Haggis
Haggis ist eine Spezialität aus der schottischen Küche und besteht aus dem Magen eines Schafes, paunch genannt, der mit Herz, Leber, Lunge, Nierenfett vom Schaf, Zwiebeln und Hafermehl gefüllt wird. Haggis ist mit Pfeffer scharf gewürzt, und das Hafermehl verleiht ihm eine etwas schwerere Konsistenz als Wurst.
Ähnliche Gerichte sind Pfälzer Saumagen und Grützwurst.
Allgemeines
Obwohl Haggis als typisch schottisches Gericht gilt, wurden nachweislich bereits in der Antike Tiermägen oder Tierdärme gefüllt mit Innereien von den Römern gegessen. Vergleichbare Gerichte gibt es auch heute in anderen Ländern, zum Beispiel in England hog puddings, die ähnlich auch in Wales und in Irland zubereitet werden.[1] In Deutschland gibt es mit dem nordhessischen Weckewerk, dem Pfälzer Saumagen, dem niedersächsischen Calenberger Pfannenschlag, dem Bremer Knipp, der westfälischen Stippgrütze ähnliche, ursprünglich für die bäuerliche Schlachtresteverwertung gedachte Rezepturen. In Rumänien wird das als Drob bekannte Gericht vor allem zu Ostern gegessen.
Haggis und ähnliche Gerichte wurden erfunden, um nach einer Schlachtung die schnell verderblichen Innereien des Tieres, im Allgemeinen vom Schwein, für einige Zeit haltbar zu machen. Daher wurden sie klein gehackt, gewürzt, gekocht und in einen Magen oder Darm als geeignete Hülle gefüllt.[1]
Traditionell werden zum Haggis Kohlrüben und Kartoffeln („neeps and tatties“) gegessen oder Clapshot. Als Fast Food wird das Gericht auch in schottischen Chip-Shops mit Pommes frites serviert. Haggis wird inzwischen zunehmend als Bestandteil anderer Gerichte verwendet, etwa bei Balmoral Chicken, mit Haggis gefüllter und mit Schinkenspeck umwickelter Hühnerbrust.[2]
Zubereitung
Der schottische Kochbuchautor Paul Harris schreibt in einem seiner Kochbücher als Einleitung zum Rezept für Haggis:
„The following recipe is not for the weak of constitution!“
„Das folgende Rezept ist nichts für schwache Nerven!“[3]
Die Zubereitung eines Haggis dauert vier bis fünf Stunden.
Der Magen muss in kaltem Wasser sorgfältig ausgewaschen werden. Dann muss man ihn von innen nach außen drehen und die allerletzten festen Reste der Magensäure und die Magenschleimhaut mit einem Messer abschaben. Um die Magenwand nicht zu verletzen, wird dazu die ungeschliffene Seite der Messerklinge verwendet. Das Herz, die Leber und die Lunge werden in einer leichten Fleischbrühe gar gekocht. Dabei ist darauf zu achten, dass das Ende der Luftröhre, das noch an der Lunge hängt, über den Rand des Kochtopfs gehängt wird und in eine Schüssel abtropfen kann. Wenn das Fleisch gar ist, muss es in kleine Stückchen geschnitten werden. Die Fleischstücke werden mit Salz und Pfeffer gewürzt und mit Muskatnuss, etwas Muskatblüte (Macis), gehackten Zwiebeln, dem Nierenfett und dem Hafermehl vermischt.
Die Mischung wird in den wieder umgedrehten Magen gefüllt. Er darf nicht ganz gefüllt werden, da das Hafermehl beim Kochen aufquillt und dafür Platz braucht. Der Magen wird mit Küchengarn zugenäht. Dann muss man den Magen mit einer Gabel rundherum einstechen. Macht man das nicht, platzt er beim Kochen, und der Inhalt läuft aus. Der Magen muss mindestens drei Stunden in kochendem Wasser gar werden. Anschließend legt man ihn auf eine Servierplatte und entfernt das Küchengarn. Aufgeschnitten wird der Haggis erst bei Tisch. Der paunch (Magen) selbst wird nicht gegessen.
Rituale beim Burns Supper
Beim Burns Supper, dem jährlichen Gedenkfest am 25. Januar zu Ehren des schottischen Nationaldichters Robert Burns, wird vor dem Servieren bei Kerzenlicht zunächst mit dem Dudelsack ein Reel gespielt. Dann trägt das Familienoberhaupt (oder der Wirt des Restaurants, in dem man die Burns Night feiert) – vor einer schottischen Flagge stehend – das Gedicht „Address to a Haggis“ von Robert Burns vor. Mitten in der dritten Strophe („cut ye up wi ready slight“) wird der kochend heiße Haggis mit einem Schwert oder einem Dolch aufgeschnitten, so dass die Innereien auslaufen und sich über die ganze Servierplatte verteilen. Die Burns Night mit dem Haggis-Essen ist auch ein wichtiges Ereignis, bei dem die schottischen Männer ihren vollständigen Clan-Tartan tragen.
Sonstiges
- In seinem Gedicht aus 1786 Address to a Haggis (dt.: Ode an den Haggis) lobte Robert Burns dieses schottische Nationalgericht als den „Great Chieftain o’ the Puddin-race“ (deutsch etwa: „Großer Häuptling des Pasteten-Stammes“).
- Da außerhalb Schottlands, vor allem auch in England, oft Witze und abfällige Äußerungen über dieses schottische Gericht gemacht werden, revanchieren sich die Schotten, indem sie englische Besucher mit zwei Witzgeschichten über ein angebliches Haggis-Tier (vergleichbar etwa dem bayerischen Wolpertinger) auf den Arm nehmen. So wird hauptsächlich von zwei verschiedenen Haggis-Arten berichtet: Den Low-flying-Haggis und den Left-driving-Haggis. Erstere flögen so schnell in geringer Höhe über das Heidekraut der Highlands hinweg, dass man sie nie zu sehen bekomme. Letztere hätten links kürzere Beine als rechts, um so an den steilen Hängen der Highlands besser stehen zu können – allerdings verursache diese anatomische Besonderheit bei der Fortbewegung eine ständige Linkskurve (vergleiche Dahu oder Hanghuhn). Die Jagdsaison auf das Haggis sei kurz und umfasse nur wenige Tage Ende Januar. Um ein Haggis zu fangen, treibe man es am besten in flaches Land, dann kippe es, wegen der ungleich langen Beine, um und könne nicht mehr fliehen. Der Dudelsack wurde demnach angeblich ursprünglich auf der Haggis-Jagd zur Erzeugung der Paarungslaute gebraucht und sei deshalb auch heute noch wichtiger Bestandteil jeder Haggis-Jagd. In Souvenirläden sind inzwischen diverse „Haggis-Tiere“ im Angebot.
- Die Tradition der Haggiserzählungen hat Eingang in die schottische Volkskultur gefunden und wird auch für Fernsehwerbung verwendet.
- Im Jahr 2009 behauptete die britische Historikerin Catherine Brown, dass das Gericht bereits 1615 erstmals in einem englischen Rezeptbuch erschienen und daher englischen Ursprungs sei. Die Erwähnung in dem Gedicht des Schotten Burns (siehe oben) datiere aus dem Jahr 1747. Diese Darstellung wird jedoch besonders in Schottland stark angezweifelt.[4]
- Die Einfuhr in die USA ist verboten, da Haggis Schafslunge enthält.[5]
Einzelnachweise
- Alan Davidson: The Oxford Companion to Food. Hrsg. von Tom Jaine. Oxford University Press, Oxford u. a., 2. Auflage, 2006, ISBN 0-19-280681-5, S. 365.
- Balmoral chicken. Kitchen Geekery, abgerufen am 24. Juli 2015.
- Paul Harris: A Little Scottish Cookbook. Appletree Press, Belfast 1988, ISBN 0-86281-204-6.
- Haggis-Streit: Angriff aufs schottische Heiligtum. dpa-Artikel in der Frankfurter Rundschau, 3. August 2009, abgerufen am 15. März 2011.
- Scots attempt to overturn US ban on haggis. The Telegraph, 22. Januar 2011, abgerufen am 15. März 2011.
Weblinks
- Erdmann Braschos: Kochen: Brutalstmöglich: Haggis. Die Zeit, 2002