C/1885 X2 (Barnard)
C/1885 X2 (Barnard) war ein Komet, der im Jahr 1886 mit dem bloßen Auge gesehen werden konnte.
C/1885 X2 (Barnard)[ i ] | |
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Eigenschaften des Orbits (Animation) | |
Orbittyp | hyperbolisch |
Numerische Exzentrizität | 1,00020 |
Perihel | 0,479 AE |
Neigung der Bahnebene | 84,4° |
Periheldurchgang | 3. Mai 1886 |
Bahngeschwindigkeit im Perihel | 60,8 km/s |
Geschichte | |
Entdecker | Edward E. Barnard |
Datum der Entdeckung | 4. Dezember 1885 |
Ältere Bezeichnung | 1886 II, 1885e |
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Entdeckung und Beobachtung
Am Abend des 1. Dezember 1885 war der Komet C/1885 X1 (Fabry) in Paris entdeckt worden. Bis zum folgenden Abend war die Nachricht davon bei dem Kometensucher Edward E. Barnard in Nashville (Tennessee) eingegangen, der diesen Kometen ebenfalls erfolgreich beobachten konnte. Am darauf folgenden Abend des 3. Dezember 1885 (Ortszeit) waren die Beobachtungsbedingungen für diesen Kometen aber zunächst ungünstig, und Barnard begann den Himmel mithilfe eines 15 cm-Refraktors nach weiteren Kometen abzusuchen. Nach zwei Stunden fand er ein ihm unbekanntes nebliges Objekt.[1]
Es war seine fünfte Kometenentdeckung und der Komet befand sich zu diesem Zeitpunkt noch weit von der Sonne entfernt, jenseits der Umlaufbahn des Mars. Dennoch wurde er im weiteren Verlauf des Monats bereits intensiv beobachtet, u. a. auch von Ralph Copeland in Schottland, Herbert H. Turner am Royal Greenwich Observatory, Ladislaus Weinek in Prag, Ernst Wilhelm Leberecht Tempel in Italien und Alphonse Louis Nicolas Borrelly in Marseille. Bis zum Februar 1886 bot der Komet nur einen sehr diffusen und schwachen Eindruck, und erst gegen Ende des Monats begann sich ein kleiner Schweif auszubilden. Ende März war die Helligkeit bis auf etwa 8 mag angewachsen.
Im April 1886 bewegte sich der Komet seiner größten Annäherung an Sonne und Erde entgegen, aber er konnte nur noch direkt über dem Horizont in der Abenddämmerung beobachtet werden und ab Ende des Monats erschien er dann in der Morgendämmerung. Die Helligkeit hatte inzwischen etwa 5,5 mag erreicht und der Schweif eine Länge von 2°.
In der ersten Maihälfte wurde der Komet von mehreren Beobachtern auch mit bloßem Auge beobachtet, die eine Helligkeit von 5 mag und eine Schweiflänge von 3° berichteten. Die letzte Beobachtung auf der Nordhalbkugel gelang Barnard am 17. Mai. Nach Durchlaufen seiner größten Annäherung an die Sonne bewegte sich der Komet am Himmel rasch nach Süden und wurde ab Ende des Monats von einigen wenigen Beobachtern auf der Südhalbkugel weiter verfolgt, darunter William Henry Finlay am Royal Observatory am Kap der Guten Hoffnung und John Tebbutt in Windsor (New South Wales) in Australien. Tebbutt konnte ihn noch am 3. Juni mit bloßem Auge erkennen, er entfernte sich jedoch rasch und verblasste, und die letzte Beobachtung erfolgte schließlich am 26. Juli 1886.[2]
Etwa während des gleichen Zeitraums, in dem der Komet Barnard beobachtet werden konnte, war auch der knapp 2½ Tage zuvor entdeckte Komet Fabry am Himmel zu sehen, der die meiste Zeit noch etwas heller erschien. Am Abend des 24. April 1886 näherten die beiden Kometen sich einander bis auf weniger als 7° Abstand an.
Wissenschaftliche Auswertung
Als Komet mit einer gesicherten hyperbolischen Umlaufbahn zog der Komet Barnard das Interesse der Astronomen auf sich, die den möglichen interstellaren Ursprung der Kometen untersuchten. Insbesondere versuchte man die Bahnelemente der Kometen nach rückwärts zu berechnen, um dadurch nachzuprüfen, ob die Bahnform sich beim Durchgang durch das innere Sonnensystem verändert hatte.
Der erste, der nach eigenen Berechnungen vermutete, dass sich die Hyperbelbahn des Kometen Barnard erst infolge der Bahnstörungen durch die großen Planeten aus einer sehr langgestreckten Ellipse entwickelt hatte, war der deutschen Astronom Anton Thraen.[3] Entsprechende Berechnungen, die diese Annahme bestätigten, wurden auch von Louis Fabry, Gaston Fayet, Svante Elis Strömgren und George Van Biesbroeck durchgeführt.[4]
Strömgren errechnete unter Berücksichtigung der Bahnstörungen nur durch Jupiter und Saturn für die ursprünglich elliptische Bahn des Kometen Barnard eine Große Halbachse von etwa 3150 AE.[5] In einer neueren Untersuchung von 1978 gaben Marsden, Sekanina und Everhart einen ähnlichen Wert von etwa 3000 AE für die Große Halbachse an.[6]
Die Bahnelemente des Kometen C/1885 X2 wurden neben denen von 18 anderen extrem langperiodischen Kometen von Jan Hendrik Oort zur Herleitung seiner Hypothese der Oortschen Kometenwolke[7] benutzt.[8]
Umlaufbahn
Für den Kometen konnte aus 56 Beobachtungen über einen Zeitraum von 150 Tagen eine sehr präzise hyperbolische Umlaufbahn bestimmt werden, die um rund 84° gegen die Ekliptik geneigt ist.[9] Die Bahn des Kometen steht damit fast senkrecht zur Bahnebene der Planeten. Im sonnennächsten Punkt der Bahn (Perihel), den der Komet am 3. Mai 1886 durchlaufen hat, befand er sich mit etwa 71,7 Mio. km Sonnenabstand im Bereich zwischen den Umlaufbahnen von Merkur und Venus. Am 9. Mai ging er in 70,0 Mio. km Abstand am Merkur vorbei und am 14. Mai passierte er die Venus in 75,7 Mio. km Distanz. Am 27. Mai erfolgte mit etwa 0,34 AE/50,1 Mio. km Abstand seine größte Annäherung an die Erde. Dieser relativ nahe Vorbeigang war der Grund für seine beobachtete Helligkeit.
Der Komet bewegte sich einige Zeit vor seiner Annäherung an das innere Sonnensystem im Jahr 1886 noch auf einer extrem langgestreckten elliptischen Bahn mit einer Bahnexzentrizität von etwa 0,99975 und einer Großen Halbachse von etwa 2450 AE. Er hatte damit eine Umlaufzeit von etwa 120.000 Jahren und war vermutlich erst wenige Male zuvor in die Sonnennähe gelangt. Durch die Anziehungskraft der Planeten, insbesondere während Vorbeigängen am Saturn am 28. August 1884 und am Jupiter am 31. Mai 1886 in jeweils etwa 5 AE Abstand wurde die Exzentrizität seiner Bahn jedoch auf einen Wert von etwa 1,00003 vergrößert, so dass er sich jetzt auf einer hyperbolischen Bahn entfernt. Der Komet wird daher nicht mehr in das innere Sonnensystem zurückkehren.[10]
Siehe auch
Einzelnachweise
- W. Sheehan: The Immortal Fire Within: The Life and Work of Edward Emerson Barnard. Cambridge University Press, Cambridge 1995, ISBN 0-521-44489-6, S. 80–81.
- G. W. Kronk: Cometography - A Catalog of Comets, Volume 2. 1800–1899. Cambridge University Press, Cambridge 2003, ISBN 0-521-58505-8, S. 561–566.
- Illustriertes Jahrbuch der Naturkunde. 10. Jg., Teschen 1912, zitiert von F. Neureuter in: Unser Eichsfeld. Zeitschrift des Vereins für Eichsfeldische Heimatkunde. 8. Bd., Heiligenstadt 1913, S. 59–60 (Link).
- G. Abetti, W. E. Bernheimer, K. Graff, A. Kopff, S. A. Mitchell (Ed.): Handbuch der Astrophysik. Bd. IV Das Sonnensystem. Springer, Berlin, Heidelberg 1929, ISBN 978-3-662-38835-8, S. 429–430 doi:10.1007/978-3-662-39753-4.
- E. Strömgren, B. Strömgren: Lehrbuch der Astronomie. Springer, Berlin 1933, ISBN 978-3-642-89464-0, S. 310–311 doi:10.1007/978-3-642-91320-4.
- B. G. Marsden, Z. Sekanina, E. Everhart: New Osculating Orbits for 110 Comets and Analysis of Original Orbits for 200 Comets. In: The Astronomical Journal. Vol. 83, No. 1, 1978, S. 64–71 doi:10.1086/112177.
- J. H. Oort: The Structure of the Cloud of Comets Surrounding the Solar System, and a Hypothesis Concerning Its Origin. In: Bulletin of the Astronomical Institutes of the Netherlands. Vol. 11, Nr. 408, 1950. S. 91–110, bibcode:1950BAN....11...91O.
- P. A. Dybczyński: On the famous Oort table. Abgerufen am 11. September 2015 (englisch).
- C/1885 X2 (Barnard) in der Small-Body Database des Jet Propulsion Laboratory (englisch).
- SOLEX 11.0 von A. Vitagliano. Archiviert vom Original am 18. September 2015; abgerufen am 2. Mai 2014 (englisch).