Fregatte 126
Die Fregatte 126 (kurz F126, bis zum 1. Januar 2021 Mehrzweckkampfschiff 180[1], anfangs als Mittlere Überwasserkampfeinheit (MÜKE) oder K131 bezeichnet) ist ein Rüstungsprojekt der Bundeswehr für die Deutsche Marine.[2][3] Für die Beschaffung von vier Schiffen sind rund 5,27 Milliarden Euro veranschlagt, was das Projekt zum größten Schiffbauprojekt in der Geschichte der Bundeswehr macht.[4] Das erste Schiff der Klasse soll 2028 an die Deutsche Marine übergeben werden.[5]
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Die Kriegsschiffe sollen durch austauschbare Missionsmodule an unterschiedliche Einsatzarten anpassbar sein.[6] Sie sollen in der Lage sein, Ziele in der Luft sowie über und unter Wasser zu bekämpfen sowie Landeinsätze zu führen. Die Stammbesatzung soll 114 Soldaten umfassen. Daneben stehen 80 Kojen für Zusatzpersonal zur Verfügung.[1]
Die Fregattenklasse 126 soll von der Damen Shipyards Group zusammen mit Blohm + Voss und Thales gebaut werden. Alle Bauarbeiten werden in Deutschland durchgeführt – in Hamburg, Kiel und Wolgast.[5] Namensvorschläge für die einzelnen Schiffe sind noch nicht bekannt.
Planung und Bau
Anfang 2009 wurde mit ersten Überlegungen zu einem künftigen Überwasserkampfschiff begonnen. Unterstützt durch projektunabhängige Studien wurde ein Plan „Operative Forderungen K131“ für einen Schiffstyp als Ergänzung zur Korvette K130 erstellt, der frühestens zehn Jahre später in Dienst gestellt und für ein Einsatzspektrum bis 2050 ausgerüstet sein sollte. Die dazugehörigen Studien zeigen jedoch auf, dass die modulare Auslegung eine Schiffsgröße erfordert, die oberhalb einer korvettentypischen Größe liegt. Die Besatzungsstärke des Schiffes wurde im Bereich um 100 Personen angesetzt. Basierend auf dem modularen Ansatz wurde entschieden, für den neu zu entwickelnden Schiffstyp den Begriff Mehrzweckkampfschiff zu prägen. Mit der Umbenennung erfolgte eine Aktualisierung des Gedankenpapiers K131 zum Fähigkeitsprofil MKS 180 – Operative Forderungen. Dieses Fähigkeitsprofil gibt den Gestaltungsrahmen für die funktionalen Forderungen für das MKS 180 vor.[7]
Die geplante Stückzahl wurde im Zuge der Neuausrichtung der Bundeswehr von zunächst acht auf sechs reduziert.[8][9] Im Juni 2015 fiel die Entscheidung zur Ausschreibung der Beschaffung von vier Einheiten, die der Marine ab 2023 sukzessive zur Verfügung gestellt werden sollen. Die Kosten werden bei etwa vier Milliarden Euro angesetzt.[10] Drei Konsortien mit deutscher Beteiligung nahmen an der Ausschreibung teil.[11] Nach damaliger Planung sollte der Auftrag nach der Bundestagswahl 2017 vergeben werden. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen beschloss 2017 die raschere Beschaffung des zunächst für die Zeit nach 2030 geplanten fünften und sechsten Schiffs.[12] Nachdem das BAAINBw im März 2018 das aus ThyssenKrupp Marine Systems und Lürssen bestehende Konsortium vom Verfahren ausgeschlossen hatte, verblieben noch zwei Bietergruppen um die niederländische Damen Shipyards Group und den Schiffshersteller German Naval Yards.[13] Nachdem im Jahr 2018 der Vergabeprozess für diese größte und erstmals europaweite Ausschreibung für die Deutsche Marine begonnen hatte, musste bereits im laufenden Verfahren nachgebessert werden, da das Schiff ein Upgrade benötigt, um gegen Cyberattacken gerüstet zu sein. Dadurch verteuerte sich die Beschaffung. Im Januar 2020 gab das Verteidigungsministerium bekannt, das MKS 180 solle unter niederländischer Federführung bei Blohm + Voss in Hamburg gebaut werden. Aus der Ausschreibung zum Bau des Schiffes sei die Damen Shipyards Group in den Niederlanden als Sieger hervorgegangen. Auch German Naval Yards in Kiel mit Thyssen-Krupp Marine Systems als Subunternehmer hatte sich um den Auftrag beworben.[4][14]
Im Juni 2020 billigte der Haushaltsausschuss des Bundestages die Beschaffung von vier MKS 180 mit zwei Missionsmodulen „U-Boot-Bekämpfung“ und zwei Modulen „Gewahrsam“. Inklusive der Bewaffnung wurden hierfür rund sechs Milliarden Euro veranschlagt. Zum Vertrag gehört auch eine unverbindliche Option auf zwei weitere Einheiten.[15]
Einsatzkonzept
Im Gegensatz zu der Fregatte 125 erfolgt die Beschaffung eines kampfstärkeren Schiffstyps, mit relativ großem Auslegungsszenario, für dreidimensionale Seekriegsführung und asymmetrische Konflikte, unter der Prämisse, dass Großprojekte 10 bis 15 Jahre zur Realisierung benötigen und sich Einsatzszenarien, Bedrohungen und Aufgaben so rasch ändern würden, dass laufende Rüstungsprojekte darauf nicht reagieren könnten. Da eine Auslegung der Plattform auf alle denkbaren Bedrohungsszenarien nicht realisierbar sei, müssten die Fähigkeiten künftiger Einsatzverbände mit geringem Aufwand lage- und bedarfsgerecht modular zusammengestellt, und vor sowie auch noch während des Einsatzes flexibel angepasst werden können. Der Schwerpunkt des MKS 180 liegt dabei auf:[16][7]
- Überwachen und Beherrschen von Räumen und Verbindungslinien zu Wasser (z. B.: Operation Atalanta)
- Durchführen von Embargo-Maßnahmen (z. B.: Operation Sharp Guard)
- Nationale Risikovorsorge durch Evakuierungsoperationen
Konkret bedeuten diese Vorgaben, dass neben Selbstschutz die Seeraumüberwachung, das Abfangen von Seezielen und das Durchführen von Untersuchungen (z. B. von verdächtigen Handelsschiffen) in den entsprechenden mandatierten Einsätzen entwurfsbestimmende Kernfähigkeiten des MKS 180 sein müssen.[7] Um eine Kosteneskalation zu vermeiden, sollten die Schiffe als Design To Cost oder Design To Budget ausgeschrieben werden. Der Zielpreis wurde 2011 mit 55 % des Endpreises einer F125 angegeben.[16]
Um nicht nur Piraten und andere asymmetrische Bedrohungen mit einem Schiff bekämpfen zu können, das voraussichtlich 9000 t Verdrängung aufweist, können im Gegensatz zur F125 Missionsmodule an Bord genommen werden. Diese standardisierten Ausrüstungs- und Personalpakete sollen das Schiff ohne großen technischen und zeitlichen Aufwand flexibel an einen bestimmten Auftrag anpassen. Zum Einschiffen und Betrieb dieser Missionsmodule sind an Bord Stellflächen, ein Einschiffungskontingent von 70 Soldaten, eine Anzahl von freien Arbeitsplätzen in der Operationszentrale sowie die entsprechenden Reserven und Schnittstellen für Klima/Lüftung, Strom, interne und externe Kommunikation notwendig. Im Gegensatz zu Systemen, die fest eingebaut sind, können Missionsmodule, die aktuell nicht für einen Einsatz benötigt werden, unabhängig von ihrem Trägerschiff instand gesetzt und gewartet werden. Im Einsatz ist es denkbar, dass die Trägerplattform unter temporärem Verzicht auf die spezifische Fähigkeit weiterhin in See sticht, während das Modul in einem Hafen instand gesetzt wird.[7][16]
Technische Details und Ausschreibung
Seit Ende 2011 wurden eine Reihe von Ausschreibungen durchgeführt, in denen deutsche Werften ihre Konzepte einreichen konnten. In der Regel wurden zwei oder drei Konzepte pro Anbieter verlangt, mit alternativen Rumpfformen usw.
Die deutsche Marine stellt folgende Anforderungen an das Schiff:[17]
- Weltweit einsetzbar (Hohe See, Randmeere, Küstenvorfeld)
- Einsatz in allen klimatischen Zonen (arktische und tropische Gewässer)
- Dauerhöchstfahrt über 26 kn, Dauermarschfahrt 18 kn bis Seegangsskala 4
- Fahrbereich 4000 sm bei 18 kn ohne Nachversorgung
- Seeausdauer 21 Tage
- Kombinierte Anti-Missile Defence (ASMD), Anti Air Warfare (AAW) und Anti-Surface-Warfare (ASuW) Fähigkeit bis zur äußeren Grenze des Nächstbereiches durch einen Mix aus Rohrwaffen (mittlere Mehrzweckrohrwaffe gegen See- und Luftziele, zwei leichte Rohrwaffen gegen See- und Luftziele, zwei RAM Block 2), Flug- und Täuschkörpern (zwei Multifunktionswerfer) mit einer „bedrohungsangemessenen Detektionseinheit“ zur Abdeckung des gesamten EM-Spektrums (Radar, IR, Laser)
- präzise, abgestufte und selektive Bekämpfung von Seezielen im mittleren Entfernungsbereich (z. B. mit Bordhubschrauber)
- mittlerer Seezielflugkörper[18]
- Bordgeschütz im Kaliber 127 mm[18]
- mittlere Flugabwehrrakete ESSM mit > 50 km Reichweite
- EloUM-Fähigkeit von 0,5 bis 40 GHz
- Detektion von Kampfstoffen
- Schutz von Munitionseinrichtungen, Schiffsführungsbereichen und Operationszentrale gegen Handwaffenbeschuss Kaliber 12,7 mm Hartkern
- Zentrale Kameraüberwachung für Oberdeck und Bordwände im Hafen
- Zugangskontrollmöglichkeiten (PIN/Chipkarte) an allen von außen zu öffnenden Schotten/Luken
- Tag- und Nacht-Aufnahmemöglichkeit von organischen UAV/Bordhubschraubern auch bei meteorologischen Grenzbedingungen
Die Forderungen nach einer zweijährigen Einsatzdauer (Intensivnutzung) verbunden mit einer geringen Besatzungsstärke (bis zu 140 Personen + 70 Personen Einschiffungskapazität) bedingen eine hohe Standkraft aller Systeme bei möglichst großen Wartungsintervallen. Dabei steht die Reduzierung der Lebenszykluskosten auf ein unbedingt notwendiges Maß im Vordergrund. Daraus ergeben sich bestimmte Anforderungen:[17]
- Intensivnutzung[19] mit Mehrbesatzungsmodell[20], Besatzungswechsel alle vier Monate innerhalb von 96 Stunden
- Einsatzdauer und Fahrprofil analog Fregatte 125
- Umfangreiche Instandsetzungsfunktionalitäten wie Online-Diagnose mit Heimwerkstätten (Telemaintenance) und Baugruppenaustausch auf Materialerhaltungsstufe 3 durch die Besatzung bei Anlagen für Fahrfähigkeit und Eigenschutz
- Befähigung zur Seeversorgung
- Be- und Enttankungsanlagen für UAV (Unmanned Aerial Vehicle), UUV (Unmanned Underwater Vehicle), USV (Unmanned Surface Vehicle) und Hubschrauber
- Stellflächen für 20-ft-Container und für die Lagerung der Ausrüstung der Einsatzkomponenten
- Sanitätsdienstliche Kapazität zur allgemeinen medizinischen und notfallmedizinischen Versorgung, Schiffslazarett
- Personaleffiziente Schiffssteuerung (einschließlich der Schiffsbetriebanlagen) und Schadenskoordination und -durchführung (Plattformautomatisierung) mit zusätzlicher Überwachungsmöglichkeit auf der Brücke
- Flugdeck für Bordhubschrauber mit Abfluggewicht bis zu 15 t, Hangar mit Einrichtung für Flugbetrieb, Wartung und Instandsetzung von einem Bordhubschrauber und zwei UAVs
Die operationellen Forderungen an das MKS 180 sahen Ende 2013 folgende Missionsmodule vor, der Schwerpunkt liegt dabei auf dem Unterwasserkampf:[7][17]
- Systeme zur erweiterten Aufklärung unter Nutzung der schiffseigenen EloUM-Anlagen (Signals Intelligence)
- Systeme zur Ziel- und Wirkaufklärung gegen U-Boote, konkret ein Schleppsonar
- Systeme zur Unterwasseraufklärung und Bekämpfung von Minen und Sprengkörpern, konkret eine Minenjagddrohne
- mobile Taucherdruckkammer
- Systeme zur Entdeckung von Tauchern bzw. Kampfschwimmern
Zur Aufstellung und den Betrieb der Missionsmodule und von 20-ft-Containern benötigt das Schiff vorbereitete Stellflächen für Nutzlast mit entsprechenden Versorgungsanschlüssen zur vollständigen technischen Integration sowie Nacht- und Allwetterzugang und zusätzliche Arbeitsplätze an Bord, die im Design des Schiffes zu berücksichtigen sind. Zu den Bordeinsatzkomponenten zählen auch zwei Festrumpfschlauchboote mit Dauerhöchstfahrt von über 35 kn und zwei Aussetzvorrichtungen. Sie sollen dem Schiff die Fähigkeit verleihen, zwei Einsatzteams Spezialkräfte gleichzeitig einsetzen zu können.[17]
Literatur
- Dieter Stockfisch: Mehrzweckkampfschiff Klasse 180. Fähigkeitsprofil und operationelle Forderungen. Europäische Sicherheit & Technik, 7/2012, S. 70–74.
- Hans-Josef Sperber, René Heinke und Patrick Janta: Die Fregatte 126 schwimmt. marineforum 11-2021, S. 6–7.
- Karl-Heinz Hochhaus: Mehrzweckkampfschiff Klasse 180. Onlinefassung vom gleichnamigen Hansa-Aufsatz über die Planung des Mehrzweckkampfschiffes Klasse 180 auf dem Marine Sprechtag der STG. Abgerufen am 13. Jan. 2020
- Peter Wiemann: Das Mehrzweckkampfschiff Klasse 180 nimmt Fahrt auf. marineforum 6-2021, S. 6–9.
Weblinks
- Erklärstück: Das Mehrzweckkampfschiff 180 auf der Webseite der Bundeswehr
Einzelnachweise
- Erklärstück-Update: Das Mehrzweckkampfschiff 180. Bundeswehr, 2. Dezember 2020, abgerufen am 2. Dezember 2020.
- Inspekteur der Marine: Jährliche Weisung Marine 2008. Deutsche Marine, Dezember 2007, abgerufen am 28. Mai 2016 (Seiten des Deutschen Marinearchivs).
- STG-Marine Sprechtag, Planung vom „Mehrzweckkampfschiff 180“ private Website|
- Marine: Niederländische Damen-Werft erhält Zuschlag für Mehrzweckkampfschiff. Abgerufen am 14. Mai 2020.
- Dorothee Frank: Erste F126 kommt voraussichtlich 2028. In: Behördenspiegel. 30. Juni 2021, abgerufen am 1. August 2021.
- Hans Josef Sperber: Mehrzweckkampfschiff Klasse 180. (PDF) In: MarineForum 11-2014. S. 14–16, abgerufen am 28. Mai 2016.
- Peter Wiemann: Forderungen der Marine an das Mehrzweckkampfschiff Klasse 180. (PDF) In: MarineForum 11-2013. Abgerufen am 28. Mai 2016.
- Bettina Berg: Minister de Maizière billigt Umrüstung. Bundesministerium der Verteidigung, 21. Oktober 2011, abgerufen am 28. Mai 2016.
- BT-Drs. 17/2686
- Marine erhält neue Kampfschiffe. In: Zeit online. 10. Juni 2015, abgerufen am 28. Mai 2016.
- Olaf Preuß: Drei Bieter wollen den Milliardenauftrag der Marine. Die Welt, 25. Mai 2016, abgerufen am 27. September 2016.
- Reuters: Von der Leyen will zusätzliche Marine-Schiffe. In: handelsblatt.com. 13. Februar 2017, abgerufen am 15. Mai 2017.
- Gerhard Hegmann: Am Super-Kriegsschiff statuiert Deutschland ein Exempel. Die Welt, 2. März 2018, abgerufen am 2. März 2018.
- Großauftrag der Marine: Kieler Werft geht leer aus. ndr, 14. Januar 2020, abgerufen am 14. Januar 2020.
- Bundestags-Haushaltsausschuss billigt neue Kriegsschiffe MKS180. Thomas Wiegold, 17. Juni 2020, abgerufen am 18. Juni 2020.
- Christian Peters: Mehrzweckkampfschiff 180 (MKS 180). (Memento vom 24. Juli 2012 im Internet Archive) In: MarineForum 10-2011.
- Dieter Stockfisch: Fähigkeitsprofil und operationelle Forderungen. (PDF) (Nicht mehr online verfügbar.) In: Europäische Sicherheit & Technik. Juli 2012, S. 70 ff, archiviert vom Original am 3. Januar 2014; abgerufen am 6. Februar 2015.
- Stefan Rentzsch: Überblick: Das Mehrzweckkampfschiff 180 – der Alleskönner. Bundeswehr, 15. Juni 2015, abgerufen am 19. August 2015.
- Intensivnutzung. In: Marineglossar. Deutsches Maritimes Institut, abgerufen am 12. September 2017 (Definition).
- Mehrbesatzungsmodell. In: Marineglossar. Deutsches Maritimes Institut, abgerufen am 12. September 2017 (Definition).