Elastizitätsgrenze
Als Elastizitätsgrenze eines Werkstoffes bezeichnet man die Größe der mechanischen Spannung, unterhalb der das Material elastisch ist, d. h., es nimmt wieder die ursprüngliche Form ein, wenn die Belastung entfernt wird (nicht-bleibende/reversible Verformung). Beim Überschreiten der Elastizitätsgrenze tritt eine irreversible, plastische Verformung bzw. plastisches Fließen des Werkstoffes ein.
Die Elastizitätsgrenzwerte werden neben anderen Werkstoffkenngrößen zum Beispiel für die Modellierung und Berechnung des mechanischen Verhaltens einer Konstruktion verwendet.
Arten der Elastizitätsgrenze
Nach Spannungszustand
- Bei Zugbeanspruchung bzw. Dehnung spricht man von der Streckgrenze oder, wenn das genaue Einsetzen des Fließens nicht exakt bestimmbar ist, von der Dehngrenze.
- Bei Druckbeanspruchung bzw. Stauchung wird auch von Stauchgrenze gesprochen (früher Quetschgrenze).
Seltener Erwähnung finden
Fließgrenze
Die Fließgrenze ist komplementär zur Elastizitätsgrenze, die auch in der Rheologie und insbesondere in Fließkurven verwendet wird. Häufig wird die Fließgrenze aber auch synonym mit der Streck- oder Dehngrenze bei Prozessen mit großem Umformgrad oder hohen Temperaturen verwendet.
Experimentelle Bestimmung
Bei einachsigen Zugspannungen beispielsweise ist die Elastizitätsgrenze der Punkt des Spannungs-Dehnungs-Diagramms, in dem die Spannungskurve vom linearen Verlauf der Hooke'schen Geraden abweicht. Bei einer realen Messung im Zugversuch kann, je nach Werkstoff, meist nur ein Spannungsbereich ausgezeichnet werden, der auch von der Messmethode abhängig ist:[1]
- Die Streckgrenze bezeichnet diejenige Spannung, bis zu der ein Werkstoff keine plastische Dehnung zeigt. Wenn die Spannung beim weiteren Aufbringen einer Dehnung wieder abfällt, liegen eine obere Streckgrenze (Index H für high) und eine untere Streckgrenze (Index L für low) vor. entspricht dann der Elastizitätsgrenze. In unlegierten Stählen ist die Streckgrenze gut identifizierbar.[2]
- Bei Werkstoffen mit kontinuierlichem Fließbeginn (z. B. Al, Cu, Mg etc.) kann die „Streckgrenze“ nicht eindeutig aus dem Diagramm abgelesen werden. In diesem Fall wird stattdessen eine „Dehngrenze“ angegeben (Formelzeichen ), die eindeutig ablesbar ist. Die Dehngrenze ist diejenige Spannung, die eine definierte plastische Verformung erzeugt. Wie groß diese bleibende Verformung ist, wird als Index angegeben, der hierbei übliche Wert sind 0,2 % in Ausnahmefällen auch 0,01 % , 0,005 % oder 2 % bei Polymeren.
Werkstoffkunde
Nach dem Überschreiten der Elastizitätsgrenze lässt sich der Werkstoff auch unter einer weniger stark ansteigenden oder sogar abfallenden Last verformen wie im Spannungs-Dehnungs-Diagramm dargestellt. Ab dieser Spannungsgrenze werden im großen Maße andere Verformungsmechanismen in der Mikro- und Nanostruktur des Werkstoffes aktiviert. Bei vielen Werkstoffen tritt bei weitergehender Verformung eine Verfestigung ein. In Metallen und Kristallinen Werkstoffen ist dieses Verhalten häufig auf die ansteigende Versetzungensdichte und Änderungen in der Aktivität der Gleitsysteme zurückzuführen.
Andere Verformungsmechanismen wie z. B. Zwillingsbildung können der Grund sein, weshalb ein Werkstoff keine eindeutige Streckgrenze ausbildet und stattdessen die Dehngrenze als Elastizitätsgrenze abgeschätzt werden muss.
Einzelnachweise
- Weißbach, Wolfgang: Werkstoffkunde : Strukturen, Eigenschaften, Prüfung. 16., überarbeitete Auflage. Friedr. Vieweg & Sohn Verlag GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden, Wiesbaden 2007, ISBN 978-3-8348-0295-8.
- Gottstein, Günter: Materialwissenschaft und Werkstofftechnik Physikalische Grundlagen. 4., neu bearb. Aufl. 2014. Berlin, Heidelberg, ISBN 978-3-642-36603-1.