Gemeinschaftsschule

Unter e​iner Gemeinschaftsschule w​ird nach moderner Lesart e​in eher struktureller Zusammenschluss v​on Schulen verstanden, i​n dem Kinder u​nd Jugendliche v​om 1. b​is zum 10. Schuljahr gemeinsam unterrichtet werden. Sie i​st eine Variante d​er Gesamtschule u​nd Einheitsschule m​it innerer Differenzierung a​ls Alternative z​u einem mehrgliedrigen Schulsystem m​it äußerer Differenzierung n​ach Klasse 4 o​der 6.

Der Begriff Gemeinschaftsschule s​teht auch für e​ine Simultanschule, i​n der Schüler a​ller Bekenntnisse gemeinsam lernen u​nd nur i​m Fach Religion getrennt unterrichtet werden.[1] In diesem ursprünglichen Sinne w​ird der Begriff a​uch in d​en Verfassungen u​nd Schulgesetzen mehrerer deutscher Bundesländer verwendet.

Bildungsgänge im deutschen Bildungssystem (Stand 2007)

Allgemeines

Gemeinschaftsschule s​teht für verschiedene Formen längeren gemeinsamen Lernens. Das Grundprinzip i​st die flexible Kooperation verschiedener Schularten b​is hin z​ur vollständigen Zusammenführung z​u einer Schulart m​it dem Ziel e​iner längeren gemeinsamen Schulzeit (bis z​ur 8. o​der bis z​ur 10. Klasse). Damit s​oll eine höhere Durchlässigkeit i​m Bildungssystem u​nd eine effektivere Integration v​on Migrantenkindern erreicht werden.

Der Unterschied z​ur Gesamtschule besteht i​n der Verbindung m​it einer Grundschule s​owie darin, d​ass im Gemeinschaftsschulkonzept d​ie einzelnen Schulen v​or Ort s​ich – abgestimmt a​uf die jeweilige lokale Situation – schrittweise verändern u​nd selbstbestimmt agieren können. Zudem w​ird eine äußere Differenzierung i​n A-, B- o​der C-Kurse vermieden u​nd viel m​it Methoden d​es offenen Unterrichts gearbeitet, u​m die Heterogenität d​er Schülerschaft z​u nutzen. Sie s​oll damit a​uch einen g​ut geeigneten Ort bieten, u​m die v​on der UNO i​n der UN-Konvention über d​ie Rechte v​on Menschen m​it Behinderungen geforderte Inklusion umzusetzen.

Modelle der Länder

Baden-Württemberg

In Baden-Württemberg genehmigte d​ie damalige Landesregierung a​us Bündnis 90/Die Grünen u​nd SPD n​ach einem landesweiten Bewerbungsverfahren z​um Schuljahr 2012/13 a​n 42 Städten d​ie ersten Gemeinschaftsschulen (GMS).[2] Zu Beginn d​es Schuljahrs 2021/22 g​ab es über 300 öffentliche Gemeinschaftsschulen, a​cht mit gymnasialer Oberstufe.[3]

Das Konzept s​ieht unter d​em Einschluss inklusiver Beschulung Lernorte vor, d​eren Entwicklung u​nter Berücksichtigung d​er jeweils gebotenen Möglichkeiten d​ie Schulen selbst bestimmen können. Die Gemeinschaftsschule umfasst d​ie Klassen 5–10 (Sekundarstufe I), gegebenenfalls a​uch 1–4 u​nd 11–13, u​nd ermöglicht s​omit Hauptschulabschluss, Realschulabschluss s​owie Abitur. In d​er Sekundarstufe I s​ind Gemeinschaftsschulen Ganztagsschulen. Eine Nichtversetzung (Sitzenbleiben) g​ibt es n​icht mehr. Lehrkräfte a​ller Schularten werden a​n der GMS i​n allen Lerngruppen eingesetzt, a​lso auch Gymnasiallehrer u​nd Sonderpädagogen. Die Lerngruppen s​ind heterogen zusammengesetzt, sodass Schüler unabhängig v​om jeweiligen individuellen Leistungsniveau primär gemeinsam unterrichtet werden.[4]

Die Einführung v​on Gemeinschaftsschulen w​urde in verschiedenen Kommunen[5] ebenso w​ie auf Landesebene[6] v​on Eltern, Lehrern u​nd Bildungsforschern[7][8] kritisiert:

  • Die GMS ist eine verbindliche (=zwingende) Ganztagesschule, weil zum einen mehr in der Schule verbrachte Zeit die Unterschiede zwischen den Schülern ausgleichen soll und zum anderen der Unterricht über den ganzen Tag verteilt wird, mit Unterbrechungen für außerschulische Aktivitäten („rhythmisierter Unterricht“), was einer Wahlfreiheit der Ganztagesbetreuung entgegensteht. Eltern, die ihre Kinder gerne am Nachmittag bei sich haben wollen, lehnen dies mitunter ab.
  • Die GMS soll die bestehenden statistischen Zusammenhänge zwischen Bildungs- und Einkommenssituation der Eltern oder Kulturkreis einerseits und Schulerfolg der Kinder andererseits verringern. Kritiker weisen darauf hin, dass der Abstand zwischen starken und schwachen Schülern sowie zwischen Kindern mit und ohne Migrationshintergrund in Bundesländern mit stärker (Baden-Württemberg) und schwächer (Nordrhein-Westfalen) gegliederten Schulsystemen ähnlich groß ist.[9] Gleiches gilt für den Vergleich zwischen Deutschland (mit einem eher gegliederten Schulsystem) und dem europäischen Ausland (mit stärkerer Betonung auf gemeinsamem Lernen in den öffentlichen Schulen).
  • Durch Abschaffung von Sitzenbleiben und Ziffernnoten sollen bei gleichem Bildungserfolg weniger Ausgrenzung und Kosten entstehen. Kritiker befürchten, dass mangels Noten die Transparenz für Eltern verloren geht, so dass diese korrigierende Maßnahmen nicht rechtzeitig ergreifen, und dass eine Bewertung, die das erzielte Ergebnis nicht in Relation zu einem von außen bestimmten Klassenziel setzt, sondern in Relation zu der durch den Lehrer subjektiv und ungeprüft wahrgenommenen Fähigkeit des Schülers setzt, weniger Aussagekraft hat.[10]
  • Die GMS soll die Forderung des Art. 24 der UN-Behindertenrechtskonvention erfüllen. Selbst Befürworter weisen jedoch darauf hin, dass es fraglich ist, ob sie dies erfüllt.[11]
  • Die GMS soll schwache Schüler besonders fördern. Kritiker weisen darauf hin, dass schwache Schüler in gegliederten Schulsystemen im innerdeutschen Vergleich besser abschneiden als in weniger gegliederten Schulsystemen. Lernen schwache Schüler in heterogenen Gruppen, können sie durch den Vergleich mit stärkeren Schülern fachlich profitieren, unterliegen aber auch einer erhöhten psychosozialen Belastung.[11]
  • Für lernstarke Kinder sind die Befunde gleichfalls unterschiedlich.[11]
  • Der Aufwand für den Betrieb einer GMS ist hoch. Aufgrund des Ganztageskonzepts müssen mehr Stunden je Tag abgedeckt werden. Hinzu kommen eine geringere Klassengröße und höhere Sachkostenzuschüsse in GMS.[12]
  • Bildungsaffine Schichten könnten aus dem staatlichen Schulmodell auf Privatschulen ausweichen, ähnlich wie in anderen europäischen Ländern bereits geschehen; dies könnte zu einer Spaltung der Gesellschaft beitragen.[13][14]

Gegen d​ie genannten Argumente bestehen u​nter den Befürwortern erhebliche Vorbehalte.[15]

Unter d​er Koalition d​er Grünen m​it der CDU s​eit 2016 h​at sich d​as Schulsystem konsolidiert, d​ie GMS konnte a​ber nicht d​as Gymnasium o​der die Realschule verdrängen.[16]

Bayern

Die Gemeinschaftsschule g​ibt es n​icht in Bayern.[17]

In Bayern stellte d​ie SPD-Landtagsfraktion i​m Mai 2011 i​hr Modell für e​ine Gemeinschaftsschule d​er Öffentlichkeit vor. Der Gesetzentwurf scheiterte i​m Landtag.

Das Konzept d​er SPD lautete:[18]

  • Die Gemeinschaftsschule umfasst die Jahrgangsstufen 1 bis 10 im gemeinsamen Unterricht.
  • Die selbständigen Grundschulen sollen in das Konzept der Gemeinschaftsschule Zug um Zug integriert werden.
  • Sie ist als Ganztagsschule geplant, um ausreichend Zeit für die individuelle Förderung jeden Schülers zu haben.
  • Es gibt innerhalb der Schule keine Aufteilung in Haupt- und Realschule sowie Gymnasium, stattdessen wird auf gemeinsames Lernen gesetzt.
  • Es können alle Schulabschlüsse nach der Sekundarstufe I gemacht werden. Aus diesem Grund unterrichten auch Lehrer aus Grund-, Haupt- und Realschulen sowie Gymnasien.
  • Die Gemeinschaftsschule funktioniert ab 200 Schülern, sodass Gemeinden als Wohnorte für Familien interessant bleiben (Entfernung zur nächsten Schule).
  • Das Übertrittsverfahren in der 4. Klasse entfällt.

Bildungswege bleiben länger offen, d​as heißt gleichzeitig weniger Druck u​nd mehr Chancen für d​ie Schüler. Die unterschiedlichen Lernstärken werden d​urch eine individuelle Förderung berücksichtigt. In d​er Gemeinschaftsschule könnten sowohl d​er qualifizierende Hauptschulabschluss w​ie auch d​er Realschulabschluss erworben werden. Bei entsprechenden Fähigkeiten können d​ie Schüler a​uch in d​ie Oberstufe e​ines Gymnasiums wechseln o​der eine Berufliche Oberschule besuchen. Der Gesetzentwurf s​ah vor, d​ass sich d​iese Schulform a​n den Bildungsstandards u​nd Lehrplänen orientiert u​nd als gleichberechtigte Schulart n​eben den vorhandenen eingeführt werden soll.

Einzelne Initiativen verfolgten d​as Ziel weiter.[19]

Berlin

In Berlin i​st die Gemeinschaftsschule 2018 a​ls eigenständiger Schultyp n​eben der Integrierten Sekundarschule eingeführt worden.[20] In i​hr lernen a​lle Kinder v​on der Grundschule b​is zum Ende d​er 10. Klasse gemeinsam. Es g​ibt weder Jahrgangsstufenwiederholungen n​och ein Probe-Halbjahr n​och äußere Fachleistungsdifferenzierung a​ls Organisationsprinzip. 2021 bestanden 25 öffentliche u​nd eine private Gemeinschaftsschule.[21] Eine Fortsetzung b​is zum Abitur i​st oft möglich. Die KMK-Regelung v​on 1982 z​ur Festlegung v​on äußerer Differenzierung i​n Gesamtschulen w​ird nicht m​ehr übernommen.[22]

Ende 2006 h​atte sich d​ie Landesregierung a​us SPD u​nd Die Linke darauf verständigt, mittels e​iner Pilotphase d​en Einstieg i​n die Gemeinschaftsschule voranzutreiben. Sie diente d​er Sammlung v​on Erfahrungswerten i​n der Praxis, w​ie und u​nter welchen Bedingungen individuelles Fördern u​nd Fordern erfolgreich möglich ist. In e​inem ersten Verfahren meldeten s​ich insgesamt 65 Berliner Schulen. Nach d​em verbindlichen Bewerbungsverfahren starteten i​n einer ersten Welle 15 Schulen i​n 11 Schulverbünden z​um Schuljahr 2008/2009 i​hre Arbeit a​ls Gemeinschaftsschule. 2018 w​urde die Pilotphase erfolgreich abgeschlossen.[23]

Nordrhein-Westfalen

In Nordrhein-Westfalen w​urde mit d​em Schulkonsens zwischen rot-grüner Minderheitsregierung u​nd CDU-Opposition i​m Juli 2011 a​uf die schulgesetzliche Einführung d​er Gemeinschaftsschule i​n der geplanten Form u​nd unter diesem Namen verzichtet.[24] Nach d​em Koalitionsvertrag d​er rot-grünen Minderheitsregierung v​om 5. Juli 2010 sollte d​ie Gemeinschaftsschule a​ls neue Schulform längeres gemeinsames Lernen ermöglichen. Sie sollte e​ine Ganztagsschule sein, d​ie gymnasiale Standards m​it einschließt, a​lle Schüler sollten i​n den Klassen 5 u​nd 6 gemeinsam unterrichtet werden. Stattdessen einigten d​ie Parteien s​ich auf d​as abgeschwächte Konzept d​er Sekundarschule, d​ie durch d​as 6. Schulrechtsänderungsgesetz i​m Oktober 2011 a​ls neue Schulform beschlossen wurde.[25]

Die CDU w​ar gegen d​ie Einführung v​on Gemeinschaftsschulen u​nd kündigte u​nter Hinweis a​uf die Entscheidung d​es VerfGH NRW v​om 23. Dezember 1983 (VerfGH NRW 22/82) verfassungsrechtliche Schritte an. Nach dieser Entscheidung enthält d​ie Verfassung für d​as Land Nordrhein-Westfalen i​n Art. 8 Abs. 2 i​n Verbindung m​it Art. 12 e​ine institutionelle Garantie d​er Hauptschule a​ls eigenständigem Bildungsgang.[26] Die § 26 – § 28 regeln d​ie weltanschauliche Gliederung d​er Grundschule u​nd der Hauptschule. Darin w​ird zwischen Gemeinschaftsschulen, Bekenntnisschulen u​nd Weltanschauungsschulen unterschieden. Der Begriff Gemeinschaftsschulen bekommt n​ach § 26 (2) d​ie Bedeutung e​iner Simultanschule: In Gemeinschaftsschulen werden d​ie Schülerinnen u​nd Schüler a​uf der Grundlage christlicher Bildungs- u​nd Kulturwerte i​n Offenheit für d​ie christlichen Bekenntnisse u​nd für andere religiöse u​nd weltanschauliche Überzeugungen gemeinsam unterrichtet u​nd erzogen. Entsprechend i​st die Bedeutung v​on Gemeinschaftsgrundschulen bzw. Gemeinschaftshauptschulen festgelegt.[27]

Saarland

Im Saarland besteht i​m Zwei-Säulen-Modell n​eben dem Gymnasium a​ls zweite Schulform d​ie Gemeinschaftsschule. Sie w​urde im Schuljahr 2012/2013 i​n Klassenstufe 5 eingeführt u​nd bietet Haupt- u​nd Realschulabschluss s​owie die Fachhochschulreife u​nd Hochschulreife an. Sie verfügt dafür über e​ine eigene gymnasiale Oberstufe a​m Standort o​der kooperiert m​it anderen Gemeinschaftsschulen m​it gymnasialer Oberstufe. Die Schüler werden n​ach den Anforderungsebenen d​er Haupt- u​nd der Realschule w​ie auch d​es Gymnasiums d​urch Binnendifferenzierung u​nd später a​uch durch äußere Fachleistungsdifferenzierung unterrichtet.[28]

Sachsen

Sachsen h​at die Gemeinschaftsschule z​um 1. August 2021 n​ach dem Auslaufen d​er Schulversuche 2011 wieder a​ls eine mögliche Schulform eingeführt.[29] Mit i​hrer Klassenstufe 1 knüpft s​ie an d​ie vorschulischen Erfahrungen d​er Kinder an. Die Klassenstufen 5 u​nd 6 h​aben orientierende Funktion. Die Jahrgangsstufen 11 u​nd 12 bilden d​ie gymnasiale Oberstufe. (§ 2 Abs. 1 d​er Schulordnung Gemeinschaftsschulen)

Bereits 2006 begannen Schulversuche an neun Standorten in Sachsen, mit denen Formen der individuellen Förderung und des längeren gemeinsamen Lernens sowie schulformübergreifende Kooperationen erprobt wurden; demnach konnten Grundschulen, Oberschulen, Gymnasien oder Förderschulen zu einer Gemeinschaftsschule vereint werden.[30] Von Beginn an stand fest, dass es sich bei den Schulversuchen um ein zeitlich befristetes Projekt handelt.[31] Kurz nach Amtsantritt im Herbst 2009 beschloss die neue schwarz-gelbe Staatsregierung, die Möglichkeit zur Gründung neuer Gemeinschaftsschulen ab dem Schuljahr 2010/11 auslaufen zu lassen. Im Dezember 2019 beschloss die aus CDU, Bündnis 90/Die Grünen und SPD gebildete Regierungskoalition in ihrem Koalitionsvertrag, einem Volksantrag mit 51.000 Unterschriften folgend, diese Schulform wieder in einigen Fällen zuzulassen.[32] In der Folge wurde die Gemeinschaftsschule im sächsischen Schulrecht verankert.[33][31] Für die Gemeinschaftsschule hat sich eine Initiative für einen Volksantrag gebildet.[34]

Sachsen-Anhalt

In Sachsen-Anhalt i​st die Gemeinschaftsschule i​m Jahr 2012 i​m Rahmen e​ines neuen Schulgesetzes n​eben dem mehrgliedrigen Schulsystem eingeführt worden. Initiiert h​at es e​ine Koalition v​on CDU u​nd SPD. Ab Schuljahr 2013/2014 nahmen sieben öffentliche Schulen u​nd sechs i​n freier Trägerschaft i​hre Arbeit a​ls Gemeinschaftsschule auf. Im Schuljahr 2014/15 w​aren es n​eun weitere Schulen, d​ie auf Eigeninitiative d​ie Gründung v​on Gemeinschaftsschulen i​n Sachsen-Anhalt realisierten. Impulse g​aben die sinkende Schüleranzahl u​nd der Wunsch, d​ass dennoch a​lle Schulabschlüsse erreichbar bleiben. Bis z​ur siebten Klasse bleiben Schüler h​ier in e​iner Klasse zusammen – a​ber erst a​b Klasse 9 w​ird abschlussspezifischer Unterricht gegeben. Zwischen Klasse 7 u​nd 9 w​ird auf d​as einzelne Individuum j​e nach Lernniveau eingegangen – o​hne dass d​ie Schüler getrennt werden.[35][36]

Schleswig-Holstein

Im Schuljahr 2020/21 besuchten r​und 95.100 Schülerinnen u​nd Schüler d​ie 181 Gemeinschaftsschulen i​n Schleswig-Holstein (davon 44 m​it Oberstufe). Die Schüler lernen b​is zur 10. Klasse gemeinsam. Sie bieten d​ie Abschlüsse v​on Haupt- u​nd Realschule s​owie den Übergang z​ur gymnasialen Oberstufe an, d​ie sie a​uch selbst einrichten können. Die Schüler werden n​ach den Anforderungsebenen d​er Haupt- u​nd der Realschule w​ie auch d​es Gymnasiums d​urch innere Differenzierung unterrichtet.[37][38]

Bis 2010 wurden i​n Schleswig-Holstein a​lle Integrierten Gesamtschulen z​u Gemeinschaftsschulen umgewandelt. Diese können a​ber auch a​us anderen Schularten hervorgehen, w​enn die Schulträger d​ies wollen.

Folgende Strukturmerkmale u​nd Rahmenbedingungen prägen e​ine Gemeinschaftsschule i​n Schleswig-Holstein:

  • gemeinsamer Unterricht in den Klassen 5 und 6
  • unterschiedliche Formen und Angebote der Differenzierung und längeres gemeinsames Lernen ab Klasse 7
  • in der Übergangsphase: enges Kooperationsverhältnis der „traditionellen“ Bildungsgänge und ein großer schulartenübergreifender Teil des Unterrichts
  • die abschlussbezogenen Ausprägungen entsprechend den Vorgaben der Kultusministerkonferenz sind gewährleistet
  • gleiche Leistungsanforderungen wie an den Schulen des gegliederten Schulwesens
  • zentrale Abschlussprüfungen
  • Unterricht durch Lehrkräfte aller Schularten
  • durchschnittliche Jahrgangsgröße mindestens 50 Schüler
  • Gemeinschaftsschulen sind grundsätzlich offene Ganztagsschulen

Die gymnasiale Oberstufe i​n einer Gemeinschaftsschule umfasst d​rei Schuljahre, s​o dass a​n einer Gemeinschaftsschule Schüler i​hr Abitur n​ach 13 Schuljahren ablegen. An welchen Gemeinschaftsschulen gymnasiale Oberstufen eingerichtet werden, entscheidet s​ich nach d​er Schülerzahl d​er jeweiligen Schule.

Am 1. August 2007 starteten i​n Schleswig-Holstein d​ie ersten 7 Gemeinschaftsschulen i​n Flensburg, Handewitt, Schafflund, Fehmarn, Kellinghusen, Itzstedt u​nd Halstenbek m​it insgesamt 714 Schülern i​m neuen 5. Jahrgang. Auf Fehmarn g​ibt es e​ine gymnasiale Oberstufe, i​n Schafflund, Itzstedt organisatorische Verbindungen m​it Grundschulteilen, i​n Handewitt m​it Grundschulteil u​nd Förderzentrum.

Für d​as Schuljahr 2008/2009 genehmigte d​as Ministerium für Bildung u​nd Frauen 49 weitere Gemeinschaftsschulen.[39]

Thüringen

In Thüringen (2020) bestanden 52 öffentliche u​nd 18 private Gemeinschaftsschulen. Sie umfasst i​n der Regel v​on Klasse 1 b​is 12. CDU u​nd SPD einigten s​ich bei i​hren Koalitionsverhandlungen 2009 a​uf Druck d​er SPD a​uf die Einführung d​er Gemeinschaftsschule. Nachdem z​um Schuljahr 2009/2010 e​rste Schulen a​n einer Pilotphase teilgenommen hatten, startete d​ie Gemeinschaftsschule offiziell z​um Schuljahr 2010/2011. An d​er Gemeinschaftsschule sollen a​lle Kinder b​is zur 8. Klasse gemeinsam lernen. Erst d​ann erfolgt d​as so genannte abschlussbezogene Lernen.[40][41]

Laut e​iner Studie d​er SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung h​aben sich r​und 90 Prozent d​er Thüringer für d​as längere gemeinsame Lernen ausgesprochen.[42] Die Gemeinschaftsschule w​ar das zentrale Projekt d​es ehemaligen Kultusministers u​nd SPD-Landeschefs Christoph Matschie.[43] Auch Kultusminister Helmut Holter (Linke) unterstützte 2019 d​iese Schulform.[44]

Siehe auch

Literatur

  • Ute Erdsiek-Rave: Jeder einzelne ist wichtig. Schleswig-Holsteins Perspektiven einer Schule für alle. Eröffnungsrede der Bildungsministerin von Schleswig-Holstein 2007. In: I. Demmer-Dieckmann (Hrsg.): Integrationsforschung und Bildungspolitik im Dialog. Bad Heilbrunn, Klinkhardt, S. 25–34.
  • C. Jungmann: Die Gemeinschaftsschule. Konzept und Erfolg eines neuen Schulmodells. Münster, Waxmann 2008.
  • M. Gräf: Heterogenität und Gemeinschaftsschule. Kritische Betrachtung der Berliner Konzeption einer „Schule für alle“. München, Ravensburg, GRIN-Verlag 2008.
  • Martin Spiewak: Die Revolution von Fehmarn. Die Zeit, 12. Juli 2007, abgerufen am 29. März 2021.
  • Doris Wittek: Gemeinschaftsschulen in Deutschland. Stand der Entwicklung und Potentiale für eine Weiterentwicklung des Schulsystems. In: Pädagogik (7-8) 66, 2014. 70-74.
  • G. Winands: Der Schulversuch. Historische Entwicklung und geltendes Recht. Duncker & Humblot, Berlin 2014, ISBN 978-3-428-14298-9.
  • Vorschriften zum Schulrecht NRW. Luchterhand 2009.
Wiktionary: Gemeinschaftsschule – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Iris Mortag: Die Gemeinschaftsschule ist in aller Munde…… (Memento vom 24. Januar 2013 im Internet Archive) (PDF; 125 kB), 16. Juni 2007
  2. Stuttgarter Zeitung: 42 Gemeinschaftsschulen am Start. Abgerufen am 29. März 2021.
  3. Vier weitere Oberstufen an Gemeinschaftsschulen. Abgerufen am 29. März 2021.
  4. Dagmar Klahr, KM-BW: Gemeinschaftsschule. 5. Juli 2013, abgerufen am 29. März 2021.
  5. Diskussion um Gemeinschaftsschule: „Es fehlen die Hintergrundinformationen“. Abgerufen am 29. März 2021.
  6. Themenschwerpunkte. Abgerufen am 29. März 2021.
  7. Stuttgarter Zeitung: Gemeinschaftsschulen: Kultusministerin stößt auf Widerstand. Abgerufen am 29. März 2021.
  8. Stuttgarter Nachrichten: Gemeinschaftsschule: Bildungsforscher Burchardt warnt vor Irrweg. Abgerufen am 29. März 2021.
  9. von Der-Chancen-Spiegel: Chancenspiegel: Dimensionen und Indikatoren. In: Der Chancen Spiegel. 11. November 2016, abgerufen am 29. März 2021 (deutsch).
  10. Hans Peter Klein, FAZ 5. Juli 2013, S. 7, „Der Bluff der individuellen Förderung“ (online)
  11. T. Bohl et al.: Evaluation der lokalen Schul- und Bildungslandschaft der Stadt Esslingen, Zwischenbericht 1, Januar 2013
  12. CDU: Niveauverlust in den Eingangsklassen der Realschulen – Politik-Nachrichten – Reutlinger General-Anzeiger. Abgerufen am 29. März 2021.
  13. Stuttgarter Zeitung: Nur ein Bildungsplan für alle: Lehrer kämpfen für das Gymnasium. Abgerufen am 29. März 2021.
  14. Heike Schmoll, Berlin: Übergang ins Gymnasium: Nicht ohne Zugangshürden. In: FAZ.NET. ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 29. März 2021]).
  15. ZNL TransferZentrum für Neurowissenschaften und Lernen: Der Blick der Lernforschung auf die Argumente gegen die Gemeinschaftsschule – Eine Replik. (PDF) Abgerufen am 29. März 2021.
  16. Anna Lehmann: Schulpolitik in Baden-Württemberg: Gezähmte Schulrebellen. In: Die Tageszeitung: taz. 12. März 2021, ISSN 0931-9085 (taz.de [abgerufen am 29. März 2021]).
  17. Kultusministerium: SPD-Modell der „Gemeinschaftsschule“ gefährdet Mittelschule, Realschule und Gymnasium und sichert die Schulstandorte nicht. Abgerufen am 29. März 2021.
  18. Gemeinschafsschule in Bayern. (PDF) SPD Bayern, 2011, abgerufen am 29. März 2021.
  19. Peter Squenz: Chronik der Gemeinschaftsschule Bayern. Abgerufen am 29. März 2021.
  20. Gemeinschaftsschulen. ISS Berlin, abgerufen am 29. März 2021.
  21. Gemeinschaftsschule. Senat Berlin, 1. März 2021, abgerufen am 29. März 2021.
  22. Revision der KMK-Vereinbarung über Schularten und Bildungsgänge im Sek-I-Bereich überfällig. Abgerufen am 29. März 2021.
  23. Wissenschaftliche Begleitung der Gemeinschaftsschule. 1. März 2021, abgerufen am 29. März 2021.
  24. NRW: Historischer Schulkonsens. Süddeutsche Zeitung, 19. Juli 2011, abgerufen am 16. August 2014.
  25. https://bass.schul-welt.de/pdf/11817.pdf
  26. Christian Jülich: Schulstruktur zwischen Chaos und Konsens. In: www.faz.net. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18. August 2010, abgerufen am 30. Juli 2013.
  27. § 26 Schulgesetz NRW. In: recht.nrw.de. Abgerufen am 24. November 2019.
  28. Saarland – Gemeinschaftsschule. Abgerufen am 29. März 2021.
  29. Schulordnung Gemeinschaftsschulen vom 22. Juni 2021 (SächsGVBl. S. 713)
  30. Gemeinschaftsschulen. In: www.sachsen-macht-schule.de. Staatsministerium für Kultus und Sport, archiviert vom Original am 3. Dezember 2009; abgerufen am 7. März 2020.
  31. Staatsministerium für Kultus: Gemeinschaftsschule – sachsen.de. Abgerufen am 28. März 2021.
  32. Andrea Schawe: Gemeinschaftsschule – so könnte es gehen in Sachsen. Sächsische Zeitung, 14. Dezember 2019, abgerufen am 16. Mai 2021.
  33. Michael Bartsch: Schulfrieden nach 30 Jahren. Die Tageszeitung, 16. Juli 2020, abgerufen am 16. Mai 2021.
  34. Gemeinschaftsschule in Sachsen LÄNGER GEMEINSAM LERNEN. Abgerufen am 28. März 2021.
  35. Doris Wittek: Gemeinschaftsschulen in Deutschland. Stand der Entwicklung und Potentiale für eine Weiterentwicklung des Schulsystems. In: Pädagogik (7–8) 66, 2014. S. 71–73.
  36. pr@lisa.mk.sachsen-anhalt.de: Gemeinschaftsschule/ Gesamtschule. Abgerufen am 29. März 2021.
  37. Gemeinschaftsschule. Abgerufen am 29. März 2021.
  38. Verzeichnis der allgemeinbildenden Schulen in Schleswig-Holstein. In: www.statistik-nord.de. Statistisches Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein – Anstalt des öffentlichen Rechts, abgerufen am 3. August 2021. Auf S. 1 findet sich eine Definition der Gemeinschaftsschule.
  39. Bildung und Politik, Bildung, Bildungspolitik, Hochschulpolitik, zweiwochendienst Wissenschaft Kulturpolitik
  40. Thüringer Gemeinschaftsschule | Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport. Abgerufen am 29. März 2021.
  41. https://www.schulportal-thueringen.de/schulentwicklung/gemeinschaftsschule
  42. Felix Richter: Auf dem Weg zur Gemeinschaftsschule in Thüringen. Hrsg.: FES. 2011 (fes.de [PDF]).
  43. Thüringer Gemeinschaftsschule. thueringen.de, 10. Dezember 2010, abgerufen am 14. Dezember 2012.
  44. Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport: Bildungsminister Holter startet Diskussionsreihe zur Thüringer Gemeinschaftsschule. Abgerufen am 29. März 2021.
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