Gesellschaftshaus Concordia
Das Gesellschaftshaus Concordia (lateinisch concordia ‚Eintracht‘, zu cor ‚Herz‘) ist ein unter Denkmalschutz stehendes[1] Stadtpalais in Wuppertal-Barmen unter den Adressen Werth 46–50, Concordienstraße 2–4 und Lindenstraße 1–3. Es wurde in seiner ursprünglichen Form 1818 erbaut und beherbergt seither die 1801 gegründete Gesellschaft Concordia. Es bildet den südlichen Abschluss des Johannes-Rau-Platzes (Rathausvorplatz) und ist mit dem Rathaus Barmen und dem Stadtbad Kleine Flurstraße der noch erhaltene Rest der historischen Bebauung im alten Stadtkern von Barmen.[2]
Geschichte
19. Jahrhundert
Das älteste Jahrbuch der Ersten Gesellschaft zur Gemarke erwähnt, dass „sich 1801 einige Freunde des geselligen Vergnügens in der Absicht verbanden, nach dem Beyspiel der in Elberfeld bestehenden gesellschaftlichen Verbindung (Elberfelder Casinogesellschaft) eine Societät hierselbst zu errichten, um da im freundschaftlichen Zirkel die der Erholung gewidmeten Abendstunden genießen zu können“.[3] Die 25 Gründerväter benannten ihre Bürgergesellschaft Concordia und waren durch musikalische Aufführungen und Tanzveranstaltungen bemüht auch den Interessen der Barmer Damenwelt zu entsprechen. Zu diesem Zweck wurde 1816–1818 vom Baumeister Wilhelm Buchholz das erste Gesellschaftshauses an der Wertherstraße (heute Werth) in klassizistischen Stilformen mit Mittelrisalit und Zwerchgiebel errichtet.[2] Durch das industrielle Wachstum Barmens und den sprunghaften Anstieg der Bevölkerung wuchsen auch die Anforderungen an die städtischen Planer und Verwalter. Da viele der Entscheidungsträger von Stadt und Bezirk in der Gesellschaft Concordia eingebunden waren, wurden hier häufig lokal- und regionalpolitische Vorhaben eingeleitet.
Die musikalischen Aufführungen hatten beachtliches Niveau erreicht und machten durch Mangel von alternativen Räumlichkeiten in Barmen eine Erweiterung notwendig. Im Februar 1861 fand nach zwei Baujahren die Einweihung des Konzertsaales statt. Dieser bot über 400 Besuchern Platz, hatte eine sternenförmige Deckenbeleuchtung und war der erste Konzertsaal auf dem Kontinent mit einer Orgel, welche aus dem Hause Ibach stammte. Bedeutende Solisten wie z. B. Johannes Brahms am 16. Februar 1884 und Dirigenten wie z. B. der in Wuppertal geborene Hans Knappertsbusch gaben hier Konzerte.[4] Das Gesellschaftshaus war die Ideenschmiede und der Versammlungsort für die Gründung des Barmer Verschönerungsvereins am 8. Dezember 1864 sowie des Barmer Kunstvereins am 25. Februar 1866.
Neubau um 1900
In den 1870er und 1880er Jahren entwickelte sich das Gesellschaftshaus Concordia zu einer bürgerlichen Festhalle, und der Altbau entsprach nicht mehr den damaligen Anforderungen. Am 8. Juni 1896 beschloss die Gesellschaft den Neubau des Vereinshauses an gleicher Stelle. Die feierliche Einweihung erfolgte am 17. Januar 1900. Eine dem Schlussstein beigelegte Urkunde vom 25. Januar 1900 beschreibt den Ablauf des Bauprojektes: „Ausgeführt wurde der Bau auf dem Platze und auf den durch Kauf erworbenen Nachbargrundstücken des alten Gesellschaftshauses, welches 1817 erbaut worden war. Mit der Niederlegung des Gebäudes wurde am 10. Juni 1897 begonnen. Die aus einem (unter zwölf deutschen Baumeistern) ausgeschriebenen Wettbewerbe siegreich hervorgegangenen Pläne und Entwürfe sind das Werk des Architekten Schreiterer und Below in Köln, denen auch die Bauleitung anvertraut war … Die Bildhauerarbeiten der prächtigen Hauptfaçade wurden ausgeführt von Johannes Degen, Köln, in Mittelberger Sandstein, die (im Stil des späten Rokoko gehaltenen) Stuck- und Holzarbeiten im Inneren von Heinrich Pallenberg, Köln.“[5] Die Kunstverglasungen wurden von der Köln-Lindenthaler Glasmalerei Schneiders und Schmolz angefertigt.[6]
Es war damit eine Entscheidung für die feinsten Kölner Adressen gefallen, welche dem Barmer Bau den Charakter eines barocken Stadtpalais verliehen. Eine zeitgenössische Beschreibung des Gebäudeinneren besagte, dass „während die weitläufigen Räume des Erdgeschosses als Läden und prächtigere Wirthschafträume vermiethet wurden, sind die Säle der Beletage der Gesellschaft selbst vorbehalten. Durch das prunkvolle Portal und ein eben so reich gehaltenes Treppenhaus gelangt man zunächst zu den Garderobenräumlichkeiten im ersten Stock. In der Mitte der Hauptfront öffnet sich dann das eigentlich Herrengesellschaftszimmer, dem sich auf der einen Seite der Billardraum, das Spielzimmer, das Lesekabinett, und das Direktionszimmer anschließen, während ein nach der Seite ein großer und ein kleiner Speisesaal, sowie ein höchst ansprechender Empire-Salon folgen. Außer dieser langen, ununterbrochenen Flucht von prächtigen Räumen, bei deren Ausstattung sich namentlich die Firma Pallenberg zu Cöln bewährte, enthält das Hauptgeschoss den großen Konzertsaal, einen kleineren Reunionsaal und die Damenzimmer. Dieser Theil des Hauses, der für Aufführungen und Bälle ein grosses Treppenhaus besitzt, kann je nach Bedarf mit anderen Räumen verbunden oder getrennt verwendet werden.“[7]
Mit der geschweiften Giebelform der zahlreichen Zwerchhäuser hatte das Gebäude ein lebhafte Dachlandschaft, mit der die Architekten an Formbestände des bergischen Bürgerhauses aus dem Spätbarock anknüpften. Originell ist auch das erhaltene bergische Eingangsportal mit leicht verziertem Kämpferfenster und spiegelbildlich angeordneten Dielenfenstern, wobei spielerisch mit den Barockformen österreichisch-böhmischer Provenienz und bergisch-märkischer Tradition umgegangen wurde. Einen Tag nach der Neueröffnung 1900 wurde auch das Bismarck-Denkmal in der Nähe der Concordia eingeweiht. Diese bewusst angelegte städtebauliche Situation hatte für das Gesellschaftshaus Concordia einen politischen Zusammenhang, in dem der Begriff Concordia mit Otto von Bismarck als gefeiertem Vollender der Deutschen Einheit politisch umgedeutet wurde. In der historischen Concordia war das Bürgertum unter sich. Alles, was Rang und Namen hatte, ging hier ein und aus, um sich den schönen Künsten zu widmen.[8] Es wurde Politik betrieben, man präsentierte und feierte sich selbst, engagierte sich aber auch in christlicher Nächstenliebe mit „edlen Thaten“ für die „unteren“ Gesellschaftsschichten.
Zweiter Weltkrieg und Nachkriegszeit
Im Zweiten Weltkrieg wurde das repräsentative Bürgerpalais durch den alliierten Luftangriff auf Barmen in der Nacht vom 29. auf den 30. Mai 1943 bis auf die Umfassungsmauern zerstört und beim Wiederaufbau in vereinfachter Form neu errichtet. Das Gebäude erhielt statt der zweigeschossigen Eisen-/Glaskonstruktion ein Außenmauerwerk mit Sandsteinverkleidung.[2]
Das Gebäude mit der schmuckvoll verzierten Fassade fällt heute vor allem durch seine großen Säulengestalten über dem kunstvollen Portal auf, die einen schmiedeeisernen Balkon tragen. Während man im Untergeschoss der Frontseite bei einem Gemäldehändler stöbern kann, liegt am Ende der Schuchardstraße der Eingang zum ehemaligen FITA-Palast, in dem von 1948[9] bis 1998[10] ein Mehrtheaterkino mit 1400 Sitzplätzen[11] und abgetrennten Logen[12] untergebracht war.[13] Das Kino wurde aus den ehemals zwei großen Gesellschaftssälen der Concordia gebildet.[2]
Heutige Nutzung
2006 wurde der Dortmunder Architekt Niederwörmann damit beauftragt, das ehemalige Kino zu überplanen. Bis zu zehn Praxen sollten als Ärztehaus in dem Ex-Kino Platz finden. Vorher wurden bereits Nutzungen als Diskothek, Erlebnisgastronomie, Indoor-Kinderspielplatz oder als dritte kommunale Theaterspielstätte in Wuppertal[14] diskutiert, realisiert wurde bislang keiner dieser Pläne.[12]
Der Rest des Gebäudeblocks wird als Geschäftsläden, Wirtschaftslokal, Büros und Wohnungen genutzt. Im zweiten Obergeschoss bleiben das Spielzimmer, die Gesellschaftsräume und zwei große Säle der Gesellschaft Concordia für Geselligkeit, Konzerte, Kunstausstellungen, Vorträge und Festversammlungen vorbehalten.[2]
Literatur
- Hermann J. Mahlberg, Hella Nußbaum: Der Aufbruch um 1900 und die Moderne in der Architektur des Wuppertales, Abendrot einer Epoche, Verlag Müller Busmann KG, 2008, ISBN 978-3-928766-87-6, Seite 120–122
- F. W. Bredt: Concordia. Eine Jahrhundertstudie aus dem Wupperthal, Verlag: Barmen, Luhn 1901.
- Florian Speer: Vom Bau des ersten Gesellschaftshauses der Bürgergesellschaft Concordia zu Barmen 1816–1818. In: „Kunst und Architektur. Festschrift Prof. Dr. Hermann J. Mahlberg“, Wuppertal 1998, S. 32–40. ISBN 3-928766-32-5.
Weblinks
- Eintrag In: Wuppertaler Denkmalliste
Bilder
- Gesellschaftshaus Concordia, (2008)
- Obere Portalansicht, (2009)
- Untere Portalansicht, (2009)
- Concordia vom Johannes-Rau-Platz aus gesehen, (2008)
- Gebäudeverzierungen in der Lindenstraße, (2009)
- Eingang zum ehemaligen FITA-Palast in der Lindenstraße (2009)
Einzelnachweise
- Eintrag In: Wuppertaler Denkmalliste
- Eintrag In: Wuppertaler Denkmalliste
- Bredt (1901), Seite 1
- barmen-200-jahre.de (Memento vom 5. April 2010 im Internet Archive), Grußwort von Wolfgang Baumann
- Bredt (1901), Seite 54
- Kunst-Glasmalerei Schneiders & Schmolz G.m.b.H. Koeln-Lindenthal: Verzeichnis einer Anzahl bereits ausgeführter Glasmalereien nebst einigen Abbildungen. Köln 1902, S. 34.
- Bredt (1901), Seite 52–53
- wuppertal.de (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven) , Schöne drei Concordia
- talgeschichten.de, Hoppla, jetzt komm ich! Ein halbes Jahrhundert Kintopp in Wuppertal
- barmen-200-jahre.de (Memento vom 29. November 2014 im Internet Archive), Chronik von 1900 bis 1999
- hatzfeldpost.de (PDF; 8 kB), Park-Lichtspiele Wuppertal-Hatzfeld
- wz-online, 7. Dezember 2006 (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven) Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. , Ex-Fita-Palast: Disco oder doch Ärztehaus?
- wolfgang-mondorf.de (Memento des Originals vom 4. Januar 2015 im Webarchiv archive.today) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. , private Website von Wolfgang Mondorf
- dielinke-wuppertal.de, 25. Januar 2007 (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven) , Fita-Palast, Antrag der Ratsfraktion der Partei des Demokratischen Sozialismus