Ineos 1:59 Challenge
Die Ineos 1:59 Challenge war ein Projekt, erstmals einen Marathon in unter zwei Stunden zu laufen.[1] Beim erfolgreichen Versuch am 12. Oktober 2019 in der österreichischen Hauptstadt Wien lief Eliud Kipchoge den Marathon in 1:59:40,2 Stunden.[2]
Die Leistung wird von World Athletics nicht als Marathon-Weltrekord anerkannt, da die Rennbedingungen nicht den Anforderungen an einen offiziellen Rekordversuch entsprachen.[3] Guinness World Records erkannte den Erfolg Kipchoges als „Schnellster Marathon (männlich)“ und „Erster Marathon unter zwei Stunden“ an.[4][5]
Hintergrund
Kipchoge hatte zwei Jahre zuvor bereits als schnellster Läufer am Breaking2-Projekt teilgenommen, dem ersten groß angelegten Versuch, einen Marathon in unter zwei Stunden zu laufen. Dabei verfehlte er das Zwei-Stunden-Ziel aber um 25 Sekunden.[6][7]
Am 6. Mai 2019, dem 65. Jahrestag der Vier-Minuten-Meile und wenige Tage nach Kipchoges Sieg beim London-Marathon 2019, kündigte der Chemiekonzern Ineos an, dass Kipchoge erneut versuchen werde, den Marathon in unter zwei Stunden zu laufen.[8] Kipchoge war zu diesem Zeitpunkt bereits Weltrekordhalter im Marathonlauf und Olympiasieger.[9]
Die Ineos 1:59 Challenge war nicht als offizieller Weltrekordversuch konzipiert. Dafür sind ein offener Wettbewerb, feste Versorgungsstationen und ein Rundkurs vorgeschrieben. Wechselnde Pacemaker sind ebenfalls verboten. Laut Kipchoge gehe es bei dem Versuch darum, andere Läufer zu inspirieren, er wolle „Geschichte schreiben, der Nachwelt etwas hinterlassen, andere Menschen inspirieren.“ Projektmitarbeiter sahen in dem Versuch den Triumph des Fortschritts, Kritiker hingegen vor allem eine geschickte PR-Kampagne.[10]
Durchführung
Der Versuch sollte zuerst in London stattfinden[1]. Da Ineos dort keine geeignete Strecke finden konnte, wurde der Lauf nach Wien verlegt.[10] Die Strecke begann dort auf der Reichsbrücke und folgte der Lasallestraße für 1,2 km bis zum Kreisverkehr Praterstern. Jede Runde des Kurses umfasste zwei 4,3 km lange Abschnitte der Hauptallee im Praterpark. Die Wendepunkte lagen an den Kreisverkehren Lusthaus und Praterstern an beiden Enden der Allee. Der Rundkurs hat einen Höhenunterschied von 2,4 m. Anders als beim Breaking2-Projekt waren Zuschauer an der Strecke anwesend.[11][12]
Im Vorfeld des Rennens gab es bereits Testläufe mit den Pacemakern, an denen Kipchoge aber nicht teilnahm.[11] Die Organisatoren planten die Veranstaltung für Samstag, den 12. Oktober 2019, hatten aber ein Reservefenster von acht Tagen, um das Risiko von schlechtem Wetter zu minimieren[13]. Letztendlich blieb es aber bei diesem Datum und um 8:15 Uhr MEZ fiel der Startschuss für Kipchoge und die Pacer.
5-km-Splits | Split | Zeit |
---|---|---|
5 km | 14:10 | 0:14:10 |
10 km | 14:10 | 0:28:20 |
15 km | 14:14 | 0:42:34 |
20 km | 14:13 | 0:56:47 |
25 km | 14:12 | 1:10:59 |
30 km | 14:12 | 1:25:11 |
35 km | 14:12 | 1:39:23 |
40 km | 14:13 | 1:53:36 |
42,195 m | 6:04 | 1:59:40 |
Durchschnitt 5 km | 14:10.8 |
Kipchoge erreichte eine Zielzeit von 1:59:40,2 Stunden und lief somit als erster Mensch jemals einen Marathon unter zwei Stunden.[2][14]
Optimierungsstrategien
Die Organisatoren des Versuchs setzten viele Techniken ein, die Kipchoge und die Pacemaker unterstützten.
Wien liegt in einer ähnlichen Zeitzone wie Kaptagat in Kenia, wo Kipchoge trainiert. Dies bedeutete, dass Kipchoge nicht vom Jetlag betroffen war.[15] Bei der computergestützten Auswahl des Ortes wurden Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Luftdruck, Windgeschwindigkeit, geografische Höhe und Niederschlag berücksichtigt.[11]
Die gewählte Strecke war besonders gerade, flach und windgeschützt. Am südlichen Wendepunkt der Strecke wurde eine Steilkurve mit einer Neigung von etwa 1 % errichtet, um zusätzlich Zeit zu sparen.[10]
Kipchoge trug eine verbesserte Version der zuvor unveröffentlichten Vaporfly Next%-Laufschuhe von Nike, die die Laufökonomie verbessern sollen. Berichten zufolge wurden fünf Marathon-Bestzeiten mit diesem Schuh erzielt, unter anderem der Weltrekord von Brigid Kosgei beim Chicago-Marathon 2019.[16][17]
Während des Laufs wurde Kipchoge zu jeder Zeit von sieben Pacemakern begleitet. Fünf Pacemaker liefen in „V“-Formation vor Kipchoge, zwei Läufer liefen hinter ihm. Dadurch sollte der Luftwiderstand für Kipchoge möglichst gering gehalten werden. Die Formation wurde mithilfe von Tests im Windkanal und Computersimulationen entwickelt. Um einer Überhitzung vorzubeugen wurde Kipchoges Flüssigkeitsaufnahme während des Laufes überwacht. Außerdem würde Kipchoge im Fall einer beginnenden Überhitzung leicht aus der Formation heraustreten. Die Pacemaker wechselten sich jede Runde zweimal ab. Insgesamt unterstützten 41 Pacemaker Kipchoge.[10][15][18]
Vor den Läufern fuhr ein Auto, das Zielzeiten anzeigte und das Tempo vorgab. Ein Lasergerät auf dem Auto projizierte die Sollpositionen der Pacemaker auf die Straße. Das Auto soll zudem den Luftwiderstand reduzieren. Nach Angaben von Ineos war das Elektroauto mit einer besonderen Geschwindigkeitsregelanlage ausgestattet.[10][11][18]
Um Zeit zu sparen, wurden Kipchoge Getränke von einem Teamkoordinator auf dem Fahrrad überreicht und nicht, wie sonst üblich, an Verpflegungständen.[11]
Beim Breaking2-Versuch waren nur Pressevertreter und Nike-Mitarbeiter anwesend. Kipchoge vermisste dort die Menschenmenge und forderte, dass bei der 1:59-Herausforderung von Ineos Zuschauer zugelassen werden.[1] Der Wunsch nach einer möglichst großen Zuschauermenge beeinflusste auch die Wahl der Startzeit.[19]
Pacemaker
Die folgenden 41 Athleten waren Kipchoges Pacemaker:[20]
Weblinks
Einzelnachweise
- Ben Bloom: Eliud Kipchoge plans to stage second attempt at breaking two-hour marathon barrier in London later this year. In: The Telegraph. 6. Mai 2019, ISSN 0307-1235 (englisch, telegraph.co.uk [abgerufen am 26. Mai 2020]).
- The incredible numbers behind Kipchoge’s sub two-hour marathon (en) In: The Independent. 12. Oktober 2019. Abgerufen am 12. Oktober 2019.
- Brian Dalek, Christa Sgobba: History Made: Kipchoge Runs Under 2 Hours at INEOS 1:59 Challenge. 12. Oktober 2019, abgerufen am 21. Februar 2022 (amerikanisches Englisch).
- First marathon distance run under two hours (en-GB) In: Guinness World Records. Abgerufen am 15. Oktober 2019.
- Fastest marathon distance (male) (en-GB) In: Guinness World Records. Abgerufen am 15. Oktober 2019.
- Eliud KIPCHOGE | Profile. Abgerufen am 28. Oktober 2020.
- #Breaking2: Eliud Kipchoge goes close to sub-two hour marathon at Nike event (en-GB). 6. Mai 2017. Abgerufen am 12. Oktober 2019.
- INEOS: Eliud Kipchoge to challenge the sub two-hour marathon. Abgerufen am 25. Mai 2020 (englisch).
- Rio Olympics 2016: Kenya's Eliud Kipchoge wins men’s marathon (en-GB). 21. August 2016. Abgerufen am 12. Oktober 2019.
- Lars Spannagel: 1:59 - wie der schnellste Mann der Welt einen Fabelrekord aufstellen will. In: Tagesspiegel Online. 11. Oktober 2019, abgerufen am 20. Februar 2022.
- Cathal Dennehy: What Will It Take for Eliud Kipchoge to Break 2 Hours? 11. Oktober 2019, abgerufen am 20. Februar 2022 (amerikanisches Englisch).
- Ineos 1:59 Challenge: Eliud Kipchoge confident of breaking two-hour marathon barrier (en-GB). 11. Oktober 2019. Abgerufen am 12. Oktober 2019.
- The INEOS-159 challenge: Venue set for Kipchoge sub two-hour marathon attempt (en) In: Get Sweat Go. 27. Juni 2019. Abgerufen am 12. Oktober 2019.
- Eliud Kipchoge breaks two-hour marathon mark by 20 seconds (en-GB). 12. Oktober 2019.
- Tom Reynolds: Eliud Kipchoge: The man, the methods & controversies behind 'moon-landing moment'. In: BBC Sport. 19. November 2019, abgerufen am 25. Februar 2022 (englisch).
- Fast alle Spitzenläufer tragen ihn: Ist dieser Laufschuh von Nike ein Wunder oder Doping? 18. Oktober 2019, abgerufen am 20. Februar 2022.
- Technology behind record marathon runs. In: BBC Sport. (bbc.com [abgerufen am 20. Februar 2022]).
- Condé Nast: The incredible science behind Eliud Kipchoge's 1:59 marathon. In: Wired UK. ISSN 1357-0978 (wired.co.uk [abgerufen am 20. Februar 2022]).
- Brian Homewood: Kipchoge's team announce 0815 start for sub-two hour marathon attempt. In: Reuters. 11. Oktober 2019, abgerufen am 20. Februar 2022 (englisch).
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