Das Friedensfest
Das Friedensfest ist ein Schauspiel in drei Akten des deutschen Nobelpreisträgers für Literatur Gerhart Hauptmann, das gegen Ende 1889 in Charlottenburg entstand und am 1. Juni 1890 im Ostendtheater Berlin[1] durch die Freie Bühne unter der Regie von Hans Meery[2] mit Emanuel Reicher als Robert und Josef Kainz als Wilhelm uraufgeführt wurde.[3]
Hauptmann habe kurzerhand Teile aus der Vita Frank Wedekinds verarbeitet – eine Ursache der später Differenzen zwischen beiden Dramatikern.[4][A 1] Zudem habe der Pianist Max Müller (1856–1938) aus Jena dem Jugendfreunde Gerhart für etliche Jahre die Freundschaft aus demselben Grund gekündigt.[5]
Überblick
An einem Weihnachtsabend in den 1880er Jahren: Die 46-jährige Minna Scholz bewohnt zusammen mit ihrer 29-jährigen Tochter Auguste und dem unausstehlichen[6] 28-jährigen Sohn Robert, einem Werbetexter, das einsame Landhaus auf dem Schützenhügel[A 2] bei Erkner. Zum maßlosen Erstaunen der Mutter kehrt der jahrelang abwesende 68-jährige Hausherr und Ehegatte Dr. med. Fritz Scholz[A 3] unangemeldet und sterbenskrank[7] heim. Der Mediziner, einst in türkischen Diensten sowie in Japan unterwegs gewesen, hat die Jahre außerhalb in Hotels zugebracht. Ebenfalls vor Jahren schon hatte der 26-jährige zweite Sohn Wilhelm, das Weite gesucht und sich „lange Zeit selbst durchgeschlagen“. Wilhelms Braut, die 20-jährige Ida Buchner und deren 42-jährige Mutter Marie Buchner hatten Wilhelm zu einem Versöhnungsversuch überredet und sind zu dritt auf dem Schützenhügel angereist. Frau Buchner will alles für das Glück ihrer Tochter tun. Die Versöhnung der drei Geschwister erweist sich als heikel. Die Weihnachtsfeier geht daneben. Als Ida unterm Christbaum die ersten vier Strophen von Ihr Kinderlein, kommet abgesungen hat, bricht der Streit aus.[A 4] Sarkastisch meinen Auguste und auch Robert, Ida wird wohl „auch kein Engel vom Himmel“[8] sein. Als Wilhelm Attacken auf seine Braut keinesfalls duldet und den Bruder verteufelt, entschlüpft Auguste die erste und einzige Wahrheit[9] in dem Stück. Sie herrscht Wilhelm an: „Das sagst Du? - pfui, du?! der die Hand gegen seinen eigenen Vater erhoben hat.“[10] Dr. Scholz tritt auf und kehrt den Hausherrn heraus: Im Hause ist entweder für Robert oder den Vater Platz. Robert geht freiwillig. Wilhelm, dem der Vater die Handgreiflichkeit zuvor verziehen hat[11], will sich mit dem Vater unbedingt künftig vertragen. Die Sinne des Vaters verwirren sich. Er missversteht die Umarmung des reuevollen Sohnes als erneuten tätlichen Angriff, erfleht von Wilhelm Schonung, phantasiert, liegt schwerkrank danieder, wird ärztlich versorgt und überlebt die übermäßige Erregung nicht.
Gerhart Hauptmann bietet so etwas wie ein Happy End. Der Zuschauer darf mit Frau Buchner hoffen, Wilhelm und Ida kriegen sich.
Rezeption
- 1922: Julius Bab schreibt, die „Scholzens“ seien „nicht weniger tragische Gestalten als die Atriden“.[12]
- 1952: Mayer zitiert Fontane: „Es sieht in Tausenden von Familien nicht viel anders aus. Was da gegeben ist, ist typisch, und es ist wahr wiedergegeben und ohne Übertreibung.“[13]
- 1980: Guthke möchte das Stück ob seiner „zeitlosen Tragik“ nicht in die Schublade Naturalismus einordnen.[14]
- 17. Januar 1994: im ND zu der Aufführung in den Kammerspielen des Deutschen Theaters, Regie Jürgen Gosch: Eine gewöhnliche deutsche Familienkatastrophe.
- 1996: Leppmann schreibt, zum Erfolg der Uraufführung habe besonders Josef Kainz beigetragen, obwohl dem begnadeten Künstler viel souffliert werden musste.[15]
- 1998: Sprengel sieht das Stück gegenüber seinem Vorgänger Vor Sonnenaufgang und Nachfolger Einsame Menschen als Gipfelpunkt „mit diesem ganzen Apparat naturalistischer Technik“. Als anstrengend empfindet der Zuschauer überbordende Unbestimmtheit. Gemeint sind die überhandnehmenden unabgeschlossenen Sätze.[16]
- 1998: Marx schreibt dazu: Hauke Stroszeck habe diese mannigfaltigen Anspielungen – ungeachtet der poetologischen Absicht Gerhart Hauptmanns – „vereindeutigen“ wollen.[17]
Literatur
Buchausgaben
- Das Friedensfest. Eine Familienkatastrophe. Bühnendichtung. S. Fischer, Berlin 1899[18]
- Das Friedensfest. Eine Familienkatastrophe. S. 185–257 in Gerhart Hauptmann: Ausgewählte Dramen in vier Bänden. Bd. 1. Mit einer Einführung in das dramatische Werk Gerhart Hauptmanns von Hans Mayer. 692 Seiten. Aufbau-Verlag, Berlin 1952 (verwendete Ausgabe)
Sekundärliteratur
- Gerhard Stenzel (Hrsg.): Gerhart Hauptmanns Werke in zwei Bänden. Band II. 1072 Seiten. Verlag Das Bergland-Buch, Salzburg 1956 (Dünndruck), S. 1045 Inhaltsangabe
- Wolfgang Leppmann: Gerhart Hauptmann. Eine Biographie. Ullstein, Berlin 1996 (Ullstein-Buch 35608), 415 Seiten, ISBN 3-548-35608-7 (identischer Text mit ISBN 3-549-05469-6, Propyläen, Berlin 1995, untertitelt mit Die Biographie)
- Friedhelm Marx: Gerhart Hauptmann. Reclam, Stuttgart 1998 (RUB 17608, Reihe Literaturstudium). 403 Seiten, ISBN 3-15-017608-5
- Peter Sprengel: Geschichte der deutschsprachigen Literatur 1870–1900. Von der Reichsgründung bis zur Jahrhundertwende. München 1998, ISBN 3-406-44104-1
- Peter Sprengel: Gerhart Hauptmann. Bürgerlichkeit und großer Traum. Eine Biographie. 848 Seiten. C.H. Beck, München 2012 (1. Aufl.), ISBN 978-3-406-64045-2
Weblinks
- Der Text online im Internet Archive (S. Fischer, Berlin 1904, 6. Aufl.)
- Eintrag bei theatertexte.de
- Einträge im WorldCat
Anmerkungen
- Wedekind habe sich 1891 mit der Komödie Die junge Welt (vormals Kinder und Narren) gerächt. Ein auf der Bühne umherstolzierender Dichter Meier notiert unausgesetzt die Rede seiner Freunde (Leppmann, S. 133 und 336).
- Wuhlhorster Hügel nahe beim Karutzsee (Kurt Lothar Tank bei rowohlt.de und Karutzsee).
- Gerhart Hauptmann teilt nicht mit, weshalb Dr. Scholz sein Haus vor Jahren verlassen hat. Der alleingelassene Zuschauer könnte einen handfesten politischen Grund erraten. Denn Sohn Robert verweist gegen Ende des Dramas auf die revolutionäre Vergangenheit seines Erzeugers: „Anno achtundvierzig hat Vater auf den Barrikaden angefangen, und als einsamer Hypochonder macht er den Schluß.“ (Verwendeten Ausgabe, S. 250, 18. Z.v.o.) Wilhelm beschreibt den Vater als Sonderling und klagt über seine Kinderjahre: „Mit einem Mal verfiel er [der Vater] dann auf uns, Robert und mich, um Auguste hat er sich gar nicht gekümmert. Volle zehn Stunden täglich hockten wir über Büchern … das Kerkerloch … stieß an sein Arbeitszimmer … Wir wehrten uns …“. (Verwendeten Ausgabe, S. 217, 12. Z.v.u.)
- Dem Autor kann Schwarzweißmalerei nicht vorgeworfen werden. Zum Beispiel will sich Robert vor dem Eklat mit dem Bruder aussöhnen (siehe verwendete Ausgabe, S. 227, Mitte).
Einzelnachweise
- Notiz zur UA
- Hans Meery in der DB
- Hans Mayer in der verwendeten Ausgabe, S. 36, 17. Z.v.o.
- Sprengel anno 1998, S. 495, 9. Z.v.u. sowie Mayer, S. 34, 11. Z.v.u.
- Sprengel anno 2012, S. 73, siehe auch Max Müller in der DB
- Verwendete Ausgabe, S. 232, 3. Z.v.u.
- Verwendete Ausgabe, S. 230, 6. Z.v.u.
- Verwendete Ausgabe, S. 236, 16. Z.v.o.
- Sprengel anno 1998, S. 496, 12. Z.v.u.
- Verwendete Ausgabe, S. 236, 10. Z.v.u., siehe auch S. 220 unten sowie S. 222, 13. Z.v.o.
- Verwendete Ausgabe, S. 222, 18. Z.v.o.
- Bab, zitiert bei Marx, S. 57, 8. Z.v.o.
- Fontane, zitiert bei Mayer in der verwendeten Ausgabe, S. 35, 15. Z.v.o.
- Guthke erwähnt bei Marx, S. 57, 11. Z.v.o.
- Leppmann, S. 132 oben
- Sprengel anno 1998, S. 497, 6. Z.v.o.
- Marx, S. 57, 3. Z.v.u.
- Buchausgabe 1899 Eintrag im WorldCat