Frauenminze
Die Frauenminze (Tanacetum balsamita), auch Balsamkraut oder Marienblatt genannt, ist eine Heilpflanze aus der Familie der Korbblütler (Asteraceae).
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Frauenminze (Tanacetum balsamita) | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Tanacetum balsamita | ||||||||||||
L. |
Beschreibung
Die Frauenminze ist eine mehrjährige, krautige Pflanze mit kräftigem Wurzelwerk. Über ihr Rhizom bildet sie Ausläufer, die große Horste bilden. Die verzweigten und flaumig behaarten Stängel erreichen eine Wuchshöhe zwischen 80 und 150 Zentimetern. Die lederigen, ungeteilten, länglich bis eiförmigen, am Rand gesägten, bläulich-grünen Laubblätter werden bis zu 20 Zentimeter lang, sind lang gestielt und auf der Unterseite fein behaart.
Die erst spät im Sommer erscheinenden doldigen Rispen enthalten viele gelb-grüne Röhrenblüten, die einen Durchmesser von 4 bis 8 Millimetern haben und stark ätherisch riechen. Zungenblüten fehlen meist.
Die Chromosomenzahl beträgt 2n = 18 oder 54.[1]
Inhaltsstoffe
Die Pflanze enthält zahlreiche ätherische Öle, die unter anderem Kampfer und Thujone enthalten.
Die Inhaltsstoffe der ätherischen Öle lassen sich einteilen in solche vom Carvon-Typ, vom Campher-Typ und vom Campher-Thujon-Typ. Tanacetum balsamita var. tanacetoides enthält Carvon-Typen, - var. balsamita Campher-Typen. Auch im den Gehalten bestehen Unterschiede zwischen den Varietäten. Zu den zahlreichen nachgewiesenen Bestandteilen der ätherischen Öle gehören Borneol, Bornylacetat, Camphen, L-Campher, Carvon, 1,8-Cineol, p-Cymen, Isoborneol, D-Isothujon, Limonen, α-Pinen und L-Thujon. Einige Populationen enthalten C-9β-hydroxilierte Germacranolide und deren Ester, andere nur Derivate des Eudesmen.
Die Wurzeln enthalten zusätzlich Enolether-Spiroketale. Weitere Inhaltsstoffe sind Chlorogensäure, Ferulasäure, Kaffeesäure, Protocatechusäure und die Flavonoide Apigenin-7-diglykosid und Chrysoeriol-7-diglykosid. Die Konzentration der Inhaltsstoffe variiert mit der Jahreszeit und kann in Wurzel, Blatt und Blüte verschieden sein.[2]
Verbreitung
Diese Pflanzenart stammt ursprünglich aus dem Kaukasus, ist aber in Südeuropa als Archaeophyt eingebürgert worden und findet sich heute verwildert auch im deutschsprachigen Raum.[3]
Systematik
Man kann zwei Unterarten unterscheiden[4]:
- Tanacetum balsamita L. subsp. balsamita (Syn.: Balsamita major Desf., Chrysanthemum balsamita auct., Chrysanthemum majus (Desf.) Asch., Pyrethrum majus (Desf.) Tzvelev): Die Heimat ist die Türkei, Iran, Aserbaidschan, Armenien und Georgien.[4] In Europa, Zypern, Nordamerika und Argentinien ist sie ein Neophyt.[4]
- Tanacetum balsamita subsp. balsamitoides (Sch.Bip.) Grierson (Syn.: Chrysanthemum balsamita L., Pyrethrum balsamita (L.) Willd., Tanacetum balsamitoides Sch.Bip.): Die Heimat ist die Türkei, Irak, Iran und Armenien.[4]
Geschichte der Verwendung als Garten- und Heilpflanze
Die erste Erwähnung dieser Art unter dem Namen costum[5] findet sich in der wohl im letzten Jahrzehnt des 8. Jahrhunderts[6] von Karl dem Großen erlassenen Landgüterverordnung Capitulare de villis vel curtis imperii.[7] Die Deutung des costum als Frauenminze geht auf Johann Friedrich August Kinderlings Anmerkungen zum Capitulare de villis aus dem Jahr 1799 zurück[8] und wurde nachfolgend von Kurt Sprengel,[9] Anton Kerner,[10] Rudolph von Fischer-Benzon,[11] Hermann Fischer[12] und Heinrich Marzell[7] übernommen und bestätigt. Unter anderem die von spätmittelalterlichen Botanikern als costus (hortorum) bezeichnete Frauenminze diente als Ersatz für die „einst in der Heilkunde hochgeschätzte Kostwurzel“,[7] die Indische Kostuswurzel (Saussurea costus), die in Europa nicht im Freiland gezogen werden kann. Gestützt wird die Vermutung, dass mit costum beziehungsweise costus die Frauenminze gemeint ist, durch die noch heute im Italienischen übliche Bezeichnung der Pflanze als erba costa, erba costina;[7] in Griechenland wird sie costus genannt.[11] In dem im frühen 9. Jahrhundert entstandenen St. Galler Klosterplan ist ein Beet für die Pflanze costo vorgesehen, eine weitere Erwähnung findet sich in dem im Jahr 827 abgefassten Lehrgedicht Liber de cultura hortorum (Hortulus) des Walahfrid Strabo innerhalb der Beschreibung der Pflanze Sclarea (Salvia Sclarea).[7] Nach Stoffler geht zwar aus dem Hortulus „eindeutig hervor, daß Costus im Klostergarten gezogen wurde“,[13] unklar sei jedoch, ob damit Tanacetum balsamita L. oder Tanacetum balsamitoides Schultz. Bip. gemeint sei.
Das erste neuzeitliche Kräuterbuch, das die Frauenminze erwähnt, ist das erstmals im Jahr 1539 erschienene Kreütter Buch, Darinn Underscheidt, Namen vnnd Würckung der Kreutter, Stauden, Hecken vnnd Beumen […] von Hieronymus Bock, der nicht nur eine ausführliche Beschreibung der Pflanze liefert, sondern auch ihre Anwendung als innerliches und äußerliches Heilmittel beschreibt: In „wein gesotten vnnd getruncken“ helfe sie gegen verschiedene tierische Gifte, „stillet auch den bauchfluss/vnd das Grimmen im leib“, äußerlich angewendet als „Fomenta [heiße Umschläge] und schweissbäder auss dem kraut“ sei die Frauenminze menstruationsfördernd und schmerzstillend. „Das kraut zerstossen vnd pflasters weiss auffgelegt, zertheilt die harten knollen, und andere geschwulst“.[14] Erstmals abgebildet war das „Frauenblatt“ 1753 laut Marzell[7] bei Rembert Dodoens.
Conrad Gessner erwähnt im Jahr 1561 die Frauenminze in seinem Werk Horti Germaniae unter dem Namen ovaria (Eierkraut), wohl weil – wie Marzell annimmt – „die Blätter als Gewürz zu Eierspeisen in der Küche verwendet wurden“.[7] Auch das Mittelniederdeutsche Kochbuch aus dem 15. Jahrhundert enthält ein solches Rezept.[15] Die Pflanze wurde ab dieser Zeit bis in das 19. Jahrhundert hinein regelmäßig in Arzneimittellisten erwähnt, geriet dann aber in Vergessenheit. Im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts beschrieb der Arzt M. Stirnadel[16] die wohltuende Wirkung der Frauenminze bei Gallenleiden.
Heutige Verwendung
In der Naturheilkunde wird ein Tee von getrockneten Blättern (Balsamitae herba) verwendet, der eine krampflösenden Wirkung haben soll und Linderung bei spastischen Beschwerden des Magen-Darmtraktes, Blähungen und Verstopfungen verspricht.[17] In der klinischen Medizin wird die Frauenminze nicht mehr eingesetzt. Sie findet aber Verwendung als Duftpflanze in Grabschmuck und Totenkränzen.[2]
Trivialnamen
In lateinischen und pharmazeutischen Texten wird die Frauenminze auch Balsamita[18] und Mentha sarracenca[19] genannt. Für die Frauenminze bestehen bzw. bestanden auch die weiteren deutschsprachigen Trivialnamen: Balsamite (mittelniederdeutsch), Balsamkraut, Balsammünze, Bifmynte (mittelniederdeutsch), Biminca (althochdeutsch), Cost, Frauenbalsam, Große Frauensalbei, Frauenwurz, Frauwencrut (mittelhochdeutsch), Frauwenworcz (mittelhochdeutsch), Unser Frawen Mintz (mittelhochdeutsch), Frawnwurz (mittelhochdeutsch), Frowenminte (mittelniederdeutsch), Kostwurz (mittelhochdeutsch), Lobengel (mittelhochdeutsch), Marienblättchen, Sandt Marienmintz (mittelhochdeutsch), Marienmünze, Marienwurzel, Samt Mergenmyncz (althochdeutsch), Wit Minte (mittelniederdeutsch), Romesche Minza, Münzbalsam, Heidnische Münze, Römische Münze, Wizu Munza (althochdeutsch), Ransch Mynz, Pfaffenplatte, Pfannkuchenkraut, Pfefferblätte, Breitblättriger Rainfarn, Romische Salbei, Sisymbermüntze, Siminza (althochdeutsch), Sisimre (mittelhochdeutsch), Weisminze (mittelhochdeutsch), Weisblum (althochdeutsch), Wisblum (althochdeutsch) und Zuckerblätter.[20] Weitere Namen waren St. Marienkraut und lateinisch Herba Sanctae Mariae.[21]
Einzelnachweise
- Erich Oberdorfer: Pflanzensoziologische Exkursionsflora für Deutschland und angrenzende Gebiete. Unter Mitarbeit von Angelika Schwabe und Theo Müller. 8., stark überarbeitete und ergänzte Auflage. Eugen Ulmer, Stuttgart (Hohenheim) 2001, ISBN 3-8001-3131-5, S. 941.
- Wolfgang Blaschek, Siegfried Ebel, Eberhard Hackenthal, Ulrike Holzgrabe, Konstantin Keller, Jürgen Reichling, V. Schulz (Hrsg.): Hagers Enzyklopädie der Arzneistoffe und Drogen. Kapitel Tanacetum (HN: 2076900). 6., neu bearb. und erg. Auflage. Stuttgart 2008, ISBN 978-3-8047-2384-9.
- Informationen zur Verbreitung des Forschungsprojekts „Prognosen zur Ausbreitung von Neophyten“, Universität Halle
- Tanacetum im Germplasm Resources Information Network (GRIN), USDA, ARS, National Genetic Resources Program. National Germplasm Resources Laboratory, Beltsville, Maryland. Abgerufen am 16. Februar 2018.
- vgl. die Abdrucke zweier „Inventare Kaiserlicher Gärten aus dem Jahr 812“ und des Kapitel 70 des „Capitulare de villis (vel curtis) imperialibus“ in Rudolph von Fischer-Benzon: Altdeutsche Gartenflora. Untersuchungen über die Nutzpflanzen des deutschen Mittelalters, ihre Wanderung und ihre Vorgeschichte im klassischen Altertum, Kiel und Leipzig 1894 (Unveränderter Neudruck der Ausgabe Walluf bei Wiesbaden 1972), Seite 181–183
- Carlrichard Brühl: Capitulare de villis, in: Lexikon des Mittelalters, Band 2, München 2003, Spalte 1482
- Heinrich Marzell: Zur Geschichte des Frauenblattes (Crysanthemum balsamita L.), in: Centaurus. International Magazine of the History of Science and Medicine Band 1, Nummer 3, 1951, Seite 235–241
- in Paul Jakob Bruns: Beyträge zu den deutschen Rechten des Mittelalters aus den Handschriften und alten Drucken der akademischen Bibliothek in Helmstädt, Helmstädt, gedruckt bey C. G. Fleckeisen, 1799
- Curtii Sprengel: Historia rei herbariae, Band 1, Amsterdam 1807, hier Seite 219
- Anton Kerner: Die Flora der Bauerngärten in Deutschland. Ein Beitrag zur Geschichte des Gartenbaus, in: Verhandlungen des zoologisch-botanischen Vereins in Wien, Band 5, 1855, hier Seite 792
- Kapitel „Costum“ in: Rudolf von Fischer-Benzon: Altdeutsche Gartenflora. Untersuchungen über die Nutzpflanzen des deutschen Mittelalters, ihre Wanderung und ihre Vorgeschichte im klassischen Altertum, Kiel und Leipzig 1984 (Unveränderter Neudruck der Ausgabe Walluf bei Wiesbaden 1972), Seite 73
- Hermann Fischer: Mittelalterliche Pflanzenkunde, München 1929, hier Synonymenschlüssel auf Seite 286
- Hans-Dieter Stoffler: Der Hortulus des Walahfrid Strabo. Aus dem Kräutergarten des Klosters Reichenau, Sigmaringen 1996, hier Kapitel Costus, Seite 89–90
- Abdruck von Blatt 62r mit einem Holzschnitt der Frauenminze (bzw. dem Frawenkraut) aus einer Ausgabe von Bocks Kreuter Buch von 1551 mit Transkription des gesamten Beschreibungstextes in: Heinrich Marzell: Zur Geschichte des Frauenblattes (Crysanthemum balsamita L.) In: Centaurus. International Magazine of the History of Science and Medicine. Band 1, Nr. 3, 1951, S. 239–240.
- https://coquinaria.nl/en/stuffed-eggs-with-mint/
- in: Hippokrates. Zeitschrift für praktische Heilkunde Band 5, 1934, Seite 420ff.
- Frauenminze. MediLex.de, 2020, abgerufen am 14. Dezember 2020.
- Vgl. Wouter S. van den Berg (Hrsg.): Eene Middelnederlandsche vertaling van het Antidotarium Nicolaï (Ms. 15624–15641, Kon. Bibl. te Brussel) met den latijnschen tekst der eerste gedrukte uitgave van het Antidotarium Nicolaï. Hrsg. von Sophie J. van den Berg, N. V. Boekhandel en Drukkerij E. J. Brill, Leiden 1917, S. 204.
- Otto Zekert (Hrsg.): Dispensatorium pro pharmacopoeis Viennensibus in Austria 1570. Hrsg. vom österreichischen Apothekerverein und der Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie. Deutscher Apotheker-Verlag Hans Hösel, Berlin 1938, S. 147.
- Georg August Pritzel, Carl Jessen: Die deutschen Volksnamen der Pflanzen. Neuer Beitrag zum deutschen Sprachschatze. Philipp Cohen, Hannover 1882, Seite 95 (online).
- Wouter S. van den Berg (Hrsg.): Eene Middelnederlandsche vertaling van het Antidotarium Nicolaï (Ms. 15624–15641, Kon. Bibl. te Brussel) met den latijnschen tekst der eerste gedrukte uitgave van het Antidotarium Nicolaï. Hrsg. von Sophie J. van den Berg, N. V. Boekhandel en Drukkerij E. J. Brill, Leiden 1917, S. 239.
Weblinks
- Eintrag zur Art auf FloraWeb
- Frauenminze. In: BiolFlor, der Datenbank biologisch-ökologischer Merkmale der Flora von Deutschland.
- Thomas Meyer: Datenblatt mit Bestimmungsschlüssel und Fotos bei Flora-de: Flora von Deutschland (alter Name der Webseite: Blumen in Schwaben)
- Artporträt auf der Website des Biokybernetischen Zentrums Aachen