Gerry Rafferty

Gerald „Gerry“ Rafferty (* 16. April 1947 in Paisley, Renfrewshire, Schottland; † 4. Januar 2011 in Stroud, Gloucestershire, England[1]) war ein britischer Folk-Rock-Singer-Songwriter. Als Raffertys größte musikalische Stärke wurde sein Gespür für Melodien gewürdigt.[2] Seine Komposition Baker Street (1978) machte ihn weltbekannt und vermögend, da dieses Lied bis heute oft von Radiosendern gespielt wird.

Gerry Rafferty (1980)

Leben

Gerry Rafferty war das dritte Kind des irischen Bergarbeiters Joseph Rafferty († 1963) und dessen schottischer Frau Mary, geb. Skeffington.[3] In seiner Kindheit und Jugend litt er unter der Gewalt und Missachtung seines alkoholabhängigen Vaters. Seine Mutter ging häufig mit ihrem jüngsten Kind solange spazieren, bis der Vater nach Arbeitsende und Pub-Besuch eingeschlafen war.[3] Gerry Rafferty brach 1963 den Schulbesuch ab und arbeitete mit 16 Jahren zunächst in einer Metzgerei. An den Wochenenden spielten er und sein Schulfreund Joe Egan in einer Popgruppe, den Mavericks. 1965 lernte er seine zukünftige Ehefrau Carla Ventilla in einem Tanzlokal kennen, eine 15-jährige, italienischstämmige Friseur-Auszubildende. Er bekam mit ihr 1972 eine Tochter, die später für ihn arbeitete.[3]

In den Achtzigern verfiel er zunehmend dem Alkohol,[4] weshalb seine Frau sich 1990 von ihm scheiden ließ.[3] Sie blieb jedoch bis zu seinem Tode mit ihm in Kontakt.

Musikalischer Werdegang

Seine frühen musikalischen Erfahrungen waren katholische Kirchenchoräle, traditionelle Folk-Musik und die populäre Musik der 1950er-Jahre. Mit 21 Jahren begann Rafferty, als Sänger und Gitarrist professionell Lieder zu schreiben, und suchte nach Gelegenheiten für öffentliche Auftritte. So verdiente er in seinen frühen Jahren Geld mit damals illegalen Auftritten als Straßenmusikant in den Passagen der Londoner U-Bahn.

Gegen Ende der 1960er Jahre spielte er bei der Beatformation Fifth Column, bevor er zusammen mit Billy Connolly und Tam Harvey das dritte Mitglied der Folk-Band The Humblebums wurde. Deren Live-Auftritte waren durch Connollys komödiantisches Talent und Raffertys Pop-Rock-Kompositionen durchaus populär, ihre Alben blieben aber kommerziell erfolglos. Zusammen mit seinem Schulfreund Joe Egan und anderen gründete sich 1972 die Folk-Rock-Band Stealers Wheel, die als Großbritanniens Antwort auf Crosby, Stills, Nash & Young gehandelt wurde. Sie erzielten 1973 immerhin einen Top-Ten-Hit mit Stuck in the Middle with You, der 1992 in Quentin Tarantinos Film Reservoir Dogs – Wilde Hunde ein zweites Mal ein größeres Publikum erreichte. Einige weitere Titel konnten an diesen kommerziellen Erfolg trotz Top-200-Platzierungen nicht mehr anknüpfen, und 1975 löste sich die Gruppe auf. Rechtsstreitigkeiten zwischen den Musikern hielten bis 1978 an.

Solokarriere

Parallel dazu arbeiteten Egan und Rafferty als Solokünstler: 1971 veröffentlichte Gerry Rafferty ein eigenes Album mit dem Titel Can I Have My Money Back?[5] in Zusammenarbeit mit Egan; es war trotz der melodiös-eingängigen Folk-Rock-Songs kommerziell nicht sonderlich erfolgreich. International erfolgreich wurde Gerry Rafferty 1978 mit der LP City to City.[6] Das ausgekoppelte Lied Baker Street erreichte in gekürzter und überarbeiteter Form weltweit Spitzenpositionen in den Hitparaden und ließ das Album weiter in den Charts steigen. Baker Street hat eines der bekanntesten Saxophon-Soli der Pop-Rock-Geschichte. Die Nachfolge-LP Night Owl erreichte 1979 die britischen Top 10, die Single Get It Right Next Time die UK Top 40, insgesamt konnte er aber nicht mehr an den Vorjahreserfolg anknüpfen.

Gerry Raffertys nachfolgende Veröffentlichungen – auch sein von der Kritik wohlwollend aufgenommenes Album Snakes and Ladders[7] (1980) – waren finanziell nicht mehr so einträglich, was mit der Übernahme des Plattenlabels Liberty-United Records durch EMI Records einherging. Sein 1982 – wieder vom Liberty-Label – herausgebrachtes Album Sleepwalking[8] hatte durchaus Potenzial zu einem Bestseller. Auch dieses von der Kritik gelobte Album wurde von Radiostationen seltener als seine Vorgängeralben gespielt, woraufhin sich Rafferty in den familiären Bereich zurückzog. 1983 trug er mit The Way It Always Starts zum Soundtrack der britischen Komödie Local Hero mit Burt Lancaster bei.

Mit North and South[9] (1988) schien noch einmal ein Comeback zu gelingen. Der amerikanische Markt reagierte jedoch nur sehr verhalten. Eine Rolle spielte wohl auch Raffertys zunehmende Abneigung, live aufzutreten, sowie seine Schweigsamkeit im Umgang mit den Medien; dennoch gelang ein Wechsel des Plattenlabels zu Polydor. Die mittelschnelle und für Rafferty untypische Country-Nummer Don’t Give Up on Me war weiterhin ein von BBC Radio 2 oft gespieltes Lied aus dem aufwändig produzierten Album On a Wing and a Prayer[10] (1992), darunter einige Lieder wiedervereint mit Joe Egan von Stealer’s Wheel als Hintergrund-Sänger, ebenso zehn Jahre später eine Beinahe-Reunion mit Billy Connolly (The Humblebums) auf dessen Album Glasgow Accents (Stories and Songs). On a Wing and a Prayer verkaufte sich nur unbefriedigend, vielleicht weil diese voll digitalisierte Produktion hauptsächlich für den Kopfhörergebrauch zugeschnitten war und ihre Reize auf älteren Analoganlagen nur unvollkommen entfalten konnte. An dem Album war auch Raffertys Bruder Jim als Begleitsänger, Songwriter und Albumdesigner beteiligt[11][12].

Das skurrile und mehrdeutige Her Father Didn’t Like Me Anyway (erstmals 1969 auf dem Album The Humblebums erschienen) auf dem 1994er Album Over My Head[13] war mäßig erfolgreich, konnte aber nicht mehr an einstige Glanzzeiten anknüpfen. Over My Head war Raffertys erster Misserfolg nach langer Zeit. Seine letzten Versuche für einen kommerziellen Anschlusserfolg waren das musikalisch vielschichtige Another World[14] (2000) und die Compilation Please Sing a Song for Us (2004), die zunächst nur über die 2006 eingestellte Website von Gerry Rafferty erhältlich waren. Das Schallplattencover von Another World stammt von John (Patrick) Byrne,[15] der auch die Cover von City to City, Night Owl und Snakes and Ladders, Can I Have My Money Back und die der beiden ersten Alben von Stealers Wheel gestaltet hatte.

Die letzten Jahre

Rafferty lebte bis 2005 alleinstehend in seinem Haus im Londoner Stadtteil Hampstead. Nach einem durch übermäßigen Alkoholkonsum verursachten Zusammenbruch wurde er in eine Entzugsklinik der schottischen Kirche eingewiesen. Im Juli 2008 mietete er eine Suite in einem Londoner Fünf-Sterne-Hotel und fiel dort negativ auf. Am 25. Juli wurde er wegen Leberproblemen stationär im Londoner St Thomas’ Hospital aufgenommen. Vom 1. August 2008 an galt er als vermisst, nachdem er aus seinem Krankenzimmer spurlos verschwunden war.[16] Bis Mitte Februar 2009 bestand der Verdacht einer Entführung, der von der BBC ausgeräumt werden konnte; so soll Rafferty die ganze Zeit über in einem Landhaus in der Toskana gelebt und auch an einem neuen Album gearbeitet haben.[17] Schon ein Teil der Aufnahmen zum poetischen Album Another World, das erst 2003 in einer Luxusedition von 15.000 Exemplaren weltweit auf CD erschien, war in der Toskana und auf der Karibikinsel Barbados entstanden. Am 27. November 2009 wurde das neue Album Life Goes On veröffentlicht. Es beinhaltet Neuaufnahmen von Stücken aus den vorigen drei Alben sowie neue Lieder, die aber nicht ausschließlich aus Raffertys Feder stammen, wie beispielsweise ein Beatles-Cover aus dem Album Abbey Road oder einige Weihnachtslieder (u. a. Silent Night).

Gerry Rafferty starb am 4. Januar 2011 im englischen Stroud an Leber- und Nierenversagen. Sein Asche wurde auf Iona verstreut.[18]

Diskografie

Alben

Jahr Titel Höchstplatzierung, Gesamtwochen, AuszeichnungChartplatzierungenChartplatzierungen[19][20]
(Jahr, Titel, Plat­zie­rungen, Wo­chen, Aus­zeich­nungen, Anmer­kungen)
Anmerkungen
 DE  AT  CH  UK  US
1978 City to City DE3
(22 Wo.)DE
AT8
(8 Wo.)AT
UK6
Gold

(37 Wo.)UK
US1
Platin

(49 Wo.)US
1979 Night Owl DE18
(13 Wo.)DE
UK9
Gold

(23 Wo.)UK
US29
Gold

(21 Wo.)US
1980 Snakes and Ladders DE34
(8 Wo.)DE
UK15
Silber

(9 Wo.)UK
US61
(9 Wo.)US
1982 Sleepwalking UK39
(4 Wo.)UK
1988 North & South DE20
(16 Wo.)DE
CH16
(6 Wo.)CH
UK43
(4 Wo.)UK
1992 On a Wing & a Prayer DE87
(7 Wo.)DE
UK73
(1 Wo.)UK
2003 Another World DE78
(1 Wo.)DE
2021 Rest in Blue CH63
(1 Wo.)CH
UK73
(1 Wo.)UK

grau schraffiert: keine Chartdaten aus diesem Jahr verfügbar

Weitere Alben

  • 1971: Can I Have My Money Back?
  • 1994: Over My Head
  • 2009: Life Goes On

Kompilationen

Jahr Titel Höchstplatzierung, Gesamtwochen, AuszeichnungChartplatzierungenChartplatzierungen[19]
(Jahr, Titel, Plat­zie­rungen, Wo­chen, Aus­zeich­nungen, Anmer­kungen)
Anmerkungen
 DE  AT  CH  UK  US
1990 Right Down the Line
The Best of Gerry Rafferty
DE62
(11 Wo.)DE
1995 One More Dream
The Very Best of Gerry Rafferty
UK17
Gold

(20 Wo.)UK

Weitere Kompilationen

  • 1974: Gerry Rafferty Revisited
  • 1978: Stuck in the Middle with You – The Best of Stealers Wheel (mit Joe Egan)
  • 1978: Gerry Rafferty
  • 1981: Can I Have My Money Back?
  • 1984: Baker Street
  • 1984: The First Chapter (2 LPs)
  • 1986: Early Collection - Songs taken from the Albums Gerry Rafferty and Can I Have my Money Back - TRACD 601
  • 1988: Blood and Glory
  • 1990: The Best Of (Stealers Wheel feat. Gerry Rafferty)
  • 1993: The Best of Gerry Rafferty (UK: Gold)
  • 1995: The Early Years
  • 1995: The Collection
  • 1996: Best of the Humblebums (mit Billy Connolly) (2 CDs)
  • 1997: Clowns to the Left, Jokers to the Right 1970–1982
  • 1997: Gerry Rafferty and Stealers Wheel (mit Stealers Wheel)
  • 1997: Baker Street / The Best of Gerry Rafferty (UK: Gold)
  • 2000: Can I Have My Money Back? The Best Of (mit The New Humblebums)
  • 2006: Days Gone Down: The Anthology 1970–1982
  • 2007: City to City / Night Owl (2 CDs)
  • 2011: Essential
  • 2011: Collected (mit Stealers Wheel) (3 CDs)
  • 2012: Snakes and Ladders / Sleepwalking (2 CDs)

Singles

Jahr Titel
Album
Höchstplatzierung, Gesamtwochen, AuszeichnungChartplatzierungenChartplatzierungen[19]
(Jahr, Titel, Album, Plat­zie­rungen, Wo­chen, Aus­zeich­nungen, Anmer­kungen)
Anmerkungen
 DE  AT  CH  UK  US
1978 Baker Street
City to City
DE3
(28 Wo.)DE
AT4
(24 Wo.)AT
CH2
(17 Wo.)CH
UK3
Gold

(20 Wo.)UK
US2
Gold

(20 Wo.)US
Right Down the Line
City to City
US12
(15 Wo.)US
Home and Dry
City to City
US28
(13 Wo.)US
1979 Night Owl
Night Owl
UK5
Silber

(13 Wo.)UK
Days Gone Down
(Still Got the Light in Your Eyes)
Night Owl
US17
(10 Wo.)US
Get It Right Next Time
Night Owl
UK30
(9 Wo.)UK
US21
(13 Wo.)US
1980 Bring It All Home
Snakes and Ladders
UK54
(4 Wo.)UK
The Royal Mile (Sweet Darlin’)
Snakes and Ladders
UK67
(2 Wo.)UK
US54
(8 Wo.)US
1992 Don’t Give Up on Me
On a Wing & a Prayer
DE51
(17 Wo.)DE
1994 A New Beginning
Over My Head
DE67
(7 Wo.)DE

Weitere Singles

  • 1971: Can I Have My Money Back?
  • 1972: Make You, Break You
  • 1973: Everything Will Turn Out Fine (mit Joe Egan)
  • 1973: Didn’t I
  • 1977: City to City
  • 1978: Whatever’s Written in Your Heart
  • 1978: The Ark
  • 1978: Stuck in the Middle with You (Stealers Wheel feat. Gerry Rafferty & Joe Egan)
  • 1978: Mary Skeffington
  • 1978: Who Cares (mit Joe Egan)
  • 1978: Mattie’s Rag
  • 1982: Sleepwalking
  • 1982: A Change of Heart
  • 1982: Standing at the Gates
  • 1988: Shipyard Town
  • 1988: Hearts Run Dry
  • 1988: Last July
  • 1990: Baker Street (Remix)
  • 1992: It’s Easy to Talk
  • 1992: I Could Be Wrong
  • 1992: Get Out of My Life Woman
  • 2003: All Souls

Auszeichnungen für Musikverkäufe

Goldene Schallplatte

  • Kanada Kanada
    • 1978: für die Single Baker Street
  • Neuseeland Neuseeland
    • 1978: für das Album City to City
  • Niederlande Niederlande
    • 1978: für das Album City to City

Platin-Schallplatte

  • Kanada Kanada
    • 1979: für das Album Night Owl

2× Platin-Schallplatte

  • Kanada Kanada
    • 1979: für das Album City to City

Anmerkung: Auszeichnungen in Ländern aus den Charttabellen bzw. Chartboxen sind in ebendiesen zu finden.

Land/RegionAus­zeich­nung­en für Mu­sik­ver­käu­fe
(Land/Region, Auszeichnungen, Verkäufe, Quellen)
Silber Gold Platin Ver­käu­fe Quel­len
 Kanada (MC) 0! S  Gold1   Platin2 350.000 musiccanada.com
 Neuseeland (RMNZ) 0! S  Gold1 0! P 7.500 nztop40.co.nz
 Niederlande (NVPI) 0! S  Gold1 0! P 50.000 nvpi.nl
 Vereinigte Staaten (RIAA) 0! S   Gold2  Platin1 2.500.000 riaa.com
 Vereinigtes Königreich (BPI)   Silber2   Gold6 0! P 1.310.000 bpi.co.uk
Insgesamt   Silber2  11× Gold11   Platin3

Einzelnachweise

  1. Nick Wakefield: Baker Street singer Gerry Rafferty died at daughter’s Stroud home. In: Stroud News. 24. Januar 2011 (englisch, abgerufen am 21. Oktober 2014).
  2. Douglas Martin: Gerry Rafferty, Songwriter, Dies at 63. In: The New York Times. 4. Januar 2011:
    «Reviewing “City to City” In: Rolling Stone. Ken Emerson said Mr. Rafferty “writes with the sweet melodiousness of Paul McCartney and sings with John Lennon’s weary huskiness.”»
  3. Michael Gray: Gerry Rafferty obituary. In: The Guardian. 4. Januar 2011.
  4. „Baker Street“: Erinnerung an Gerry Rafferty - magische acht Takte. 4. Januar 2021, abgerufen am 5. Januar 2021 (deutsch).
  5. Can I Have My Money Back? bei AllMusic (englisch)
  6. City to City bei AllMusic (englisch)
  7. Snakes and Ladders bei AllMusic (englisch)
  8. Sleepwalking bei AllMusic (englisch)
  9. North and South bei AllMusic (englisch)
  10. On a Wing and a Prayer bei AllMusic (englisch)
  11. Music Obituaries: Gerry Rafferty. In: The Telegraph. 4. Januar 2011
  12. „On A Wing and A Prayer“, Album Credits
  13. Over My Head bei AllMusic (englisch)
  14. Another World bei AllMusic (englisch)
  15. Trip Pictures: Psychedelic Painter Connell Patrick Byrne Draws on Prog Rock, Weird Science, and a Lot of Stuff In Between (Memento vom 30. September 2007 im Internet Archive) (englisch)
  16. Jerome Taylor: The lonely road from ‘Baker Street’ to skid row. (Memento vom 11. März 2010 im Internet Archive) In: The Independent. 17. Februar 2009
  17. Sarah Knapton: Celebrity news. Gerry Rafferty happily stuck in the middle of Tuscany. In: The Daily Telegraph. 18. Februar 2009.
  18. "Gerry Rafferty went to meet his maker sober and unafraid, curious and brave." In: The Scotsman, 22. Januar 2011
  19. Chartquellen: DE AT CH UK US
  20. The Billboard Albums von Joel Whitburn, 6th Edition, Record Research 2006, ISBN 0-89820-166-7
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