Frettchen
Das Frettchen (Mustela putorius furo), auch Frett (von frz. furet, spätlat. furetus, zu lat. fur „Dieb“)[1] ist die domestizierte Form der Mustela-Untergattung Putorius (Iltisse). Es stammt mit hoher Wahrscheinlichkeit vom Europäischen Iltis (Mustela putorius) ab. Weitere Vermutungen geben dem Steppeniltis eine Rolle bei der Entwicklung des Frettchens.
Frettchen | ||||||||||||
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Frettchen (Fähe mit Iltis-Farbschlag) | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Mustela putorius furo | ||||||||||||
(Linnaeus, 1758) |
Merkmale
Das männliche Tier (Rüde) hat eine Körperlänge zwischen 48 und 80 cm, wobei 13 bis 19 cm auf den Schwanz entfallen. Beim weiblichen Tier (Fähe) beträgt die Körperlänge zwischen 42 und 60 cm, hier entfallen etwa 11 bis 14 cm auf den Schwanz. Das weibliche Tier bleibt damit deutlich kleiner als das männliche.
Die Rüden erreichen ein Gewicht von 800 bis weit über 2000 g. Fähen werden ca. 600 bis 1000 g schwer. Der Unterschied zwischen dem Sommer- und Wintergewicht kann ein Drittel ihres Gesamtgewichts betragen, wobei sich die Gewichtsunterschiede mit zunehmendem Alter verringern.
Die Fellgrundfarbe der Tiere ist überwiegend weißlich-gelb.[2] Die unterschiedlichen Farbschattierungen der einzelnen Tiere sind Zuchtformen, auch diejenigen, die der Farbgebung der Wildform entsprechen, außerdem gibt es eine Albinoform.[3]
Lebenserwartung und Krankheiten
Frettchen werden etwa sieben bis zehn Jahre alt,[4] in seltenen Fällen auch älter. Als hauptsächliche Todesursache treten Tumoren auf, zum Beispiel in der Nebenniere, als Insulinom oder an weiteren Organen. Der Grund wird zum einen in der unkontrollierten Zucht gesucht, in der außergewöhnliche Farben oftmals wichtiger als die Gesundheit der Tiere sind, zum anderen scheinen veränderte Lebensumstände (Innenhaltung, Fütterung, Kastration) ihren Teil dazu beizutragen. So lassen Studien in den USA vermuten, dass Nebennieren-Tumoren verstärkt bei Tieren aus Innenhaltung auftreten, die einen unregelmäßigen und demnach unnatürlichen Lichtzyklus erleben. Nach Kastrationen kann bei Frettchen eine Nebennierenerkrankung auftreten.
Ernährung
Frettchen sind Fleischfresser, die durch ihre anatomischen Besonderheiten des Magen-Darm-Traktes eine Sonderstellung innerhalb der Ordnung der Raubtiere einnehmen. Frettchen fehlt der Blinddarm, in dem zellulosehaltige Nahrung verdaut werden könnte, und sie verfügen nur über einen sehr kurzen Dickdarm. Die Dickdarmlänge des Frettchens beträgt nur ca. 5 Prozent der Gesamtlänge des Magen-Darm-Traktes, während zum Beispiel bei Hund und Katze die Dickdarmlänge etwa 20 Prozent der Gesamtlänge des Magen-Darm-Traktes beträgt. Beim Frettchen durchläuft die aufgenommene Nahrung den kompletten Verdauungstrakt in drei bis vier Stunden.
Bedingt durch diese kurzen Verdauungszeiten bleibt dem Organismus nicht viel Zeit, die aus dem Futter aufgespalteten Nährstoffe aufzunehmen. Frettchen benötigen daher eine Ernährung, die zu 80 Prozent aus tierischem und nur zu 20 Prozent aus pflanzlichem Protein besteht, wobei der Bedarf an pflanzlichem Protein durch den Mageninhalt der Futtertiere oder in der Heimtierhaltung durch die im Trockenfutter enthaltenen pflanzlichen Inhaltsstoffe gedeckt wird. Um die mögliche Ansteckung mit der für Frettchen tödlichen Aujeszkyschen Krankheit zu vermeiden, sollte kein rohes Schweinefleisch gefüttert werden.
Geschichte
Schon die Griechen kannten das Frettchen,[5] ohne dass sie selbst diese Tiere hielten. Aristophanes erwähnte die Frettchen (ἰκτῖδας ἐνύδρως) in den Acharnern.[6] In der jüngeren Hälfte des 4. vorchristlichen Jahrhunderts fand das Frettchen (die ἰκτίς) bei Aristoteles Erwähnung als Helfer bei der Frettchenjagd.[7] Aristoteles beschrieb die Vorliebe dieser Tiere für Honig und Vögel. Im 5. Jahrhundert n. Chr. finden sich weitere griechische Belege in den Kompilationen von Johannes Stobaios.
Im ersten nachchristlichen Jahrhundert latinisiert Plinius der Ältere den griechischen Namen zu ictis[8] und überliefert unter dem Namen viverra (nat. 8,218) die Bekämpfung einer Kaninchenplage durch die Römer mit Hilfe der Frettchen. Neben ictis und viverra findet sich die Bezeichnung furo,[9] die allerdings auch für Iltis und Marder verwendet wird, so in der Enzyklopädie etymologiae des Isidor von Sevilla. Dieser Wortstamm wird für die wissenschaftliche Nomenklatur verwendet.
Eine genaue naturkundliche Beschreibung bietet erst Thomas von Cantimpré[10] im 13. Jahrhundert. In einer Miniatur des Queen Mary Psalters (frühes 14. Jahrhundert) ist eine Frettchenjagd mit Jägerinnen dargestellt.
Mithilfe dieser geschichtlichen Anhaltspunkte werden die Anfänge der Domestikation des Fretts im Mittelmeerraum aus spanischen oder ägyptischen Iltis-Populationen vor 2500 Jahren[11] vermutet.
Ein Lexikon aus dem 19. Jahrhundert gibt an, dass „das Frett nur im nördlichen Afrika wild angetroffen wird“. Von dort habe es sich über Spanien und Italien in ganz Europa verbreitet.[2]
Haltung
Durch intensiven Kontakt mit Menschen können Frettchen sehr zahm werden. Heutzutage werden Frettchen vorwiegend als Heimtier gehalten. Sie benötigen viel Platz, Zeit und eine ausgewogene Ernährung. Frettchen schlafen etwa 14 bis 18 Stunden pro Tag, aber nicht am Stück.
Werden sie nicht zur Zucht eingesetzt, werden Frettchen üblicherweise kastriert. Andernfalls können Fähen in die Dauerranz[12] kommen, wodurch der Hormonhaushalt dauerhaft gestört wird. Dies kann zum frühzeitigen Tode führen. Rüden hingegen werden zum Teil sehr aggressiv und markieren ihr Revier. Außerdem haben unkastrierte Frettchen, vergleichbar mit anderen unkastrierten Tieren, einen starken Eigengeruch, weshalb eine Wohnungshaltung nur bei kastrierten Frettchen zu empfehlen ist.
Als Alternative zur chirurgischen Kastration ist bei Rüden in der EU seit 2007 die Behandlung mit Deslorelin (Suprelorin), einem Gonadoliberin-Agonisten (Gonadotropin-Releasing-Hormon-Agonist, GnRH1-Agonist) zugelassen („chemische Kastration“). Das Implantat mit 9,4 mg Deslorelin entfaltet nach 5 bis 14 Wochen seine Wirkung, die 16 Monate anhält.[13]
Frettchen gehören zu den Haustieren, für die beim Grenzübertritt innerhalb der EU ein EU-Heimtierausweis mitgeführt werden muss, und die zur Identifizierung einen Chip implantiert haben müssen.
Nutzung
Zu Jagdzwecken, ihrer ursprünglichen Verwendung als Heimtier, werden Frettchen heute eher selten eingesetzt. Wenn sie zur Jagd eingesetzt werden, dann oft in Verbindung mit der Falknerei. Diese Form der Jagd heißt Frettieren. Die Frettchenjagd ist wie jede andere Form der Jagd in Deutschland nach dem Bundesjagdgesetz nur mit Jagdschein erlaubt.[14]
Frettchen werden in der medizinischen Forschung für Tierversuche eingesetzt, etwa bei Laborexperimenten zu dem gefährlichen Influenza-A-Virus H5N1 und einer neuen Influenza-A-Virus H7N7-Variante,[15][16] da sie bezüglich Influenza als Modellorganismus für den Menschen gelten.[17][18]
Freilebende Tiere
In manchen Gegenden, in denen es genügend kleine Beutetiere und keine wilden Iltisse gibt, sind Frettchen entlaufen und zu Wildtieren geworden, beispielsweise auf Sardinien, Sizilien oder auch Neuseeland. Die ausgewilderten Tiere haben in Neuseeland einen derartigen Schaden in der dort ansässigen Fauna angerichtet, dass die private Haltung von Frettchen verboten wurde.
Es ist allerdings nicht erwiesen, dass es sich bei den dortigen Tieren wirklich um Frettchen und nicht um wieder eingekreuzte Hybriden handelt, da gleichzeitig mit den Frettchen auch europäische Iltisse in Neuseeland freigelassen wurden. Grundsätzlich wird davon ausgegangen, dass Frettchen keine eigenen Wildbestände aufbauen, sondern sich höchstens mit örtlich ansässigen Iltissen vermengen.[19] Dies ist auch ein wichtiges Argument gegen das teilweise erlassene Verbot von Frettchen in einigen Staaten der USA wie Kalifornien.
In Deutschland haben ausgesetzte Frettchen kaum Überlebenschancen. Aufgrund ihres kurzen Darmes müssen sie alle zwei bis drei Stunden Beute in Form einer Maus oder ähnlich großer Beutetiere machen. Der noch vorhandene Jagdinstinkt reicht meistens nicht zum Überleben aus.
Literatur
- Gisela Henke: Das Frettchen als Haustier in der Kleintiersprechstunde. Graphische Werkstätten, Zittau 2006, ISBN 3-929744-16-3.
- Kim Schilling: Frettchen für Dummies. mitp, Bonn 2004, ISBN 3-527-70156-7.
- Martin Ullrich: Quirlige Frettchen. Kosmos, Stuttgart 2004, ISBN 978-3-440-09068-8.
Weblinks
- Merkblatt für Tierhalter-Frettchen. Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz (TVT), 2014, abgerufen am 20. März 2016.
Einzelnachweise
- Wahrig, Dt. Wörterbuch, 9. Aufl. 2011
- Allgemeine deutsche Real-Encyclopedie für die gebildeten Stände. Conversations-Lexikon in fünfzehn Bänden. F. A. Brockhaus, Leipzig 1853. Hier: Band 6, Seite 357
- Der Brockhaus in zehn Bänden. Band 3, Seite 1917. F. A. Brockhaus, Leipzig 2005. ISBN 3-7653-2453-1
- Michael Fehr, Anja Ewringmann, Martina Warschau: Frettchen: Heimtier und Patient, Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2014, S. 46
- Vgl. dazu die Kurzartikel Iltis und Frettchen von Christian Hünemörder in: Der Neue Pauly. Herausgegeben von: Hubert Cancik, Helmuth Schneider, Manfred Landfester: Brill Online 19. Dezember 2012. Vgl. Pauly-Wissowa#RE.
- Acharnes 845. Die Komödie erhielt 425 v. Chr. bei den Lenäen den ersten Preis
- Pape griech-dt Handwörterbuch nennt als Belegstellen bei Aristoteles H.A. 9,6 und Nic. Th. 196 (nicht geprüft)
- Plinius der Ältere, Naturalis historia 29,60.
- fūro, furōnis, m., der Iltis, das Frettchen, ital. furetto, Beleg: Isid orig. 12, 2, 39.
- Christian Hünemörder: Thomas von Cantimpré. In: Lexikon des Mittelalters. Von demselben genauere Angaben auch im Neuen Pauly
- Fox, J. G., R. C. Pearson, J. A. Bell: Taxonomy, history and use of ferrets. In Biology and diseases of the ferret. 2. Ausgabe, Fox J. G. Editor, William & Wilkins, Baltimore, 1996, S. 3–170.
- Vgl. auch Brunft. Eine gute Erklärung findet sich vorerst bei den niederösterreichischen Frettchenfreunden
- European Medicines Agency: Suprelorin – Deslorelin (Memento vom 23. Mai 2016 im Internet Archive) EMA/310418/2007
- Vgl. Wolfgang Müller/Frank Herrmann/Dieter Herrmann: Praxis der Kommunalverwaltung, D 7 Th, Weitere sachliche Verbote in Ergänzung zum BJagdG, Kommunal- und Schul-Verlag, Wiesbaden 2010.
- Tommy Tsan-Yuk Lam: The genesis and source of the H7N9 influenza viruses causing human infections in China. In: Nature. Online-Vorabveröffentlichung vom 21. August 2013, doi:10.1038/nature12515
- H7N7-Viren: Die neue Vogelgrippe hat einen potenziell gefährlichen Verwandten. In: zeit.de vom 21. August 2013, abgerufen am 27. August 2013.
- Frettchen als Virus-Modelltiere? – Institut prüft Ansteckungsgefahr von Tieren, auf n-tv.de/wissen vom 20. März 2020
- Martina Rathke: Institut beginnt Kampf gegen tödliche Erreger, auf n-tv.de/wissen vom 14. August 2013
- Harry V. Thompson und Carolyn M. King (Herausgeber): The European Rabbit: The History and Biology of a Successful Colonizer. 1994