Deduktion
Die Deduktion (lateinisch deductio ‚Abführen, Fortführen, Ableitung‘), auch deduktive Methode oder deduktiver Schluss, ist in der Philosophie und der Logik eine Schlussfolgerung gegebener Prämissen auf logisch zwingende Konsequenzen. Deduktion ist schon bei Aristoteles als „Schluss vom Allgemeinen auf das Besondere“ verstanden worden, d. h. der Vererbung von Eigenschaften, die alle Mitglieder einer Gruppe teilen, auf echte Untermengen und einzelne Elemente. Dem stellt Aristoteles die Induktion als Gewinnung von allgemeinen Aussagen aus der Betrachtung mehrerer Einzelfälle und die Abduktion oder Apagoge gegenüber, die feststellt, dass bestimmte Einzelfälle unter eine gegebene oder noch zu entdeckende allgemeine Regel fallen.
Logik und formale Systeme
Innerhalb der modernen mathematischen Logik und aller formalen Systeme wird ein möglichst durchgehender Aufbau mit deduktiven Prinzipien angestrebt. Auch die Mathematik liegt weitgehend in deduktivem Aufbau vor und wird vorwiegend so gelehrt; d. h. ihre Ergebnisse werden aus Axiomensystemen formal abgeleitet. Deduktive Geschlossenheit ist ein wesentliches Merkmal formaler Beweise in der Mathematik. Die mathematischen Verfahren der vollständigen Induktion und der transfiniten Induktion sind entgegen ihren Bezeichnungen deduktive Verfahren.
Der einfachste Fall der Anwendung der deduktiven Methode ist die Beseitigung einer Implikation mit Hilfe der Abtrennungsregel. Die logische Struktur dieser Regel ist die allgemeine Struktur eines Arguments, das aus einer Menge von Prämissen nach einer Schlussregel auf eine Konklusion schließt:
p | (Prämisse 1) |
p → q | (Prämisse 2) |
——— | |
q | (Konklusion) |
Sind p und p → q (sprich: wenn p, dann q) wahre Aussagen, so ist auch q eine wahre Aussage.
Entscheidbarkeit
Es gibt logische Systeme, in denen Ausdrücke auftreten, die zwar mit den Hilfsmitteln dieses Systems formuliert werden können, in ihm aber nicht entscheidbar sind. Deduktive und reduktive Schlussweisen werden in ihrer einfachen Struktur nur selten angewandt. Das tatsächlich wissenschaftliche Ableiten ist ein komplexes System von deduktiven, reduktiven und heuristischen Verfahren.
Wissenschaftstheorie
Die Auffassung, dass Deduktion und Induktion komplementäre Elemente der wissenschaftlichen Wahrheitsfindung sind, ist auch bestritten worden, am prominentesten von Karl Popper. Ihm zufolge handelt es sich bei der Induktion nicht um ein Beweisverfahren. Allgemeine Regeln werden in Poppers Falsifikationismus nicht nach bestimmten induktiven Regeln aus der Empirie hergeleitet, solche Regeln sind ihm zufolge bestenfalls Heuristiken für das Finden allgemeiner Hypothesen. Alle Schlüsse, die in der Wissenschaft gezogen werden, sind für ihn daher rein deduktiv, auch Schlüsse vom Besonderen auf das Allgemeine: Diese erfolgen im modus tollens, beispielsweise wenn eine allgemeine Hypothese oder Theorie, ausgehend von einer beobachteten Einzeltatsache, falsifiziert wird.
In den Naturwissenschaften müssen durch Deduktion ermittelte Vorhersagen empirisch überprüfbar sein, um einen wissenschaftlichen Wert zu besitzen. Wenn die Beobachtungen nicht mit den Vorhersagen übereinstimmen, muss die Theorie angepasst oder verworfen werden.
Die deduktive Methode wird allgemein aber nicht für die einzige Methode der Gewinnung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse gehalten. Solch eine Methode muss stets von Prämissen ausgehen, die ihrerseits als wahr zu beweisen sind, hypothetisch als wahr vorausgesetzt werden oder axiomatisch als wahr gesetzt sind. Selbst wenn sich solche Prämissen wiederum aus anderen Prämissen deduktiv ableiten lassen, muss diese Beweiskette doch irgendwo beginnen (siehe: Infiniter Regress).
Die Wissenschaft muss zu Beweisverfahren greifen, die nicht-deduktiver Natur sind, denen also intensionale Beziehungen zugrunde liegen. Es handelt sich dabei also um empirische Verfahren, welche Erkenntnisse durch Beobachtung und Experimente gewinnen. Die logische Verarbeitung der Ergebnisse der Praxis zu wissenschaftlichen Aussagen oder gar Gesetzen geschieht mit der reduktiven Methode.
Psychologie
Neben Logik, Philosophie und Linguistik beschäftigt sich auch die Denkpsychologie mit der menschlichen Kompetenz und Inkompetenz beim schlussfolgernden Denken.[1] Als wichtigste Theorien sind zu nennen:
- die Theorie der mentalen Modelle von Philip Johnson-Laird (1983),
- die Theorie der mentalen Logik von Jean Piaget (1958), Rips (1994), Ford (1995) und anderen sowie
- die Informationsgewinn-Theorie von Oaksford und Chater (1994).
Die Psychologie untersucht, warum und wie Menschen überhaupt schlussfolgern können, warum sie dabei Fehler machen und welche Fehler häufiger gemacht werden als andere. Um Inhaltseffekte auszuschließen, hat man sich dabei meist syllogistischer Aufgaben bedient. Es zeigte sich, dass Menschen sehr häufig nicht formal-logisch denken, sondern stattdessen, besonders unter Zeitdruck, Heuristiken benutzen. Dabei lassen sich systematische Fehler erkennen, die in der Fachliteratur auch als Bias (engl. für Vorurteil, Befangenheit, Tendenz) oder Kognitive Verzerrung bezeichnet werden. So werden unlogische, aber vom Inhalt her glaubwürdige Schlussfolgerungen oft für wahr gehalten, ebenso logisch valide, aber unglaubwürdige Konklusionen irrtümlich für falsch (sog. Belief-Bias).[2] Ebenfalls verbreitet ist die Tendenz, Schlussfolgerungen eher für wahr zu halten, die die eigenen Überzeugungen bestätigen (sog. Bestätigungsfehler, englisch confirmation bias).
Siehe auch
Weblinks
- Markus Knauff: Deduktion, logisches Denken (PDF; 816 kB), Beitrag für den Band C/II/8 der Enzyklopädie der Psychologie „Denken und Problemlösen“
- Alan Baker: Non-Deductive Methods in Mathematics. In: Edward N. Zalta (Hrsg.): Stanford Encyclopedia of Philosophy.
Einzelnachweise
- P. Johnson-Laird, R. Byrne: Deduction. Psychology Press, Hove (GB) 1991, ISBN 0-86377-148-3.
- Vgl. z. B. H. Markovits / G. Nantel: The belief-bias effect in the production and evaluation of logical conclusions. In: Memory and Cognition 17/1 (1989), 11–17.