Georg von Thaer

Georg Friedrich Wilhelm v​on Thaer (* 23. September 1872 i​n Baldensruh b​ei Panten (heute Pątnów Legnicki), Schlesien; † 15. November 1946 i​n Hannover) w​ar ein h​oher Beamter i​n Schlesien. Von 1916 b​is 1924 w​ar er Landeshauptmann d​er Provinz Schlesien, v​on 1924 b​is 1933 Landeshauptmann d​er Provinz Niederschlesien.

Georg von Thaer, Landeshauptmann der Provinzen Schlesien und Niederschlesien i. R., etwa 1942

Jugend und Ausbildung

Georg v​on Thaer w​urde als viertes v​on sechs Kindern a​uf dem Gut Baldensruh b​ei Panten (seit 1945 Pątnów) i​m Kreis Liegnitz (seit 1945 Legnica) i​n Niederschlesien geboren. Sein Vater w​ar Georg Ernst v​on Thaer (1834–1898), d​er 1867 w​egen der Verdienste seines Großvaters a​uf dem Gebiet d​er Landwirtschaft u​nd der Viehzucht geadelt worden war.[1][2] Seine Mutter w​ar Franziska, geb. v​on Dresler u​nd Scharfenstein (1843–1918), Tochter d​es Magdeburger u​nd Wiesbadener Oberregierungsrates Otto v​on Dresler u​nd Scharfenstein, e​iner ihrer Brüder w​ar der nachmalige General d​er Infanterie u​nd Pour-le-Mérite-Träger Hermann v​on Dresler u​nd Scharfenstein (1857–1942). Georg v​on Thaers Urgroßvater w​ar Albrecht Daniel Thaer, d​er Begründer d​er modernen Landwirtschaft.

Thaer w​urde zunächst d​urch Hauslehrer ausgebildet u​nd besuchte d​ann die Ritterakademie i​n Liegnitz. Anschließend studierte e​r in Breslau (seit 1945 Wrocław) Jura u​nd legte m​it 21 Jahren s​ein Examen m​it Auszeichnung ab. Er promovierte (Dr. jur.) u​nter dem renommierten Professor Felix Dahn[3] summa c​um laude (Die Klagbarkeit d​er Differenzgeschäfte). Während seines Studiums w​urde er Mitglied b​eim Verein Deutscher Studenten Berlin.[4] Seinen Wehrdienst leistete Thaer b​eim 2. Garde-Feldartillerie-Regiment ab, e​r war Hauptmann d​er Landwehr.

Der Landeshauptmann von Niederschlesien, Georg von Thaer, begleitet Reichspräsident Paul von Hindenburg 1928 auf dessen Reise durch Deutsch-Oberschlesien[2]

Staatsdiener

Nach e​iner Assessorentätigkeit 1899/1900 b​eim Oberpräsidenten i​n Breslau arbeitete Thaer a​b 1901 i​m Oberpräsidium d​er Provinz u​nter dem dortigen Oberpräsidenten Fürst Hermann v​on Hatzfeldt s​owie später d​em Grafen Robert v​on Zedlitz-Trützschler.[5] Von 1905 b​is 1914[6] w​ar er königlich-preußischer Landrat seines Heimatkreises Lublinitz (seit 1945 Lubliniec). In d​er Funktion a​ls Landrat führte e​r unter anderem landwirtschaftliche Abendschulen i​n den Winterhalbjahren ein, i​n denen Landwirte d​es Kreises i​n moderner Viehzucht u​nd Landwirtschaft ausgebildet wurden.[7]

Ab Jahresbeginn 1915 w​urde er d​ann zunächst a​ls hoher Verwaltungsbeamter (beim Kommando d​er Heeresverwaltung) i​m Generalgouvernement Warschau abgestellt. Dort arbeitete e​r eng m​it Bogdan Graf v​on Hutten-Czapski zusammen, d​er als v​om Kaiser eingesetzter Vermittler zwischen polnischen u​nd preußischen Interessen e​ine Wiedererrichtung d​es Königreichs Polen propagierte.[8] Danach w​urde Thaer a​ls Kreischef v​on Tschenstochau (seit 1945 Częstochowa) u​nd später a​ls Abteilungsdirigent II (Chef d​er Abteilung für Schul- u​nd Kultusangelegenheiten) eingesetzt. In dieser Funktion n​ahm er 1916 a​ls Kommissar a​n den Verhandlungen zwischen Österreich u​nd Deutschland über d​ie weitere Entwicklung d​er polnischen Universitäten teil.[9]

1916 w​urde er a​ls Landeshauptmann für d​ie Provinz Schlesien gewählt. Infolge d​er Volksabstimmung u​nd Teilung Oberschlesiens (1922) u​nd der Entscheidung d​es oberschlesischen Provinziallandtages i​m Mai 1924, s​ich von Schlesien abzutrennen, w​ar Thaer a​b dem 6. Juni 1924 Landeshauptmann v​on Niederschlesien. 1933 w​urde er n​och vor Ablauf d​er Amtszeit (1934) seines Amtes enthoben, d​a er s​ich weigerte, bewährte Landräte g​egen Vertreter d​er NSDAP auszutauschen.[10]

Gutshaus in Pawonkau, erbaut um 1800. Die Größe des Gutes betrug 1870 ca. 1.000 Hektar
Schlesischer Rotvieh-Stier. 4 Jahre alt, aus der Rotviehherde des Rittergutes Pawonkau, ca. 1910[11]

Landwirt in Pawonkau

Bis z​ur Vertreibung i​m Januar 1945 bewirtschaftete Thaer d​as eigene Rittergut Pawonkau (seit 1945 Pawonków) i​m Kreis Lublinitz, d​as sein Vater 1866 v​on der Familie d​er Grafen Blumenthal (Suckow) erworben hatte. Dort b​aute er e​ine eingetragene Rinderstammherde (schlesisches Rotvieh) s​owie eine Pferdezucht m​it Pferdestammbuch (edles Warmblut m​it Hannoveraner-Hengsten) auf.[12] In seiner Funktion a​ls Gutsbesitzer i​n Pawonkau w​ar er u​nter anderem Aufsichtsratsvorsitzender d​er Kreismolkerei s​owie Vorsitzender d​es Kreispferdezuchtvereins.

Thaer w​ar Rechtsritter d​es Johanniterordens[13], Ehrensenator d​er Friedrich-Wilhelms-Universität u​nd der Technischen Hochschule i​n Breslau, Dr. Ing. h. c. (1925) d​er technischen Hochschule, v​on 1931 b​is 1933 Senator d​er Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft u​nd Ehrenbürger d​er Städte Lublinitz u​nd Guttentag (seit 1945: Dobrodzień). Obwohl e​r selber Protestant war, übernahm e​r die m​it dem Besitz d​es Rittergutes verbundene Position d​es Patronatsherrn d​er katholischen Kirche i​n Pawonkau. Zusammen m​it seiner Frau ermöglichte e​r – vermutlich 1932 – d​em katholischen Frauenorden d​er Schwestern v​on der heiligen Elisabeth d​ie Gründung e​ines der ersten Kindergärten Oberschlesiens i​n Pawonkau.[14]

Thaer w​ar außerdem s​eit 1938 zusammen m​it seinem älteren Bruder, d​em Generalmajor Albrecht v​on Thaer (1868–1957), Eigentümer d​es Rittergutes Süsswinkel (seit 1945 Kątna) b​ei Oels (seit 1945 Oleśnica), e​ines Geschenkes i​hres Jugendfreundes Hans Merensky (1871–1952).

Einen Tag v​or dem Einmarsch d​er Roten Armee i​n Pawonkau i​m Januar 1945 f​loh Thaer m​it einem Teil d​er Pawonkauer Bevölkerung zunächst i​n das heutige Tschechien, v​on da a​us über Halberstadt n​ach Rössing (Niedersachsen) b​ei Hildesheim. Einige Monate l​ang koordinierte e​r von d​ort aus n​och Hilfsmaßnahmen für Schlesien-Flüchtlinge u​nd vertrat d​en verstorbenen schlesischen Kommendator d​es Johanniterordens.[15]

Im Winter 1946 s​tarb Georg v​on Thaer i​n einem Krankenhaus i​n Hannover. Beigesetzt w​urde er a​uf dem Friedhof i​n Rössing, i​n seinem Grab w​urde später a​uch seine Ehefrau beerdigt.

Familie

Georg v​on Thaer w​ar mit Margarethe Helene, geb. Walther-Weisbeck (1882–1961), d​er Tochter d​es königlichen Amtsrats a​uf dem Rittergut Wegeleben, August Walther-Weisbeck (1845–1925), verheiratet. Das Ehepaar h​atte vier Kinder (Jutta, Ingeborg, Hans, Jürgen). Zwei Kinder starben jung, d​er Sohn Jürgen v​on Thaer f​iel als Leutnant u​nd Zugführer a​m 29. Juni 1944 b​ei Kämpfen i​m Rahmen d​er russischen Sommeroffensive Operation Bagration i​n Bobruisk a​n der Beresina (heute Weißrussland). Die Tochter Ingeborg (* 1913) heiratete 1936 Eckard Ferdinand Flechtner, Sohn d​es Generalmajors Arthur Flechtner.

Veröffentlichungen

  • Die Klagbarkeit der Differenzgeschäfte. Dissertation an der Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Breslau, VV. 7, Nr. 14, Schletter, Breslau 1895
  • Die Provinzen Ober- und Niederschlesien, Grass, Barth & Comp. W. Friedrich, Breslau 1924
  • Die Not und die Bedeutung der gefährdeten Ostmark: Niederschlesien. In: Hannoversche Hochschulblätter, Monatsschrift für akademisches Leben und nationale studentische Arbeit, Ostmark-Sonderausgabe: Der deutsche Osten, Nr. 4, Januar 1931, Verlag Hannover O., Schriftleiter: Hans Backe, S. 58–60

Literatur

  • Robert Volz: Reichshandbuch der deutschen Gesellschaft. Das Handbuch der Persönlichkeiten in Wort und Bild. Band 2: L–Z. Deutscher Wirtschaftsverlag, Berlin 1931, DNB 453960294.
  • Bogdan Graf von Hutten-Czapski: Sechzig Jahre Politik und Gesellschaft. Band II, Verlag von E. S. Mittler und Sohn, Berlin 1936
  • M. A. Koza: Potomek słynnego agronoma. Ziemia Lublinicka, Kwartalnik Społeczno Kulturalny, Nr. 2/2008 (55), ISSN 1641-1935, S. 14
  • Jerzy Paris: Pawonków – zarys dziejów. Urząd Gminy Pawonków, Pawonków, 2005, ISBN 83-922621-0-7
  • Andrzej Siwiński: Wzorcowy majątek ziemski w Pawonkowie. Gazeta Częstochowska – Tygodnik Regionalny, Przedsiębiorstwo Wydawnicze Produkcyjne Usługowe Sp. z o.o. Częstochowa, Częstochowa, Nr. 450–479
  • Georg Stoklossa: Zum 70. Geburtstage des ehemaligen Landrats des Kreises Lublinitz, des Landeshauptmanns a.D. Dr. von Thaer. In: Heimatkalender Loben. Hrsg.: Der Landrat des Kreises Loben, Schlesien-Verlag, Breslau 1942, S. 35 ff.
  • Eberhard Willich: Nachfahrentafel von Martin Willich (1583–1633). Stand Dezember 2004, Heidelberg 2004, S. 51, 267–269
  • Landeshauptmann von Thaer. 60 Jahre. Schlesische Zeitung vom 23. September 1932, Sammelband 1932, S. 422
  • Franciszek Hawranek, Encyklopedia powstań śląskich, Instytut Śląski w Opolu, Wydaw. Inst. Śląskiego w Opolu, 1982, S. 91
Commons: Georg von Thaer – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Handbuch des Preußischen Adels. Erster Band. Berlin 1892. Herausgegeben mit Förderung des Königlichen Herolds-Amtes. S. 570f.
  2. Josef Dornhof: Landeshauptmann a. D. Dr. von Thaer, Herr auf Pawonkau – ein hochverdienter deutscher Staatsdiener. In: Loben-Guttentager Kreisblatt. 22. März 1973, Nr. 4, 18. Jahrgang
  3. Artikel: Landeshauptmann von Thaer – 60 Jahre. In: Schlesische Zeitung. September 1932
  4. Louis Lange (Hrsg.): Kyffhäuser-Verband der Vereine Deutscher Studenten. Anschriftenbuch 1931. Berlin 1931, S. 225.
  5. Georg Stoklossa: Zum 70. Geburtstage … S. 35, siehe Literatur
  6. Ausübung im Amt des Landrates bis Anfang 1915, nach Jan Fikus: Lubliniec – z dziejów miasta na górnym śląsku. Miejska Biblioteka Publiczna im. Józefa Lompy w Lublińcu, Lubliniec, 2003, S. 162
  7. Josef Dornhof: Landeshauptmann a.D. und Landrat a.D. Dr. Georg von Thaer, verkürzter Bericht, S. 261
  8. so schreibt Hutten-Czapski in seiner Autobiographie: „Bei einem Abschiedsdinner, das ich ihm (gemeint ist Georg von Thaer) gab, sprach Rektor Brudzinski ihm den Dank der Hochschule aus, beginnend mit den Worten: ‚Hochverdienter, ich möchte sagen, unser Herr Landeshauptmann‘. Das Scheiden dieses Mannes, mit dem ich vertrauensvoll zusammengearbeitet hatte, war für mich ein grosser Verlust. Ich hob in meiner Ansprache den hervorragenden Anteil Thaers an der Errichtung und Weiterentwicklung der Hochschulen hervor und gab meiner Überzeugung Ausdruck, dass die Spuren seiner Tätigkeit in vielen Generationen fortleben würden.“ (S. 258) und an anderer Stelle „Mit Freuden gedenke ich meiner Arbeit mit diesem ungewöhnlichen Mann, der bis zum heutigen Tag mein Freund geblieben ist und dessen Andenken noch jetzt in den gelehrten Kreisen Warschaus fortlebt …“ (S. 246), Bogdan Graf von Hutten-Czapski: Sechzig Jahre Politik und Gesellschaft …, siehe Literatur
  9. Bogdan Graf von Hutten-Czapski: Sechzig Jahre Politik und Gesellschaft … S. 286, siehe Literatur
  10. Seine Weigerung, Mitglied der NSDAP zu werden, bestätigt am 19. Oktober 1945 der Oberpräsident (Oberschlesien) i. R. Hans Lukaschek
  11. Gemalt von H. Sprengholz, Druck der Verlagsbuchhandlung Paul Parey, Berlin SW, Hedemannstr. 10 und 11
  12. Bescheinigung des Ferdinand Freiherr von Reitzenstein, Generalbevollmächtigter des Prinzen Hohenlohe auf Koschentin (Hohenlohe-Ingelfingen) und Leiter der landwirtschaftlichen Abteilung bei der Regierung Hannover, 9. September 1946
  13. gem. Todesanzeige
  14. Kronika S.S. Elżbietanek w Pawonkowie pow. Lubliniec, Fragment eines Tagebuchs, Eintrag vom 16. August 1932
  15. Ingeborg Flechtner: Aufzeichnungen zum Leben meines Vaters, Georg von Thaer. o. V., Wennigsen o. J.
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