Friedrich Wilhelm Kraemer
Friedrich Wilhelm Kraemer (* 10. Mai 1907 in Halberstadt; † 18. April 1990 in Köln) war ein deutscher Architekt und Hochschullehrer.
Mit Walter Henn und Dieter Oesterlen begründete er die „Braunschweiger Schule“, eine in den 1950er und 1960er Jahren angesehene Architekturausbildung.
Leben
In den Jahren 1925 bis 1929 studierte Friedrich Wilhelm Kraemer Architektur in Braunschweig und Wien und war von 1929 bis 1935 Assistent am Lehrstuhl von Carl Mühlenpfordt in Braunschweig. Mühlenpfordt beeinflusste Kraemers Verständnis von Architektur bleibend.
Friedrich Wilhelm Kraemer besaß in den Jahren 1935 bis 1940 ein Architekturbüro in Braunschweig und arbeitete als freier Architekt unter anderem mit der Firma Munte Bauunternehmen zusammen. 1939 wurde er zum offiziellen Vertrauensarchitekten der Deutschen Arbeitsfront bestellt und zugleich Kreisreferent des Amtes für Schönheit der Arbeit. Er plante zahlreiche Bauten für Industrie- und Rüstungsbetriebe, darunter auch ein Zwangsarbeiter-Lager für die Büssing Flugmotorenwerke und eine „Entlausungsanstalt“ für Zwangsarbeiter in der zu Büssing gehörenden NIEMO.[2] Sein im Jahr 1940 angetretener Kriegsdienst endete mit einer Kriegsverletzung im Jahr 1944.
1945 wurde er promoviert. Dissertationsthema war „Die Theaterbauten und Theaterplanungen von Peter Joseph Krahe und Theodor Ottmer“.[3]
Ab dem Jahr 1945 war er Oberbaurat der Stadt Braunschweig und ab 1946 ordentlicher Professor für Gebäudelehre und Entwerfen an der TH (heute TU) Braunschweig. Seit 1947 war er Mitglied der Braunschweigischen Wissenschaftlichen Gesellschaft.
Seine ab dem Jahr 1945 entstandenen Bauten zeichnen sich durch eine strenge Formensprache und eine sachliche aber elegante Funktionalität aus und machen ihn zu einem der wichtigsten Braunschweiger Architekten des 20. Jahrhunderts, und, neben Egon Eiermann und Sep Ruf, einem der einflussreichsten deutschen Architekturproduzenten im Zeichen des Wirtschaftswunders.
Mit Günter Pfennig und Ernst Sieverts betrieb er 1960–1974 die Büropartnerschäft Prof. Kraemer – Pfennig – Sieverts (KPS), mit Sieverts und anderen Partnern 1975–85 Prof. Kraemer Sieverts & Partner (KSP). Seine Büros in Braunschweig und Köln beschäftigten Anfang der 1960er Jahre über 170 Personen und erhielten zahlreiche Preise und Auszeichnungen.
Friedrich Wilhelm Kraemer engagierte sich auch in der Denkmalpflege und war beim Wiederaufbau des Braunschweiger Gewandhauses und an der Umgestaltung der Bibliotheca Augusta und des Zeughauses in Wolfenbüttel beteiligt.
Er wurde im Jahr 1974 emeritiert, nach dem Umzug nach Köln 1975 beendete er 1985 seine aktive Architektentätigkeit. Sein Sohn Kaspar Kraemer trat daraufhin in die Partnerschaft ein und nutzt das Haus Am Römerturm 3, eins der letzten Aufbauwerke seines Vaters.
Bauten (Auswahl)
- 1936–1941: Niedersächsische Motorenwerke in Braunschweig
- 1937: Haus Kraemer in Braunschweig
- 1950–1951: NWDR-Funkhaus in Hannover
- 1950–1955: Oberschule Wolfsburg, heute Ratsgymnasium (Wolfsburg)
- 1951–1952: Geschäftshaus Pfeiffer & Schmidt in Braunschweig
- 1953–1954: Warenhaus Flebbe in Braunschweig
- vor 1955: Erweiterung des VW-Reparaturwerkes der Max Voets GmbH in Braunschweig[4]
- 1955–1956: Rolleiflex Werkstattgebäude VIII und IX, Braunschweig
- 1955–1956: Clausewitz-Kaserne in Nienburg/Weser
- 1956/57: Versicherungshaus Am Wall 128/134 in Bremen
- 1957–1958: Unterharzer Berg- und Hüttenwerke in Goslar
- 1958: Auditorium maximum der TH Braunschweig[5]
- 1956–1959: Aufbau- und Abendgymnasium in Dortmund, Fritz-Kahl-Straße[5]
- 1958–1960: Jungferntal-Schule in Dortmund[5]
- 1960–1961: Iduna-Hochhaus am Servatiiplatz in Münster[5]
- 1955–1963: Jahrhunderthalle Farbwerke Hoechst AG in Frankfurt am Main
- 1961–1963: Iduna-Hochhaus in Essen, später GFKL, seit 2016 Magna Tower
- 1963: Nordwestdeutscher Rundfunk, heute NDR Landesfunkhaus in Hannover
- 1959–1964: Hauptverwaltung der Stadtsparkasse Düsseldorf in der Berliner Allee (Düsseldorf)
- 1960–1964: Landeszentralbank in Düsseldorf[5]
- 1963–1965: Wohnhaus Roedenbeck in Braunschweig (mit Reinhard Schulze)[6]
- 1963–1966: Studiobühne / Sechseckbau der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel am Westring in Kiel[7]
- 1965: Verwaltungsbau der Preussag AG am Lützowplatz in Berlin (heute Sitz der Stiftung Warentest)[1]
- 1965–1966: Hörsaalgebäude der Universität Münster am Hindenburgplatz
- 1966: Hauptverwaltung der DKV Deutsche Krankenversicherung in Köln[5]
- 1967: Atrium-Hotel und Bahnhofsvorplatz in Braunschweig
- 1968–1971: BP-Hauptverwaltung in Hamburg
- vor 1968: Simonbank in Düsseldorf (mit Ernst Sieverts und Günter Pfennig)[5]
- vor 1970: Verwaltungsgebäude der IDUNA-Versicherungen in Essen (mit Ernst Sieverts und Günter Pfennig)[5]
- vor 1971: Büro- und Geschäftshaus der IDUNA-Versicherungen in Gelsenkirchen (mit Ernst Sieverts und Günter Pfennig)[5]
- 1970: Universitätsbibliothek Braunschweig
- 1960–1980: Umbau und Sanierung der Herzog August Bibliothek, des Lessinghauses und des Zeughauses in Wolfenbüttel
- 1972–1974: Wiederaufbau des kriegszerstörten Wohnhauses Am Römerturm 3 in Köln
- vor 1973: Staatliche Ingenieurschule für Maschinenwesen in Gelsenkirchen-Buer (mit Ernst Sieverts und Günter Pfennig)[5]
- 1973–1976: Studentendorf Schlachtensee, Berlin
- 1978–80: Verwaltungsgebäude der Rheinenergie, Parkring 24, Köln[8]
Literatur
- J. Herrenberger: Festgruß (zum 65. Geburtstag Friedrich Wilhelm Kraemers). In: Der Freundeskreis. Heft 65/1972, S. 7–8.
- Kraemer, Sieverts & Partner: Bauten und Projekte. Karl Krämer Verlag, Stuttgart 1983. ISBN 3-7828-1468-1. (Inhaltsverzeichnis, PDF-Datei; 159 kB)
- Roland Böttcher, Kristiana Hartmann, Monika Lemke-Kokkelink: Die Architekturlehrer der TU Braunschweig 1814–1995. Stadtarchiv und Stadtbibliothek Braunschweig, Braunschweig 1995, S. 100–103. ISBN 3-87884-046-2.
- Holger Pump-Uhlmann: Wiederaufbau und Ausbau der Hochschule nach 1945. In: Walter Kertz (Hrsg.): Technische Universität Braunschweig. Vom Collegium zur Technischen Universität; 1745–1995. Hildesheim, Zürich, New York 1995, S. 733–779. ISBN 3-487-09985-3. (Inhaltsverzeichnis, PDF-Datei; 71 kB)
- Wolfram Hagspiel: Das „St.-Claren-Viertel“ – seine bauliche und städtebauliche Entwicklung bis zur Gegenwart. In: Am Römerturm. Zwei Jahrtausende eines Kölner Stadtviertels. Köln 2006. ISBN 3-927396-99-0.
- Karin Wilhelm, Olaf Gisbertz, Detlef Jessen-Klingenberg, Anne Schmedding (Hrsg.): Gesetz und Freiheit. Der Architekt Friedrich Wilhelm Kraemer 1907–1990. Jovis, Berlin 2007. ISBN 978-3-939633-17-4.
- Olaf Gisbertz: Idee und Aufgabe – Zum Werk von Friedrich Wilhelm Kraemer an Rhein und Ruhr. In: INSITU. Zeitschrift für Architekturgeschichte 3 (1/2011), S. 119–132.
- Detlef Jessen-Klingenberg: Friedrich Wilhelm Kraemer (1907-1990), Architekt, Hochschullehrer. In: Braunschweiger Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts. Hrsg. v. Arbeitskreis Andere Geschichte e.V. Döring, Braunschweig 2012, S. 158–161. ISBN 978-3-925268-42-7.
Weblinks
- Gesetz und Freiheit. Der Architekt Friedrich Wilhelm Kraemer 1907-1990. 11.05.-12.08.07 im BLM Ausstellungszentrum Hinter Aegidien. (Nicht mehr online verfügbar.) Technische Universität Braunschweig, Fachgebiet gtas, archiviert vom Original am 10. Juni 2007; abgerufen am 4. März 2017 (Webseite zur Ausstellung zum hundertsten Geburtstag Kraemers).
- Friedrich Wilhelm Kraemer auf kuenstlerdatenbank.ifa.de
- Friedrich Wilhelm Kraemer. In: archINFORM.
- Jan Lubitz: Friedrich Wilhelm Kraemer auf Architekten-portrait.de
- The Grove Dictionary of Art: Friedrich Wilhelm Kraemer auf artnet.com
- kritischer Artikel über Kraemers Verkehrskonzept für die Stadt Braunschweig auf newsclick.de
- Werkverzeichnis (PDF; 87 kB) auf mai-nrw.de
Einzelnachweise
- Video: Das Stiftung-Warentest-Gebäude im Wandel der Zeit test.de vom 23. Dezember 2014
- Arne Schmitt: Verflechtungen. Archiviert vom Original am 2. April 2016; abgerufen am 23. Juli 2018.
- Friedrich Wilhelm Kraemer. In: archINFORM; abgerufen am 13. August 2010.
- Der Baumeister. Jahrgang 1955, Heft 9.
- Eintrag in der NRW-Architekturdatenbank
- Werkeverzeichnis, abgerufen am 12. Juni 2016
- Studiobühne / Sechseckbau. In: Kunstgeschichte (Kunsthistorisches Institut). (uni-kiel.de [abgerufen am 19. September 2018]).
- Amt für Wirtschafts-, Mittelstands- und Verkehrsförderung und Verkehrsamt der Stadt Köln (Hrsg.): Wirtschaftsarchitektur in Köln. Köln 1985, S. 24.