Brodyer Synagoge (Leipzig)
Die Brodyer Synagoge ist eine Synagoge an der Keilstraße 4–6 in Leipzig.[1] Die Synagoge wurde nach der Stadt Brody in der heutigen Ukraine benannt.
Beschreibung
Die Brodyer Synagoge ist eine orthodoxe Synagoge in Sachsen. Der jüdische Sakralbau ist Bestandteil der geschlossenen Bebauung im Bereich nördlich des Leipziger Innenstadtrings. Die der Keilstraße zugewandte Fassade des Sakralbaus zeigt im Erdgeschoss radförmige Fenster mit farbiger Kunstverglasung.
Vorgängerbauten in Leipzig
Der Sakralbau in der Keilstraße 4 geht auf die 1763/64 gegründete Leipziger Brody Schul (jiddisch:שול בראָד/ברוד) am Brühl 71 (Haus „Blauer Harnisch“) zurück, die von ostjüdischen Pelzwarenhändlern aus Brody nach ihrer ostjüdischen Synagoge aus ihrem galizischen Herkunftsort benannt wurde. Die aus dem galizischen Schtetl Brody kommenden ostjüdischen Rauchwarenhändler Harmelin besaßen im „Blauen Harnisch“ in Leipzig ein Warenlager. Die Familie Harmelin aus dem ukrainischen Brody führte eine Borsten- und Fellkommissionsfirma in Leipzig.
Leipziger Synagoge in der Keilstraße 4
Der Betsaal in der Keilstraße 4 in Leipzig befand sich in einem Doppelwohnhaus, das 1898 für den Leipziger Zimmermeister Louis Börner nach Entwürfen von Georg Wünschmann erbaut wurde.
Am 16. Dezember 1901 wurde der Bauantrag für die Einrichtung eines Betsaales in der Keilstraße 4 gestellt. Die Entwürfe lieferte Oscar Schade. Der Sakralraum sollte eingewanderten, orthodoxen Ostjuden dienen, die in der Leipziger Synagoge keinen Gottesdienst halten konnten, da dort nur reformierter Gottesdienst gehalten werden durfte. 1903 erwarb der Talmud-Thora-Verein unter Vorsitz des jüdischen Kaufmanns und Bankiers Martin Samuel Kroch[2], (Vater von Hans Kroch) das Gebäude von Friedrich Gutfreund. Bei dem Umbau im Jahre 1904 wurden die Wohnungen des Erd- und ersten Obergeschosses zu einem einzigen Raum zusammengefasst. Nach den Umbauarbeiten wurde die Synagoge nach dem Ort Brody benannt.
Am 30. Juni 1937 ging die Räumlichkeit im Rahmen der Arisierung auf eine Grundstücksverwaltung-Treuhand-AG über. Alfred Eibenschütz war Kantor (Chasan), als Oberkantor wirkte Hillel Schneider und ab 1938 Samuel Lampel. Ephraim Carlebach war Religionslehrer und späterer Rabbiner der Synagoge. In der Pogromnacht vom 9./10. November 1938 wurde die Innenausstattung demoliert und der Sakralraum entweiht, weil sie sich in einem Wohnhaus befand, wurde sie aber nicht angezündet. Danach wurde das Gebäude als Seifenfabrik benutzt. Das Gebäude wurde am 28. Oktober 1945 wieder eingeweiht und ist seitdem die einzige Synagoge Leipzigs. Nach einer Restaurierung wurde das Gebäude am 22. Mai 1993 erneut als Synagoge geweiht und wird seither von der Jüdischen Gemeinde Leipzig genutzt.
Architektur und Ausstattung
Die Synagoge hat ein Platzangebot von 510 Sitzplätzen. Das Gebäude ist ein Emporensaal. Die Emporen ruhen auf Säulen, die orientalisch historisierend gestaltet sind:
„Der dreischiffige Raum mit dreiseitig umlaufender Frauenempore ist reich im neomaurischen Stil ausgestattet: arabeske Formen und vielfarbige geometrische Muster geben einen Eindruck davon, wie die einst zahlreichen ‚maurischen‘ Synagogen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts gewirkt haben mögen. Die Leipziger Synagoge ist heute die einzige dieses Stils in Deutschland, die noch von einer jüdischen Gemeinde genutzt werden kann.“[3]
Die originale Ausstattung wurde in der Reichspogromnacht vom 9./10. November 1938 zerstört. Im Toraschrein befinden sich derzeit vier Thorarolen aus dem 18. und 19. Jhdt. mit reicher Silberarbeit. Die Stäbe der Schriftrollen sind mit Kronen (Keter), an denen Glöckchen hängen, geschmückt. Vor den Rollen ist ein massives Umhängeschild (Tass) teilweise mit angehängten Widmungsmedaillons ausgestattet.
Literatur
- Wolfgang Hocquél: Leipzig: Baumeister und Bauten: von der Romanik bis zur Gegenwart. Tourist Verlag, Berlin/ Leipzig 1990, ISBN 3-350-00333-8, Synagoge, Keilstraße 4., S. 149.
- Heinrich Magirius, Johannes Gerdes (Sachsen. Landesamt für Denkmalpflege): Stadt Leipzig – die Sakralbauten. Mit einem Überblick über die städtebauliche Entwicklung von den Anfängen bis 1989. Band 1. Dt. Kunstverlag, München 1995, ISBN 3-422-00568-4, Brodyer Synagoge, S. 801–803.
- Adolf Diamant: Chronik der Juden in Leipzig. Aufstieg, Vernichtung, und Neuanfang. Verl. Heimatland Sachsen, Chemnitz/ Leipzig 1993, ISBN 3-910186-08-4, S. 230, 268.
- Steffen Held: Die Synagoge der Israelitischen Religionsgemeinde zu Leipzig. Leipziger Geschichtsverein e.V., Leipzig 1999.
- Sylvia Kabus: Wir waren die Letzten…: Gespräche mit vertriebenen Leipziger Juden. Sax-Verlag, Leipzig 2003, ISBN 978-3-934544-41-3, S. 119.
- Barbara Kowalzik: Jüdisches Erwerbsleben in der inneren Nordvorstadt Leipzigs 1900–1933. Hrsg.: Petra Listewnik. Leipziger Universitätsverlag, Leipzig 1999, ISBN 978-3-933240-84-2, S. 22, 29 ff.
- Bernd-Lutz Lange: Jüdische Spuren in Leipzig. Forum Verlag Leipzig, Leipzig 1993, ISBN 978-3-86151-049-9, S. 43–47.
- Horst Riedel: Stadtlexikon Leipzig von A bis Z. Pro Leipzig, Leipzig 2005, ISBN 978-3-936508-82-6, S. 584 f.
Weblinks
- Deutsch-Russisches-Zentrum Sachsen e.V. Brodyer Synagoge - Talmud-Thora-Synagoge. (Nicht mehr online verfügbar.) In: juden-in-Sachsen.de. Archiviert vom Original am 4. Juli 2015; abgerufen am 28. Februar 2018.
- Jüdischer Messmakler Max Hermelin aus Brody (Ukraine) und sein Warenlager im Leipziger Haus „Zum Blauen Harnisch“. (Nicht mehr online verfügbar.) In: juden-in-Sachsen.de. Archiviert vom Original am 4. Juli 2015; abgerufen am 28. Februar 2018.
Einzelnachweise
- Heinrich Magirius, Johannes Gerdes (Sachsen. Landesamt für Denkmalpflege): Stadt Leipzig – die Sakralbauten. Mit einem Überblick über die städtebauliche Entwicklung von den Anfängen bis 1989. Band 1. Dt. Kunstverlag, München 1995, ISBN 3-422-00568-4, Brodyer Synagoge, S. 801–802.
- Hans-Otto Spithaler, Rolf H. Weber, Monika Zimmermann: Kroch – Der Name bleibt: Das Schicksal eines jüdischen Familienunternehmens in Leipzig. Mitteldeutscher Verlag, Halle 2018, ISBN 978-3-96311-007-8, S. 16.
- Beschreibung der Brodyer Synagoge. (Nicht mehr online verfügbar.) In: www.zentralratdjuden.de. Archiviert vom Original am 4. März 2016; abgerufen am 6. März 2018.