Igo Etrich
Ignaz „Igo“ Etrich (* 25. Dezember 1879 in Ober Altstadt, Österreich-Ungarn; † 4. Februar 1967 in Salzburg) war ein österreichischer Pilot und Flugzeugkonstrukteur.
Leben
Etrich, dessen Vater Ignaz Etrich in Oberaltstadt Spinnereien besaß,[1] besuchte die Oberrealschule in Trautenau (Trutnov) und die Handelsschule in Leipzig. Dann trat er in das Unternehmen seines Vaters ein. Er interessierte sich aber vor allem für die Flugfähigkeit der Vögel. Mit seinem Vater baute er ein Versuchslabor. Nach dem Tode von Otto Lilienthal kaufte sein Vater mehrere Gleiter, welche ihm den Weg wiesen. Er entwickelte 1903 den ersten Nurflügel nach dem Vorbild des Flugsamens von Zanonia macrocarpa und bekam 1905 das Patent darauf. Franz Xaver Wels war sein Partner und später Testpilot[1].
1906 flog mit dem Etrich-Wels-Gleiter zum ersten Mal ein manntragender Nurflügel.
Etrich ging 1907 nach Wien, wo er auf dem Gelände der Rotunde im Wiener Prater 1907 sein erstes Motorflugzeug, die Etrich 1 baute, bei dem der Motor mit einer Leistung von 24 PS am Heck angebracht war. Erst nachher verbesserte er das Flugzeug (Spitzname Praterspatz) mit einem Frontpropeller und einem zusätzlichen konventionellen Leitwerk. Mit Franz Wels, später mit Karl Illner, entwickelte er die Monoplane weiter – Wels trennte sich von ihm und widmete sich den Doppeldeckern[1].
Nach der Gründung des Flugfeldes in Wiener Neustadt 1909 errichtete er dort zwei Hangars, und führte weitere Flugversuche durch. Er verbesserte die Etrich 1 durch einen stärkeren Motor. Die Seitenruder wurden mit den Füßen verstellt, für die Flächenverwindung (Querruder wurden erst später allgemein verwendet) und das Höhenruder führte Etrich die Steuerung mittels eines Lenkrades aus einem Automobil ein: der Vorläufer des heutigen Steuerhorns. 1910 fand der Jungfernflug der Etrich Taube, Etrich II, statt.
Etrichs Taube wurde in Österreich patentiert, und aufgrund der guten Flugleistungen konnte Etrich einen Vertrag mit Edmund Rumpler abschließen, dem zufolge diesem gegen eine Lizenzgebühr das Recht eingeräumt wurde, das Flugzeug in Deutschland unter dem Namen Etrich-Rumpler-Taube nachzubauen. Jedoch sah sich das deutsche Patentamt außerstande, ein Patent auf die Etrich-Taube zu erteilen, so dass das Flugzeug von jedermann gebührenfrei nachgebaut werden durfte. Aus dem Jahr 1897 lag bereits die Schrift von Professor Friedrich Ahlborn Über die Stabilität der Flugapparate vor, der die Form des Zanonia-Samens mit seinen idealen Flugeigenschaften und die Bedeutung der Form für den zukünftigen Flugzeugbau erkannt hatte. Rumpler leistete daraufhin keine Zahlungen mehr an Etrich und brachte dem Vertrag zuwider das gleiche Flugzeug unter dem Namen Rumpler-Taube heraus.
Etrich gründete daraufhin 1912 die Etrich-Fliegerwerke in Liebau/Schlesien (heute Lubawka/Polen) und entwarf dort mit der Luft-Limousine das erste Passagierflugzeug mit vollständig geschlossener Passagierkabine. Das Konstruktionsbüro leitete Ernst Heinkel.
Später gründete er die Brandenburgischen Flugzeugwerke und nahm aus Liebau seinen sehr talentierten Konstrukteur Ernst Heinkel mit sich. Nach dem Ersten Weltkrieg ging Etrich nach Trautenau zurück und entwarf 1929 ein weiteres Flugzeug: Die Sport-Taube, ein 40 PS starkes Sportflugzeug.
Bei den ersten Testflügen stellte sich heraus, dass dieses Flugzeug schneller flog als die damaligen Militärflugzeuge der Tschechoslowakei. Die tschechischen Behörden unterstellten Etrich, sein Flugzeug für Schmuggelaktivitäten gebaut zu haben, und beschlagnahmten es.[2]
Igo Etrich gab daraufhin seine Bemühungen in der Luftfahrt auf und widmete sich ganz seinem Textilmaschinen-Betrieb.
1945 wurde Etrich enteignet und aus der Tschechoslowakei vertrieben.[2]
Später wandte sich Etrich dem Spiritismus zu und publizierte in höherem Alter auch eine kleine Broschüre über seine spiritualistische Weltanschauung (Bekenntnis und geistiges Vermächtnis des Flugpioniers Dr. Ing. h.c. Igo Etrich).
Sein Ehrengrab befindet sich am Salzburger Kommunalfriedhof.[3]
Die Etrich II ist im Technischen Museum in Wien ausgestellt.
Die Sport-Taube ist heute im Technischen Museum Prag ausgestellt.
Politisches Engagement
Etrich war von 1935 bis 1938 Mitglied der Sudetendeutschen Partei und trat am 1. November 1938 offiziell der NSDAP bei (Mitgliedsnummer 6.685.942)[4]. In seinem NSDAP-Aufnahmeantrag betonte Etrich seine Bereitschaft, „nach dem Sieg der deutschen Waffen, an der Lösung der großen technischen Probleme mitzuwirken, welche dem deutschen Volk durch den Raumgewinn im Osten erwachsen werden“.[2]
Ehrungen
1944 verlieh die TU Wien Etrich ein Ehrendoktorat. 1955 erhielt er das Verdienstkreuz (Steckkreuz) der Bundesrepublik Deutschland. 1959 wurde Igo Etrich mit dem Karl-Renner-Preis ausgezeichnet.[5][6][7][8]
In Wien-Simmering (11. Bezirk) wurde 1971 und in Graz 1975 die Etrichstraße nach dem Flugzeugkonstrukteur benannt.[2][9] Auch in Salzburg, Lind (Villach), Linz, Innsbruck und Berlin-Adlershof tragen Straßen seinen Namen.
Eine österreichische 25-Euromünze zeigt auf der Bildseite Etrich als Seitenansicht in der Etrich Taube sitzend.
Literatur
- Igo Etrich: Die Taube. Memoiren eines Luftfahrt Pioniers. Waldheim-Eberle, Wien 1963, DNB 573931119.
- Hanuš Salz, Harald Waitzbauer: Im Flug über Salzburg. Igo Etrich und der Beginn des Flugwesens in Salzburg. (= Salzburger Portraits – Schriftenreihe des Salzburger Landespressebüros). Salzburg 1993, ISBN 3-85015-121-6.
- Günter Schmitt, Werner Schwipps: Pioniere der frühen Luftfahrt. Gondrom, Bindlach 1995, ISBN 3-8112-1189-7.
- R. Keimel: Etrich, Igo. In: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950. 2. überarbeitete Auflage (nur online).
Weblinks
- Literatur von und über Igo Etrich im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Eintrag zu Igo Etrich in der Datenbank Gedächtnis des Landes zur Geschichte des Landes Niederösterreich (Museum Niederösterreich)
- Igo Etrich – Die Geburt der Stromlinie und die Entstehung der Etrich Taube Vortrag im Technischen Museum Wien am 5. September 1961.
Einzelnachweise
- Aero Auktion: Etrich Taube, abgerufen am 2. Februar 2010.
- Straßennamen Wiens seit 1860 als „Politische Erinnerungsorte“ (PDF; 4,2 MB), S. 267, Forschungsprojektendbericht, Wien, Juli 2013.
- R. Keimel: Etrich, Igo. In: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950. 2. überarbeitete Auflage (nur online).
- Bundesarchiv R 9361-IX KARTEI/8540784
- Wiener Rathauskorrespondenz, 13. Dezember 1958, Blatt 2496
- Den Pionieren des Alltags. In: Arbeiter-Zeitung. Wien 14. Dezember 1958, S. 6 (Die Internetseite der Arbeiterzeitung wird zurzeit umgestaltet. Die verlinkten Seiten sind daher nicht erreichbar. – Digitalisat).
- Wiener Rathauskorrespondenz, 17. Januar 1959, Blatt 83
- Für Männer aus dem Volk. In: Arbeiter-Zeitung. Wien 18. Jänner 1959, S. 2 (Die Internetseite der Arbeiterzeitung wird zurzeit umgestaltet. Die verlinkten Seiten sind daher nicht erreichbar. – Digitalisat).
- Endbericht der ExpertInnenkommission für Straßennamen Graz, Graz 2017, S. 74