Hans-Insel
Die Hans-Insel (grönländisch Tartupaluk, Inuktitut ᑕᕐᑐᐸᓗᒃ Tartupaluk, dänisch Hans Ø, englisch Hans Island, französisch Île Hans) ist eine kleine, unbewohnte und vegetationslose Insel von etwa 1,25 km² Größe,[1] auf die sowohl Kanada als auch Dänemark Anspruch erheben. Aus kanadischer Sicht gehört sie zur Region Qikiqtaaluk (Baffin) des Territoriums Nunavut, aus dänischer Sicht zum Distrikt Qaanaaq der grönländischen Kommune Avannaata Kommunia.
Hans-Insel | |
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Gewässer | Kennedy-Kanal, Nares-Straße |
Geographische Lage | 80° 49′ 35″ N, 66° 27′ 12″ W |
Länge | 1,4 km |
Breite | 1,1 km |
Fläche | 1,25 km² |
Höchste Erhebung | 169 m |
Einwohner | unbewohnt |
Geographie
Die Insel liegt 377 Kilometer nördlich des grönländischen Qaanaaq in der Mitte des Kennedy-Kanals, eines Teils der Nares-Straße, die sich zwischen der kanadischen Ellesmere Island und Grönland erstreckt. Die Entfernung zur grönländischen Küste bei Graptolitnæs beträgt rund 16,7 km und zur Küste von Ellesmere Island bei Cape Back etwa einen Kilometer mehr. Die Hans-Insel ist die kleinste von drei Inseln im Kennedy-Kanal; die anderen sind die Franklin-Insel und die Crozier-Insel. Diese liegen deutlich näher an der grönländischen Küste und gehören unstrittig zu Grönland.[2]
Geschichte
Erforschung
Auf Grönländisch und Inuktitut trägt die Insel den Namen Tartupaluk („Erscheinung einer Niere“). Seit wann sie ihren dänischen und englischen Namen trägt, ist unsicher.[3] Sie ist nach dem grönländischen Expeditionsteilnehmer Hans Hendrik benannt, der zwischen 1853 und 1883 an fünf Arktisexpeditionen teilnahm. Elisha Kent Kane benannte auf der ersten Expedition eine Insel nach ihm, es ist aber davon auszugehen, dass dies nicht die heutige Insel war, sondern eine Nebeninsel von Pikiulersuaq (Littleton Island). Charles Francis Hall benutzte den Namen anschließend bei seiner Expedition von 1871 bis 1873, an der Hans Hendrik ebenfalls teilnahm, für die heutige Hans-Insel, möglicherweise in dem Glauben, dass es dieselbe Insel wäre, die Kane 20 Jahre zuvor benannt hatte. Es ist nicht sicher, ob Kane die Insel in den 1850er-Jahren sichten konnte.[4]
Kanada beansprucht die Insel rückwirkend seit 1880, als das Vereinigte Königreich die unbeanspruchten arktischen Gebiete an Kanada übergab. Dänemark beanspruchte ab 1920 ganz Grönland, was international unter anderem vom Vereinigten Königreich für das zugehörige Kanada anerkannt wurde.[3] Etwa zu dieser Zeit entstanden auch erstmals dänische Karten, auf denen die Insel als Staatsgebiet markiert war.[1] 1933 festigte der Ständige Internationale Gerichtshof den Anspruch Dänemarks über ganz Grönland. Die unbewohnte kleine unbedeutende Insel war jedoch nie eine Streitfrage gewesen. Während des Zweiten Weltkriegs betrieb Kanada kurzzeitig eine wissenschaftliche Station auf der Insel. 1950 erkannte das Canadian Permanent Committee for Geographical Names den Namen Hans Island offiziell an. 1953 errichtete der Kanadier Eric Fry auf der Insel ein Inuksuk und beanspruchte sie offiziell für Kanada.[3]
Entstehen des Konflikts über den Souveränitätsanspruch
Dass sich die Gebietsansprüche Kanadas und Dänemarks widersprachen, wurde erst bei einer Grenzziehung im Jahr 1973 bemerkt. Dabei wurden sich beide Seiten nicht einig und vertagten die Entscheidung über die Souveränität über die Insel auf einen späteren Zeitpunkt. Auf der 1973 geschaffenen Karte liegt die Hans-Insel direkt auf der Grenze, die auf der Insel nicht gezogen wurde.[3]
Anfang der 1980er Jahre wurde von kanadischer Seite ein Lager für wissenschaftliche Untersuchungen errichtet. Aus Protest schickte Dänemark zur Abschreckung Militärflugzeuge über die Insel. 1984 setzte der dänische Grönlandminister Tom Høyem eine dänische Flagge auf der Insel, was zu Protesten auf kanadischer Seite führte. Seither wird die Insel regelmäßig von Kanadiern und Dänen besucht, wobei jedes Mal die jeweilige Nationalflagge durch die eigene ersetzt und zudem eine Flasche landesüblicher Spirituosen gegen die hinterlegte getauscht wird.[3]
Versuch der Beilegung des Konflikts
Nachdem die Flagge in immer kürzeren Abständen ausgetauscht und die Insel von immer ranghöheren Vertretern der jeweiligen Staaten besucht wurde, einigten sich der dänische Außenminister Per Stig Møller und sein kanadischer Kollege Pierre Pettigrew 2005 darauf, den Konflikt beilegen zu wollen.[5] Der grönländische Außenminister Josef Motzfeldt sagte 2005 in Bezug auf die Bedeutung der kleinen Insel, dass sie wichtig für die Schifffahrt werden könnte, wenn der Klimawandel die Nares-Straße befahrbar macht.[6] Zugleich würde die Souveränität über die Insel auch das Besitzrecht an möglichen Bodenschätzen darunter und in den umliegenden Gewässern mit sich führen.[7] 2008 wurde von Dänemark und Kanada gemeinsam eine automatische Wetterstation auf der Insel errichtet. Bei der erneuten Ziehung einer Seegrenze im Jahr 2012 wurden sich beide Seiten wieder nicht über die Zugehörigkeit der Insel einig.[8] 2015 schlugen der kanadische Jurist Michael Byers und der dänische Gesellschaftswissenschaftler Mikael Böss vor, dass Nunavut und Grönland die Insel als Kondominium gemeinsam verwalten sollten.[9] Die Nares-Straße wird seit Jahrhunderten von den Inughuit als Jagdgebiet genutzt.[8] 2018 einigten sich Dänemark und Kanada erneut darauf, die Streitfrage klären zu wollen.[10] Im Januar 2019 teilte Kanada eine Lizenz zur Suche nach Rohstoffen auf der Insel aus, was auf dänischer Seite wieder zu Protesten führte.[11]
Literatur
- Anne Orholt Vilslev: Suverænitetshævdelse i Nordatlanten. Kampen om Hans Ø. Danmarks Journalisthøjskole, Aarhus 2006.
- Jan Løve: Hans Hendrik og Hans Ø. Beretningen om Hans Hendrik og de to Hans Øer. Det Grønlandske Selskab, Charlottenlund 2016, ISBN 978-87-989168-4-0.
Weblinks
Einzelnachweise
- Peter R. Dawes, Tapani Tukiainen: Hans Ø, celebrated island of Nares Strait between Greenland and Canada: from dog-sledge to satellite mapping. In: Ole Bennike, A. K. Higgins (Hrsg.): Review of Survey activities 2007 (= Geological Survey of Denmark and Greenland (GEUS) [Hrsg.]: Geological Survey of Denmark and Greenland Bulletin. Band 15). S. 77–80 (Online).
- Karte mit allen offiziellen Ortsnamen. Bestätigt vom Oqaasileriffik, bereitgestellt von Asiaq.
- Michael Byers: International Law and the Arctic (= Cambridge studies in international and comparative law. Band 103). Cambridge University Press, Cambridge 2013, ISBN 978-1-107-43595-7, S. 10–16 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- Peter R. Dawes: Hans Ø og Hans Ø. In: Tidsskriftet Grønland. Nr. 1985/2, 1985 (Online [PDF]).
- Canada, Denmark agree to resolve dispute over Arctic island. CBC News (19. September 2005).
- Nachlese: Was steckt hinter dem Konflikt um die Insel Hans? Der Standard (28. Mai 2008).
- Einar Lund Jensen, Jens Heinrich: Fra hjemmestyre til selvstyre 1979–2009. In: Hans Christian Gulløv (Hrsg.): Grønland. Den arktiske koloni (= Danmark og kolonierne). Gads Forlag, Kopenhagen 2017, ISBN 978-87-12-04955-5, S. 400 f.
- Martin Breum: Analysis: Hans Island - and the endless dispute over its sovereignty. High North News (28. Mai 2018).
- Helle Nørrelund Sørensen: Forskere: Gør Hans Ø til fælleseje mellem Nunavut og Grønland. Kalaallit Nunaata Radioa (12. November 2015).
- Kevin McGwin: Denmark, Canada agree to settle Hans Island dispute. arctictoday.com (24. Mai 2018).
- Helle Nørrelund Sørensen: Hans Ø: Forskningslicens har skabt diplomatisk strid. Kalaallit Nunaata Radioa (24. April 2019).