Boris Awramowitsch Kusnezow
Boris Awramowitsch Kusnezow (russisch Бори́с Авра́мович Кузнецо́в; * 19. März 1944 in Kirow) ist ein russischer Rechtsanwalt. Er arbeitete ursprünglich 20 Jahre als Kriminalkommissar bei der Polizei und wurde erst später Rechtsanwalt, wobei er durch die Vertretung bzw. Verteidigung in spektakulären und international bekannten Rechtsfällen auf sich aufmerksam machte.[1] Seit 2007 befindet er sich aus Furcht vor möglichen Nachstellungen des russischen Geheimdienstes im US-amerikanischen Exil.[2]
Bekannte Rechtsfälle
Boris Kusnezow vertrat in Russland konträre Mandate und erlangte durch seine Tätigkeit relativ großen Wohlstand.[3]
So vertrat er den Konteradmiral Juri Klimtschugin, der laut Gerichtsurteil ein Schiffsdock um 4,515 Millionen US-Dollar unter dem Marktwert verkauft haben soll[4], 2002 den der Spionage bezichtigten Wissenschaftler Igor Wjatscheslawowitsch Sutjagin[5] und den Ex-Berater des früheren russischen Präsidenten Boris Jelzin, Pawel Pawlowitsch Borodin, gegen den die Schweiz die Auslieferung beantragt hatte, weil ihm vorgeworfen wurde, in eine Bestechungsaffäre um zwei schweizerische Baufirmen verwickelt und an der Geldwäsche von 25 Millionen Dollar beteiligt gewesen zu sein.[6]
Er verteidigte 1991 den KGB-Generalmajor Oleg Kalugin in einem Verfahren gegen den sowjetischen Parteichef Michail Gorbatschow[7], den früheren Vizevorstandschef der Unikumbank, Andrej Gloriosow, der etwa 231 Millionen US-Dollar unterschlagen haben soll, die für die Kreditierung Indiens beim Kauf von MiG-29-Kampfflugzeugen bestimmt waren,[8] und die Menschenrechtlerin Manana Aslamasjan, Leiterin der aus dem Westen finanzierten unabhängigen Stiftung Internews,[9] wie auch später die Familie der ermordeten Journalistin Anna Politkowskaja. Dieses Mandat wurde nach der Flucht von Boris Kusnezow von Anna Stawizkaja (* 1972) übernommen.[10]
Der bekannteste Fall war vermutlich die 2001 bis 2006 erfolgte Vertretung von 55 Hinterbliebenen im Fall des Mitte August 2000 in der Barentssee gesunkenen Atom-U-Bootes Kursk gegen das Oberkommando der Russischen Seekriegsflotte, wobei es nicht um die materielle Entschädigung ging, sondern die vollständige Aufklärung des Untergangs des U-Bootes.[11]
Gründe für die Flucht und Exil
Boris Kusnezow vertrat 2006 den ehemaligen Bundessenator aus der Provinz Kalmückien, Lewon Tschachmachtschjan[12], der im Februar verhaftet und verdächtigt wurde, auf betrügerischem Wege 300.000 Dollar vom Chef der Transaero Airlines erhalten und weitere 1,2 Mio. Dollar in Aussicht gestellt bekommen zu haben. Boris Kusnezow beantragte als dessen Rechtsanwalt beim russischen Verfassungsgericht, die Entscheidung des Obersten Gerichts vom 23. Mai 2006, Tschachmachtschjan abhören zu dürfen, als gesetzeswidrig zu erkennen. Das Gericht wies den Antrag Kusnezows wegen Unzuständigkeit zurück und übermittelte Unterlagen dem russischen Geheimdienst. Kurz darauf wurde Kusnezows Anwaltsimmunität aufgehoben und er selbst am 11. Juli wegen der Preisgabe von Staatsgeheimnissen angeklagt.[13]
Die Moskauer Rechtsanwaltskammer stellte sich hinter Kusnezow und deren Präsident, Genri Resnik, erklärte, dass Kusnezow überhaupt kein Staatsgeheimnis verraten habe, seine Verfolgung sei ausschließlich „politischer Natur“, „eine Rache an einem unbequemen Anwalt und gleichzeitig eine Botschaft an alle russischen Anwälte“.[14]
Literatur
Boris Kusnezow und das Verfahren von Bundessenator Lewon Tschachmachtschjan sowie die Flucht des Anwalts wird auszugsweise in der Politsatire Diamantentropfen von Manfred Quiring erwähnt.[15]
In Pulverfass Russland: Wohin steuert die Großmacht? von Dirk Sager[16] wird über die Gründe für die Flucht von Boris Kusnezow kurz ausgeführt.
Einzelnachweise
- Die Methode FSB, Die Zeit online, Oktober 2007, zuletzt geändert 6. Dezember 2013.
- Ihr drittes Kind kam im Gefängnis zur Welt, Die Welt, 26. Februar 2009. Russland: Moskauer Top-Anwalt bittet USA um Asyl, Sputnik, 5. Februar 2008.
- Die Methode FSB, Die Zeit online, Oktober 2007, zuletzt geändert 6. Dezember 2013.
- Ex-Admiral wehrt sich gegen Schadensforderungen der Marine (Memento vom 8. Mai 2015 im Internet Archive), Russland.RU, 20. Juni 2006.
- Star-Anwalt flieht vor Geheimdienst, Der Standard, 2. August 2007.
- Früherer Jelzin-Berater Borodin in USA verhaftet, Handelsblatt.com, 18. Januar 2001.
- Die Methode FSB, Die Zeit online, Oktober 2007, zuletzt geändert 6. Dezember 2013 und Star-Anwalt flieht vor Geheimdienst, Der Standard, 2. August 2007.
- Russischer Banker wegen Unterschlagung zur Fahndung ausgeschrieben (Memento vom 13. April 2016 im Internet Archive), Russland.RU, 2. Mai 2006.
- Die Methode FSB, Die Zeit online, Oktober 2007, zuletzt geändert 6. Dezember 2013.
- Gezielter Verrat, Der Spiegel, 1. Dezember 2008.
- Kursk-Hinterbliebene wollen neue Ermittlungen, Russland-Aktuell, 12. August 2002. Die Methode FSB, Die Zeit online, Oktober 2007, zuletzt geändert 6. Dezember 2013. Wer verschuldete Kursk-Unglück?, news.ch, 6. August 2005. Siehe auch: Anwalt Kusnezow: Ausländische Hilfe für Atom-U-Boot "Kursk" kam zu spät, Sputnik, 12. August 2005; Russland: Moskauer Top-Anwalt bittet USA um Asyl, Sputnik, 5. Februar 2008.
- Russland: Moskauer Top-Anwalt bittet USA um Asyl, Sputnik, 5. Februar 2008.
- Star-Anwalt flieht vor Geheimdienst, Der Standard, 2. August 2007.
- Die Methode FSB, Die Zeit online, Oktober 2007, zuletzt geändert 6. Dezember 2013.
- Manfred Quiring, Diamantentropfen, München 2016, neobooks, ISBN 978-3-7380-5466-8. Siehe: Google books
- Dirk Sager, Pulverfass Russland : Wohin steuert die Großmacht?, 2009, Rowohlt Digitalbuch, 1. Auflage, ISBN 978-3-644-10011-4. Google books