Gertrud Classen
Gertrud Classen (* 3. Juli 1905 in Königsberg; † 3. September 1974 in Berlin) war eine deutsche Widerstandskämpferin gegen den Nationalsozialismus und Bildhauerin in der DDR.
Leben
Classen, Tochter eines Meiereiverwalters, besuchte nach erfolgreichem Abschluss einer Mittelschule und des Lyzeums die Kunstakademien in Königsberg und Berlin. Schon in früher Jugend engagierte sie sich in kommunistischen Organisationen. Sie gehörte seit 1919 dem Wandervogelmädchenbund an und wurde 1925 Bundesführerin.[1] Als sich dieser 1928 mit anderen unabhängigen Pfadfinder- und Wandervögelbünden zur Deutschen Freischar zusammenschloss, trat Classen aus der Organisation aus und wurde Mitglied des Kommunistischen Jugendverbandes Deutschlands (KJVD).
Noch 1929 trat Classen in die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) ein, was diese zunächst geheim hielt. Classen arbeitete für den bis 1937 bestehenden illegalen Nachrichtendienst der KPD, den von Hans Kippenberger angeführten sogenannten Antimilitaristischen Apparat (AM-Apparat). Weiterhin war sie Mitglied der Roten Hilfe Deutschlands, der Revolutionären Gewerkschaftsopposition (RGO) und des Bundes Revolutionärer Bildender Künstler Deutschlands (BRBKD). Ende der 1920er Jahre gründete Classen den Bund revolutionärer Fach- und Kunstschüler als Teil des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB). 1932 wurde Classen wegen ihrer Beteiligung am Wahlkampf für die KPD für kurze Zeit festgenommen.
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten und dem Verbot der KPD im Jahr 1933 leitete Classen eine illegale antifaschistische Gruppe junger Künstler an den Vereinigten Staatsschulen für freie und angewandte Kunst in Berlin. Sie beteiligte sich an der Herstellung und Verbreitung illegaler Flugblätter. Classen übermittelte bis 1937 während mehrerer Reisen nach Frankreich und Großbritannien Geheiminformationen an den Nachrichtendienst der KPD. 1939 kehrte sie nach einem längeren Aufenthalt in der Schweiz nach Berlin zurück und wurde mehrfach vorübergehend festgenommen und verhört. Sie wirkte dann im Widerstand mit der Schulze-Boysen/Harnack-Organisation zusammen. Daneben beherbergte sie heimlich die Widerständlerin Ilse Stillmann, deren Vater Jude war, und den Deserteur und Widerstandskämpfer Oskar Huth. Nach dem 20. Juli 1944 soll Classen für den Mitverschwörer Ludwig von Hammerstein-Equord falsche Papiere besorgt und ihn versteckt haben. Im Herbst 1944 nahm sie mehrmals an der Herstellung gefälschter Lebensmittelkarten für die Versorgung von Ilse Stillmann teil.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde Classen 1946 Mitglied der SED. Von 1950 bis 1953 war sie Meisterschülerin an der Akademie der Künste (AdK) der DDR bei Gustav Seitz und Fritz Cremer.[2] Als solche war sie 1953 mit einem Werk auf der Dritten Deutschen Kunstausstellung in Dresden vertreten.[3] Danach betätigte sie sich als freischaffende Bildhauerin in der DDR.[4]
1970 wurde ihr der Vaterländische Verdienstorden in Silber verliehen.[5]
Werke
- 1952: Aufbauhelferin, Bronze, Ossietzkystraße/Am Schlosspark, Berlin-Pankow
- 1966: Der Schwimmer, Bronze, 1975 aufgestellt, Kiefholzstraße 192, Berlin-Baumschulenweg, im Mai 2018 gestohlen, zersägt und bei einem Buntmetallhändler sichergestellt[6][7][8], restauriert und 2021 wieder aufgestellt[9]
- Mutter, Bronze, Antlitz einer typischen Bäuerin, im Jahr 2017 Teil einer Ausstellung auf der Burg Beeskow[10]
- 1974: Lesender Knabe (zusammen mit Siegfried Krepp), aufgestellt in der Pistoriusstraße Ecke Woelckpromenade in Berlin-Weißensee, ein nackter Junge sitzt auf einem Stein, auf seinen Knien liegt ein aufgeschlagenes Buch[11]
- Bündische Vielfalt, eine junge Frau mit Kopftuch wandert gitarrespielend[12]
- Mutter mit Kind: eine Mutter führt ihre kleine Tochter an beiden Händen auf dem Boden entlang[13]
- Lesender Knabe: ein nackter Junge liegt auf dem Bauch und liest[14]
Außer Bildwerken schuf die Künstlerin auch Illustrationen zu Kinderbüchern, beispielsweise Nili das Nilpferdmännchen oder Die Uhr.
Literatur
- Hermann Weber, Andreas Herbst: Deutsche Kommunisten. Biographisches Handbuch 1918 bis 1945. 2., überarbeitete und stark erweiterte Auflage. Dietz, Berlin 2008, ISBN 978-3-320-02130-6 (Online).
- Christiane Kliemannel: Mädchen und Frauen in der deutschen Jugendbewegung im Spiegel der historischen Forschung. Edition Roter Drache, Remda-Teichel 2013. ISBN 3944180429.
Weblinks
- Hans-Joachim Fieber: In Erinnerung an...Gertrud Classen. In: Unser Blatt, Januar 2016, S. 9
Einzelnachweise
- Gertrud Classen auf www.buendische-vielfalt.de
- Gertrud Classen im Archiv der Akademie der Künste
- Katalog der Ausstellung, S. 5
- Gertrud Classen auf www.kunst-und-kultur.de
- Neues Deutschland, 31. Juli 1970, S. 2
- Verzeichnis der Kunstwerke im öffentlichen Raum - Bezirk Treptow-Köpenick. (pdf) In: www.kunst-und-kultur.de. S. 18, abgerufen am 10. Mai 2018.
- Bronzeskulptur gestohlen. In: www.berlin.de. 11. Mai 2018, abgerufen am 10. Mai 2018 (Polizeimeldung Nr.: 1042).
- vgl. Abbildung Datei:Statue Kiefholzstr 192 (Baums) Schwimmer&Gertrud Classen&1966.jpg
- Die verschwundene Skulptur „Der Schwimmer“ von Gertrud Classen in Baumschulenweg wird am 25. August 2021 wieder eingeweiht. In: Pressemitteilung des Bezirksamts Treptow-Köpenick. 2. August 2021, abgerufen am 3. August 2021.
- Geballte Frauenkraft auf www.moz.de, abgerufen am 14. Januar 2019.
- vgl. Abbildung Datei:Statue Pistoriusstr 19 (Weißs) Lesender Knabe&Siegfried Krepp Gertrud Claasen&1974.jpg
- Abbildung der Skulptur
- vgl. Abbildung auf kunst-im-oeffentlichen-raum-pankow.de, abgerufen am 22. Januar 2019
- Abbildung auf kunst-im-oeffentlichen-raum-pankow.de, abgerufen am 22. Januar 2019