Humangenomprojekt
Das Humangenomprojekt (HGP, englisch Human Genome Project) war ein internationales Forschungsprojekt. Es wurde im Herbst 1990 mit dem Ziel gegründet, das Genom des Menschen vollständig zu entschlüsseln, d. h. die Abfolge der Basenpaare der menschlichen DNA auf ihren einzelnen Chromosomen durch Sequenzieren zu identifizieren. Die vollständige Sequenzierung des Genoms dient der Erforschung vieler biologischer Prozesse. Angestrebt wurde ein besseres Verständnis von Erbkrankheiten und der molekularen Mechanismen der Krebsentstehung. Durch Vergleich des menschlichen Erbguts mit dem anderer Lebewesen erhoffen sich Wissenschaftler zudem Erkenntnisse zur Evolution.
Zielsetzung des Projekts
Die Ziele des Projekts waren unter anderem:[1]
- die komplette Basensequenz eines Menschen soll analysiert werden;
- die Sequenz der etwa 3 Milliarden Basenpaare der DNA zu finden;
- relevante Technologien, wie Datenanalyse, zu entwickeln und verbessern;
- ethische, rechtliche und soziale Fragestellungen, die infolge des Projekts auftreten würden, anzusprechen.
Geschichte
Das Projekt wurde in den USA im Oktober 1990 von Luigi Luca Cavalli-Sforza[2] im Rahmen eines öffentlich finanzierten internationalen Forschungsverbunds gegründet. Geleitet wurde das HGP zuerst von James Watson, einem der Entdecker der DNA-Struktur. 1992 verließ er das Projekt jedoch nach einem Streit mit NIH-Chefin Bernadine Healy, weil er Healys Versuche ablehnte, Gensequenzen patentieren zu lassen. Sein Nachfolger wurde der renommierte Genetiker Francis Collins. Am Projekt nahmen zu Beginn über 1.000 Wissenschaftler in 40 Ländern teil. Ziel war die Sequenzierung des menschlichen Genoms bis 2005.[3] 1992 veröffentlichte das Projekt Genkarten für die Chromosomen 21 und Y. Im Juni 1995 schloss sich auch Deutschland dem internationalen Humangenomprojekt der Human Genome Organisation an und nahm seine Arbeit 1996 auf. Das Deutsche Humangenomprojekt (DHGP) wird durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung und die Deutsche Forschungsgemeinschaft gefördert. Die Human Genome Organisation bekam 1998 durch die neu gegründete US-Firma Celera private Konkurrenz. Bis 1999 erfolgte die Sequenzierung des Chromosoms 22. 2000 wurde das Chromosom 21 vollständig sequenziert, wodurch die Möglichkeiten zur Erforschung der Auswirkungen einer Trisomie 21 wuchsen.
Das HGP fand in der Öffentlichkeit einen vorläufigen Höhepunkt, als im Februar 2001 beide Forschungsunternehmungen die Sequenzierung des menschlichen Genoms verkündeten, die in den Medien häufig als „Entschlüsselung“ tituliert wurde. Erfasst wurden bis dato nur 83 % des Genoms – und dies nur von 23 der 46 Chromosomen normaler menschlicher Zellen, wobei sich das vom Vater und der Mutter ererbte Genom nicht wesentlich unterscheiden. 2003 wurde die Fertigstellung im Rahmen der angelegten Maßstäbe verkündet. Das Deutsche Humangenomprojekt beendete erfolgreich im Juni 2004 seine Aktivitäten. Auf die Arbeiten des Deutschen Humangenomprojekts aufbauend, fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung seit 2001 das Nationale Genomforschungsnetz (NGFN), um genetische Ursachen häufiger Krankheiten aufzuklären. Als Nachfolgeprojekt startete das National Human Genome Research Institute (NHGRI) das ENCODE-Projekt.
Seit Mai 2021 gilt das menschliche Genom als vollständig entschlüsselt. Es umfasst 19.969 Gene.[4] Zu Beginn wurden mindestens 100.000 Gene erwartet, um alle Merkmale des menschlichen Körpers kodieren zu können.[5]
Zukünftige Aufgaben
Das Humangenomprojekt war Ausgangspunkt weiterer Forschungsprojekte wie dem 1000-Genome-Projekt. Fast alle erblichen Krankheiten entstehen durch Defekte in einem oder mehreren Genen; dieser Zusammenspiel bedarf der Aufklärung, um zum Beispiel entsprechende Medikamente oder Therapien zu entwickeln.
Nach der Entzifferung des Genoms gibt es nun auch Anstrengungen die Gesamtheit der DNA-Modifizierungen, sowie das Transkriptom, Proteom und Metabolom des Menschen zu entschlüsseln.
Literatur
- Eric S. Lander, M S Lauren M. Linton, Bruce Birren et al.: Initial sequencing and analysis of the human genome. In: Nature. Band 409, Nr. 6822, 15. Februar 2001, ISSN 0028-0836, S. 860–921, doi:10.1038/35057062 (englisch, nature.com).
- S. G. Gregory, K. F. Barlow et al.: The DNA sequence and biological annotation of human chromosome 1. In: Nature. Band 441, 2006, S. 315–321, doi:10.1038/nature04727 (englisch).
Weblinks
- Management des Human Genome Projects innerhalb des US-amerikanischen National Institute of Health
- Deutsches Humangenomprojekt (Memento vom 3. Februar 2007 im Internet Archive) archivierte Webseite im Archiv der LOC
- Link zum komplett entschlüsselten Genom bei Gutenberg.org (momentan nicht verfügbar, da die Seite für deutsche IP-Adressen gesperrt ist (Stand 20. Mai 2019)[6])
- History of the Human Genome Project (englisch, Genetics in History; u. a. die Geschichte des Human Genome Project)
- Nationales Genomforschungsnetz NGFN
- Lisa Gannett: The Human Genome Project. In: Edward N. Zalta (Hrsg.): Stanford Encyclopedia of Philosophy.
Einzelnachweise
- Human Genome Project Information. In: ornl.gov. U.S. Department of Energy Human Genome Project, archiviert vom Original am 15. März 2008; abgerufen am 31. Januar 2016.
- Trends in der Humangenetik: Entschlüsseltes Leben. In: spektrum.de. Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, abgerufen am 31. Januar 2016.
- Human Genome Project Completion: Frequently Asked Questions. In: genome.gov. National Human Genome Research Institute, abgerufen am 31. Januar 2016.
- Forscher wollen erstmals gesamtes menschliches Genom entschlüsselt haben. Spiegel online, abgerufen am 3. Juni 2021.
- Archivlink (Memento vom 18. Juli 2010 im Internet Archive)
- German addresses are blocked - www.gutenberg.org. Abgerufen am 20. Mai 2019.