906 (Google Books – US).
- Alfred Förster: Phonetik und Vokalismus der ostfränkischen Mundart der Stad Neustadt (Sachsen-Coburg). Jena 1912 und Borna-Leipzig 1913 (Teildruck).
- Wilhelm Niederlöhner: Untersuchungen zur Sprachgeographie des Coburger Landes auf Grund des Vokalismus. Erlangen 1937.
- Eduard Hermann: Die Coburger Mundart. In: Adolf Siegel (Hrsg.): Coburger Heimatkunde und Heimatgeschichte. Teil 2, Heft 20 Coburg 1957.
- Heinz Sperschneider: Studien zur Syntax der Mundarten im östlichen Thüringer Wald. Deutsche Dialektgeographie 54, Marburg 1959.
- Emil Luthardt: Mundart und Volkstümliches aus Steinach, Thüringerwald, und dialektgeographische Untersuchungen im Landkreis Sonneberg, im Amtsbezirk Eisfeld, Landkreis Hildburghausen und in Scheibe, im Amtsgerichtsbezirk Oberweißbach, Landkreis Rudolstadt. Dissertation. Hamburg 1963.
- Harry Karl: Das Heinersdorfer Idiotikon. Kronach 1988.
- Horst Bechmann-Ziegler: Mundart-Wörterbuch unserer Heimat Neustadt b. Coburg. Neustadt bei Coburg 1991.
- Horst Traut: Die Liederhandschrift des Johann Georg Steiner aus Sonneberg in der Überlieferung durch August Schleicher. Hain, Rudolstadt 1996, ISBN 3-930215-27-6.
- Wolfgang Lösch: Zur Dialektsituation im Grenzsaum zwischen Südthüringen und Nordbayern. In: Dieter Stellmacher (Hrsg.): Dialektologie zwischen Tradition und Neuansätzen. ZDL-Beiheft 109, Stuttgart 2000, S. 156–165.
- Karl-Heinz Großmann (Hrsg.): Thüringisch-Fränkischer Mundartsalat. Eigenverlag des AK Mundart Südthüringen e. V., Mengersgereuth-Hämmern 2004.
- Karl-Heinz Großmann (Hrsg.): Punktlandung. Eigenverlag des AK Mundart Südthüringen e. V., Mengersgereuth-Hämmern 2007.
- Karl-Heinz Großmann (Hrsg.): 30 un kä wengla leiser. Eigenverlag des AK Mundart Südthüringen e. V., Mengersgereuth-Hämmern 2009.
- Else Feldkeller: An Klapperer hotter – Sumbarger Varschla und Sprüch. Salier Verlag, Leipzig 2016, ISBN 978-3-939611-96-7.
- Verena Sauer: Dialektgrenzen – Grenzdialekte. Die Struktur der itzgründischen Dialektlandschaft an der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze. de Gruyter, Berlin 2018
Weblinks
- Wenn der Sprache Grenzen gesetzt werden. „Eine wahrnehmungsdialektologische Untersuchung im Fränkischen und Thüringischen an der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze.“ Verfasserin: Verena Sauer (Universität Kiel, zuletzt abgerufen am 26. Mai 2021)
- Itzgründisch nach Sachgruppen (Memento vom 28. September 2009 im Internet Archive)