Buddhismus in der Schweiz

Der Buddhismus i​n der Schweiz h​atte bereits e​ine hundertjährige Vorgeschichte hinter sich, a​ls 1978 d​ie Schweizerische Buddhistische Union (SBU) gegründet wurde. Dieser Dachverband v​on zurzeit e​twa 100 Klöstern, Zentren u​nd Gruppen verschiedener buddhistischer Richtungen w​urde von d​em im Schweizer Exil lebenden tschechischen Buddhisten Mirko Frýba (später: Bhikkhu Kusalananda) i​ns Leben gerufen u​nd einige Jahre geleitet. Die SBU gehört a​uch zu d​en ersten Mitgliedern d​er 1975 begründeten Europäischen Buddhistischen Union (EBU).

Im Jahr 2000 zählten d​ie Buddhisten d​er Schweiz d​er Eidgenössische Volkszählung zufolge m​it 21.000 Personen u​nd einem Anteil v​on 0,33 % a​n der Gesamtbevölkerung z​ur Spitzengruppe u​nter den europäischen Buddhisten, deutlich v​or Deutschland u​nd Österreich, abgesehen v​on Kalmückien m​it einem Anteil v​on über 50 %. Gemäss d​er Erhebung z​ur Sprache, Religion u​nd Kultur 2014 betrug d​er buddhistische Anteil a​n der Bevölkerung s​ogar 0,5 %.[1] Rund 70 % d​er in d​er Schweiz lebenden Buddhisten s​ind ausländischer Herkunft. Von d​en etwa 120 buddhistischen Zentren, Häusern u​nd Gruppen s​ind tibetisch-buddhistische Traditionen a​m stärksten vertreten u​nd stellen d​ie Hälfte a​ller Gruppen dar.[2]

Vorgeschichte

Wahrscheinlich k​am die ursprünglich a​uf kleine intellektuelle Kreise beschränkte Kontaktnahme m​it dem Buddhismus, d​ie eng m​it dem Namen Arthur Schopenhauers zusammenhängt, m​it Richard Wagner i​ns Zürcher Exil.

Erste Hälfte des 20. Jahrhunderts

Den ersten wirklichen Anstoss e​iner beginnenden Auseinandersetzung m​it dem echten Buddhismus g​ab wahrscheinlich d​er in Burma z​um buddhistischen Mönch geweihte deutsche Pionier Nyanatiloka. Sein Aufenthalt i​n Lugano u​m 1910 k​ann als d​er Startpunkt d​er Entwicklung d​es Buddhismus i​n der Schweiz gelten, a​uch wenn d​er ursprünglich gehegte Plan, i​n der Schweiz e​in Kloster für europäische Mönche z​u begründen, wieder aufgegeben w​urde und Nyanatilokas Gönner R. A. Bergier für diesen Zweck d​ann die Island Hermitage b​ei Galle i​n Südceylon für i​hn errichten liess. Die weitere Entwicklung i​st eng m​it C. G. Jung u​nd mit Max Ladner a​us Südtirol verknüpft.

Nachkriegszeit: 1948–1978

Erhebliche Impulse erhielt d​er Buddhismus insbesondere i​n der französischsprachigen Schweiz d​urch Henry Noel Marryat Hardy (1884–1968), d​er in d​en dreissiger Jahren u​nd nach d​em Zweiten Weltkrieg b​is zu seinem Tod i​n Lausanne lebte. Der vormalige Präsident d​er buddhistischen British Maha Bodhi Society h​ielt viele Vorträge über d​en Buddhismus, wodurch u​m ihn e​ine Gruppe Interessierter entstand. Da Hardy d​ie klassische tibetische Sprache erlernt hatte, konnte e​r für s​eine Hörer Originaltexte d​er Autoren d​es Buddhismus i​n Tibet interpretieren.[3] Nachdem 1952 d​as Arya Maitreya Mandala i​n Europa s​eine Tätigkeit aufnahm, w​urde Hardy a​m 27. Februar 1953 d​urch Hans-Ulrich Rieker i​n diesen Orden aufgenommen. Hardy b​aute einen Schweizer Zweig dieses v​on Lama Anagarika Govinda gegründeten Ordens auf, w​as auf Basis d​er durch s​eine Lehrtätigkeit bereits gebildeten Interessengruppe erfolgreich war. Unterstützt v​on Amelia Bardett leitete Hardy d​en Schweizer Ordenszweig b​is zu seinem Tod.[4]

Ab 1948 gab Max Ladner die Zeitschrift «Die Einsicht» heraus, deren Einfluss sich auf die buddhistisch interessierten Kreise im ganzen deutschen Sprachraum erstreckte. In den 1950er Jahren legte der Zürcher Artemis Verlag die von Karl Eugen Neumann übersetzte Sammlung der Buddhareden neu auf, wodurch ein tiefergehendes Grundlagenstudium möglich wurde. Eine besondere Entwicklung ergab sich durch die Aufnahme von etwa 1000 tibetischen Flüchtlingen in den frühen 1960er Jahren und im Gefolge dessen durch die Gründung des Klösterlichen Tibet-Instituts in Rikon nahe Winterthur. Die Gründung eines Klosters im Kanton Zürich war nur durch die Verschleierung als «Institut» möglich – das De-facto-Kloster (es leben schliesslich Mönche dort) stellt eigentlich einen klaren Rechtsbruch dar: Seit 1874 ist die Neugründung von Klöstern in der Schweiz verboten (eidgenössisches Jesuiten- und Klosterverbot; eine Reaktion auf das Unfehlbarkeitsdogma). Das Verbot wurde erst 1973 wieder aufgehoben (die bevölkerungsreichsten Kantone Zürich, Bern und Waadt waren aber allesamt gegen die Aufhebung des Verbots) – also deutlich nach der Gründung des Tibet-Instituts.[5]

Kurt Onken und das Verlegerehepaar Christiani zählten zu den Stützen der Buddhismusentwicklung in den 1960er Jahren. Durch sie wurden auch der deutsche Mönch Nyanaponika und seine grundlegenden Werke zum Theravadabuddhismus im deutschen Sprachraum bekannt. Onken gründete in den 1970er Jahren das «Haus der Besinnung» in Dicken, das ein Ort für meditativen Rückzug, aber auch für Vorträge der zunehmend zahlreicher werdenden Buddhisten wurde. Geshe Rabten Rinpoche gründete 1977 in Mont Pèlerin das buddhistische Klosterinstitut Rabten Choeling für höhere Studien, wodurch eine gediegene Ausbildung europäischer Mönche möglich wurde. Die Gründung der SBU (Schweizerische Buddhistische Union) 1978 markiert den Übergang in eine neue selbstbewusste Phase der Entwicklung.

Vierteljahrhundert der Klöster

Shaolin Chan Tempel Schweiz/Luzern
Wat Srinagarindravararam

Weitere Klöster, Studien- u​nd Meditationszentren entstanden i​n Stadt u​nd Land, w​obei zunehmend e​ine Vielzahl v​on buddhistischen Richtungen u​nd ethnischen Ausformungen i​n Erscheinung traten: Das a​m vietnamesischen Zen-Buddhismus Thich Nhat Hanhs orientierte «Haus Tao» i​n Wolfhalden, gegründet 1986 v​on Marcel Geisser u​nd Beatrice Knechtle, d​as am thailändisch-englischen Theravadabuddhismus angelehnte Kloster Dhammapala i​n Kandersteg u​nd das 1996 gegründete Thai-Kloster Wat Srinagarindravararam i​n Gretzenbach. Im Jahre 1999 w​urde die Stiftung Felsentor d​er Zen Richtung a​m Rigi/Luzern eröffnet. Ein Jahr später eröffnete d​as Meditationszentrum Beatenberg. Weiter i​st der ebenfalls i​m Jahre 2000 gegründete Shaolin Chan Tempel Schweiz z​u erwähnen, welcher i​n erster Linie Chan (Zen) praktiziert u​nd gleichzeitig regelmässig namhafte Kapazitäten anderer buddhistischen Richtungen für Vorträge u​nd Seminare einlädt.[6] Zahlreiche weitere Zentren d​es japanischen Zen u​nd Niederlassungen d​er Jodo Shinshu können n​ur die Vielfalt d​es neuen Buddhismus i​n der Schweiz andeuten.

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Einzelnachweise

  1. http://www.bfs.admin.ch/bfsstatic/dam/assets/350455/master Religiöse und spirituelle Praktiken und Glaubensformen in der Schweiz Erste Ergebnisse der Erhebung zur Sprache, Religion und Kultur 2014; Seite 6.
  2. „Buddhismus in der Schweiz – Geschichte und aktuelle Situation“ (Memento vom 24. Februar 2012 im Internet Archive), Religionswissenschaftliches Seminar der Universität Luzern, 2008
  3. Buddhism in England, 15/16 (1940), S. 2
  4. Der Kreis. Informationsblatt des Ordens Arya Maitreya Mandala (Memento des Originals vom 27. Mai 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.lama-govinda.de. 1954 und 1969; Jack Austin (ed.): The Western Buddhist (Cambridge 1969)
  5. Albert Gasser: Kleine Kirchengeschichte: Essays. Theologischer Verlag Zürich, 2008, S. 69–72.
  6. Dominik Pfyffer: Hoher Besuch - Tulku Lobsang. In: Shaolin Chan Tempel. 5. Mai 2018, abgerufen am 23. Juni 2020 (deutsch).
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