Ferenc Krausz
Ferenc Krausz (* 17. Mai 1962 in Mór, Ungarn) ist ein ungarisch-österreichischer Physiker und Hochschullehrer. Mit seinem Forschungsteam gelang es ihm als erstem, einen Lichtpuls von weniger als einer Femtosekunde Dauer sowohl zu erzeugen als auch zu messen. Die Arbeitsgruppe verwendet diese Attosekunden-Lichtpulse, um die Bewegung atomarer Elektronen abzubilden. Diese Leistung markiert den Beginn der Attosekundenphysik.[1]
Akademischer Werdegang
Krausz studierte Theoretische Physik an der Eötvös Loránd Universität und Elektrotechnik an der Technischen Universität Budapest. Nach seiner Habilitation an der Technischen Universität Wien wurde er dort zum Professor berufen. Seit 2003 ist er Direktor am Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching. 2004 übernahm er außerdem einen Lehrstuhl für Experimentalphysik an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Er ist Mitbegründer und einer der beiden Sprecher des 2006 ins Leben gerufenen Exzellenzclusters Munich Centre for Advanced Photonics (MAP). Seit 2005 ist er auch Außerordentlicher Professor an der Technischen Universität Wien.
Forschung
Ferenc Krausz und seinem Forschungsteam ist es erstmals gelungen, einen Lichtpuls von einer Dauer von weniger als einer Femtosekunde experimentell zu demonstrieren und mit diesen Attosekunden-Lichtpulsen die inter-atomare Bewegung von Elektronen in Echtzeit wahrnehmbar zu machen. Diese Ergebnisse markieren den Beginn der Attosekundenphysik.[2][3][4][5]
Die Vorarbeit für diesen Meilenstein leistete Krausz mit seinem Team in den 90er Jahren mit einer ganzen Reihe von Innovationen[6] zur Weiterentwicklung der Femtosekunden-Lasertechnologie bis an ihre ultimative Grenze – bis hin zu Lichtpulsen, die den überwiegenden Teil ihrer Energie in einer einzigen Schwingung des elektromagnetischen Felds tragen. Eine unabdingbare Voraussetzung für die Erzeugung derart kurzer Lichtblitze ist die hochpräzise Kontrolle der Verzögerung verschiedener Farbkomponenten von breitbandigem (weißen) Licht über eine volle Oktave. Die von Krausz und Szipöcs entwickelten Spiegel aus aperiodischen Multilagen chirped mirrors[7] machten eine solche Kontrolle erstmals möglich und bilden heute einen wesentlichen Bestandteil jeder modernen Femtosekunden-Laseranlage. Mithilfe intensiver, aus ein bis zwei Wellenzyklen bestehender Laserpulse konnte Krausz' Gruppe im Jahr 2001 erstmals einen Attosekunden-Lichtpuls (aus extrem ultraviolettem Licht) sowohl erzeugen als auch messen[8] und wenig später damit auch die Bewegung von Elektronen auf subatomarer Skala in Echtzeit verfolgen.[9] Die von Krausz und seinem Team demonstrierte Kontrolle der Wellenform von Femtosekundenpulsen[10] und den daraus resultierenden reproduzierbaren Attosekundenpulsen erlaubten die Etablierung der Attosekunden-Messtechnik[11][12] wie sie heute als technologische Basis für die experimentelle Attosekundenphysik dient. Mit diesen Werkzeugen gelang Krausz und seinen Mitarbeitern in den letzten Jahren die Steuerung von Elektronen in Molekülen[13] und die erstmalige Echtzeitbeobachtung einer Reihe fundamentaler Elektronenvorgänge wie Tunneln,[14] Ladungstransport,[15] kohärente EUV Emission,[16] verzögerter Photoeffekt,[17] Valenzelektronen-Bewegung,[18][19] Kontrolle der optischen und elektrischen Eigenschaften von Dielektrika.[20][21] Diese Resultate wurden in internationalen Kooperationen erzielt, unter anderem mit den Gruppen von Joachim Burgdörfer, Paul Corkum, Theodor Hänsch, Misha Ivanov, Ulrich Heinzmann, Stephen Leone, Robin Santra, Mark Stockman und Marc Vrakking.
Die Femtosekunden-Lasertechnologie, die als Grundlage für die Attosekunden-Messtechnik diente, nutzen Krausz und sein Team nun zur Weiterentwicklung der Infrarot-Spektroskopie für biomedizinische Anwendungen. Mit ultrakurzen Infrarot-Laserpulsen angeregte biologische Proben senden Infrarotwellen aus. Durch das Abtasten des elektrischen Feldes dieser Wellen können über die Messung des so genannten „electric-field molecular fingerprint“ (EMF) kleinste Veränderungen in der molekularen Zusammensetzung der untersuchten Proben detektiert werden. Ziel der Forschungskooperation „Lasers4Life“ und „Center for Molecular Fingerprinting“, bestehend aus Laserphysikern, Mathematikern, Medizinern und Molekularbiologen, ist es anhand der Messung des EMF von Blutproben den Gesundheitszustand von Menschen zu verfolgen und Krankheiten im frühen Stadium zu erkennen.[22]
Seit 2015 zählt Thomson Reuters Krausz zu den Favoriten auf einen Nobelpreis für Physik.[23]
Preise und Auszeichnungen
2003 wurde Krausz Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, seit 2005 Auswärtiges Mitglied. 2005 erhielt er die Ehrendoktorwürde der Technischen Universität Budapest. Seit 2009 ist der Fellow der Optical Society of America (OSA)[24] und seit 2011 Auswärtiges Mitglied der Russischen Akademie der Wissenschaften.
- 1994: Fritz-Kohlrausch-Preis der Österreichischen Physikalischen Gesellschaft
- 1996: START-Preis
- 1998: Carl-Zeiss-Forschungspreis der Ernst-Abbe-Stiftung
- 2002: Wittgenstein-Preis[25]
- 2003: Julius-Springer-Preis
- 2006: Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Preis
- 2011: Verdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik Deutschland
- 2012: Mitglied der Academia Europaea
- 2013: König-Faisal-Preis für Wissenschaft
- 2013: Otto-Hahn-Preis
- 2016: Mitglied (Matrikel-Nr. 7676) der Leopoldina[26]
- 2019: erster Träger der Wladilen Letochow Medaille der EPS[27]
- 2022: Wolf-Preis in Physik[28]
Publikationen
- F. Krausz, M. Ivanov, Reviews of Modern Physics 81, 163 (2009). (Memento vom 23. September 2015 im Internet Archive) (PDF; 14,2 MB).
- Y. Silberberg, Nature 414, 494 (2001).
- M. Lewenstein, Science 297, 1131 (2002).
- L. F. DiMauro, Nature 419, 789 (2002).
- P. Bucksbaum, Nature 421, 593 (2003).
- T. Brabec & F. Krausz, Rev. Mod. Phys. 72, 545 (2000), doi:10.1103/RevModPhys.72.545.
- R. Szipöcs, K. Ferencz, Ch. Spielmann & F. Krausz: Chirped multilayer coatings for broadband dispersion control in femtosecond lasers. Opt. Lett. 19, 201 (1994), doi:10.1364/OL.19.000201.
- M. Hentschel et al., Nature 414, 509 (2001), doi:10.1038/35107000
- M. Drescher et al., Nature 419, 803 (2002), doi:10.1038/nature01143.
- A. Baltuska et al., Nature 421, 611 (2003).
- R. Kienberger et al., Nature 427, 817 (2004), doi:10.1038/nature02277.
- E. Goulielmakis et al., Science 305, 1267 (2004).
- M. Kling et al., Science 312, 246 (2006).
- M. Uiberacker et al., Nature 446, 627 (2007), doi:10.1038/nature05648.
- A. Cavalieri et al., Nature 449, 1029 (2007), doi:10.1038/nature06229.
- E. Goulielmakis et al., Science 320, 1614 (2008), doi:10.1126/science.1157846.
- M. Schultze et al., Science 328, 1658 (2010), doi:10.1126/science.1189401.
- E. Goulielmakis et al., Nature 466, 739 (2010), doi:10.1038/nature09212.
- A. Wirth et al., Science 334, 195 (2011), doi:10.1126/science.1210268.
- A. Schiffrin et al., Nature 493, 70 (2013), doi:10.1038/nature11567.
- M. Schultze et al., Nature 493, 75 (2013), doi:10.1038/nature11720.
- Mihalea Žigman: A new watchman guarding our health? (pdf) In: pulse – the newsletter of attoworld. Dezember 2020, abgerufen am 1. Oktober 2021 (englisch).
- Olivia Meyer-Streng: Prof. Ferenc Krausz wird „2015 Thomson Reuters Citation Laureate“. In: idw – Informationsdienst Wissenschaft. 24. September 2015, abgerufen am 17. Januar 2021.
- 2009 OSA Fellows. OSA, abgerufen am 10. Februar 2018.
- Eva-Maria Gruber: Verleihung der START- und Wittgenstein-Preise 2002. ORF.at, 2002, abgerufen am 10. Februar 2018.
- Mitgliedseintrag von Prof. Dr. Ferenc Krausz bei der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, abgerufen am 3. Juni 2016.
- Letokhov Medal Recipients. EPS, 25. Februar 2019, abgerufen am 26. Februar 2019 (englisch).
- Wolf-Preis 2022
Literatur
- Leopoldina Neugewählte Mitglieder 2016, Leopoldina, Halle (Saale) 2017, S. 23 (PDF)
Weblinks
- Literatur von und über Ferenc Krausz im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Homepage von Ferenc Krausz
- Homepage der Gruppe von Ferenc Krausz
- Porträt auf der Seite der Deutschen Forschungsgesellschaft (Memento vom 29. September 2007 im Internet Archive)
- Wittgensteinpreis TrägerInnen Club. Archiviert vom Original am 16. Mai 2012; abgerufen am 21. Mai 2008.