Heilerde
Heilerde ist ein Pulver, das aus eiszeitlichen Lößablagerungen gewonnen und für verschiedene Anwendungen verarbeitet wird. Es wird meist mit kaltem Wasser verrührt angewandt bzw. eingenommen. Heilerde ist ein freiverkäufliches Arzneimittel mit antiacider Wirkung.
Geschichte
Die Anwendung von Tonheilerden wurde bereits vor der Neuzeit betrieben, im Mittelalter wurden sie auch als Bolus Armenicus bezeichnet und kamen als Terra sigillata in den Handel. Später wurde ihre Anwendung unter anderem von Sebastian Kneipp, dem „Lehmpfarrer“ Emanuel Felke und Adolf Just[1] propagiert. Laut Just handelte es sich bei der Heilerde um „das beste Heilmittel der Natur“.
Bestandteile
Mineralogisch betrachtet besteht Heilerde im Wesentlichen aus Aluminium-Silikaten wie z. B. in Bentonit und anderen Mineralien in wechselnder Zusammensetzung. Häufig handelt es sich um Löß-, Lehm-, Ton- oder Moorerden.[2] Heilerde wird auch als Eiszeit-Löß bezeichnet. Ihre Zusammensetzung ist abhängig vom Abbaugebiet. Neben den erwähnten Silikaten finden sich oft Kalkspat, Feldspat und Dolomit, aber auch Spurenelemente (siehe auch Mergel).
Anwendung und Wirkung
Heilerde wird sowohl äußerlich als auch innerlich angewendet. So wird sie äußerlich beispielsweise zur unterstützenden Behandlung bei entzündlicher Komponente von Lymphödemen,[3] zur antiphlogistischen und schmerzlindernden Behandlung von Polyneuropathien,[4] im Rahmen einer Hydrotherapie bei Hyperthyreose,[5] oder bei Sinusitis mit feuchtwarmen Kompressen auf die Nebenhöhlenregion und den Nacken eingesetzt.[6]
Heilerde soll außerdem äußerlich gegen Akne, aber auch bei Gelenkschmerzen helfen. Zu den innerlichen Anwendungsgebieten zählen Verdauungsstörungen wie Funktionelle Dyspepsie.[7] Wissenschaftliche Nachweise (in Form einer Metastudie der Cochrane Collaboration) gibt es (nur) für die schwache Wirksamkeit von Smektit gegen Durchfallerkrankungen bei Kindern.[8]
Nebenwirkungen
Heilerde kann innerlich die Wirkstoffe eingenommener Medikamente binden und somit deren Wirksamkeit beeinträchtigen. Daher soll der Rat eines Arztes eingeholt werden, wenn Heilerde zusätzlich zu Medikamenten eingenommen wird.[9] Ebenso kann die erhöhte Silizium-Zufuhr durch die enthaltenen Silikate zu einer verstärkten Harnsteinbildung führen. Bei einer langfristigen Einnahme können Silikate zu chronisch interstitieller Nephritis führen.[10] Inwieweit die in Heilerde enthaltenen Aluminiumverbindungen wie z. B. in Bentonit gesundheitlich problematisch sind, ist noch strittig.
Eine Empfehlung, wöchentlich nur maximal 1 mg Aluminium pro kg Körpergewicht aufzunehmen, greift das Bundesamt für Risikobewertung (BfR) in einer Stellungnahme vom 20. Februar 2015 auf. Dort heißt es: „Bei der Betrachtung des Gefährdungspotenzials von Aluminium stehen Wirkungen auf das Nervensystem und reproduktionstoxische Wirkungen sowie Effekte auf die Knochenentwicklung im Vordergrund. Bei gesunden Menschen wird Aluminium über die Nieren ausgeschieden. Bei Menschen mit Nierenerkrankungen, insbesondere chronischer Niereninsuffizienz, funktioniert dieser Ausscheidungsweg jedoch nicht ausreichend gut, sodass es zu Anreicherungen im Körper kommen kann. Aber auch bei gesunden Menschen reichert sich das Leichtmetall im Laufe des Lebens im Körper, vor allem in der Lunge und dem Skelettsystem, an.“ Diese Ausführungen betreffen sowohl Bentonit als auch Kaolin.[11]
Neben der innerlichen Anwendung als Heilerde wurde Bentonit auch in der Getränkeindustrie (bei der Weinherstellung, bei der Herstellung von Fruchtsäften) sowie bei Kakaobutter als Schönungsmittel (das heißt als Klär- und Fällmittel) eingesetzt (im Endprodukt nicht mehr vorhanden). In Lebensmitteln wurde Bentonit als Trennmittel zugesetzt. Er war auch als Lebensmittelzusatzstoff unter der Bezeichnung E 558 bekannt. Seit dem 31. Mai 2013 ist E 558 in der EU nicht mehr zugelassen.[11]
Äußerlich trocknet Heilerde die Haut aus, was im Falle von Akne zwar erwünscht sein, aber bei anderen Anwendungen zu Problemen führen kann.
Siehe auch
Einzelnachweise
- Vgl. auch Brigitte Tast, Hans-Jürgen Tast: Deutschlandreise (= Visuelle Kommunikation. Nr. 51). Kulleraugen, Schellerten 2018, ISBN 978-3-88842-051-1. S. 47 ff.
- Heilerde Anwendung – Schönere Haut dank Mutter Erdes "Wundermittel" aus der Natur In: Local Gesund & Schön. 11. September 2017, abgerufen am 2. Juli 2019 (Abschnitt "Was ist Heilerde"): "aus [...] Böden, die vor allem 'Moor-, Ton-, Lehm-, [...] Lösserde' enthalten."
- Karin Kraft (Universität Rostock): Lymphödem. (PDF) Fortbildung. In: hautnah dermatologie, Band 27, Ausgabe 4. SpringerLink, Juli 2011, S. 256, abgerufen am 19. Mai 2018. ISSN 0938-0221
- André-Michael Beer (Ruhr-Universität Bochum): Polyneuropathien. (PDF) In: MMW-Fortschritte der Medizin, Band 153, Ausgabe 48. Springer Medizin Verlag München, Dezember 2011, S. 27, abgerufen am 19. Mai 2018. ISSN 1438-3276
- Karin Kraft (Universität Rostock): Funktionelle Dyspepsie. (PDF) In: MMW-Fortschritte der Medizin, Band 154, Ausgabe 8. Springer Medizin Verlag München, Mai 2012, S. 30, abgerufen am 19. Mai 2018. ISSN 1438-3276
- Karin Kraft (Universität Rostock): Sinusitis. (PDF) In: MMW-Fortschritte der Medizin, Band 153, Ausgabe 40. Springer Medizin Verlag München, Oktober 2011, S. 19, abgerufen am 19. Mai 2018. ISSN 1438-3276
- André-Michael Beer (Ruhr-Universität Bochum): Funktionelle Dyspepsie. (PDF) In: MMW-Fortschritte der Medizin, Band 152, Ausgabe 7. Springer Medizin Verlag München, Februar 2010, S. 21, abgerufen am 19. Mai 2018. ISSN 1438-3276
- Pérez‐Gaxiola G, Cuello‐García CA, Florez ID, Pérez‐Pico VM: Smectite for acute infectious diarrhoea in children. In: Cochrane Database of Systematic Reviews. Nr. 4, 2018, doi:10.1002/14651858.CD011526.pub2 (Art. No.: CD011526). PMID 29693719
- Michaela Matus: Heilerde: So wirkt das "Wundermittel" der Natur. In: Focus Online. 7. November 2017, abgerufen am 10. August 2018 (Im Abschnitt "Wechsel- und Nebenwirkungen"): „Unter Umständen kann die Heilerde zu Wechselwirkungen führen und die Wirkstoffe von Medikamenten binden.“
- J. W. Dobbie, M. J. B. Smith: Urinary and serum silicon in normal and uraemic individuals. In: D. Evered, M. O’Connor (Hrsg.): Silicon biochemistry. (= Ciba Foundation symposium. 121). John Wiley & Sons, Chichester 1986, ISBN 0-471-91025-2, S. 194–208.
- EU Verordnung Nr. 380/2012 der Kommission vom 3. Mai 2012 hinsichtlich der für aluminiumhaltige Lebensmittelzusatzstoffe geltenden Verwendungsbedingungen und -mengen (PDF)