Bodenspeicher
Ein Bodenspeicher (auch Speicher, Lagerhaus, Packhaus, Schüttboden, Fruchthaus oder Fruchtkasten) ist ein Gebäude zur Aufbewahrung von Gütern aus verschiedenen Quellen. Er hat damit eine umfassendere Funktion als eine Scheune, die einen Teil eines Bauernhofs oder Gutshofes darstellt und hauptsächlich der Lagerung von Gütern in der Nähe der Erzeugung dient.
Historische Speicher
In nahezu allen mittelalterlichen Städten gab es Korn- oder Getreidespeicher (in Süddeutschland oft als Fruchtkasten oder Zehntscheuer bezeichnet). Die massiven Gebäude standen oft im Ortszentrum in Marktnähe. Da zudem eine gute Verkehrsanbindung unabdingbar war, waren Speicher meist sowohl auf dem Land- wie auch auf dem Wasserweg erreichbar. Meist wurden sie am Hafen einer Stadt errichtet, um die Güter zu lagern, ggf. zu verarbeiten, und für den Weitertransport zu sammeln. Die Güter wurden auf dem Wasserweg per Boot oder Schiff angeliefert (Import) oder versandt (Export). Falls die Speicher noch erhalten sind, werden sie heute in der Regel anderweitig genutzt. So wurde am früheren wirtschaftlichen Zentrum der Hansestadt Stade, dem alten Hansehafen an der Schwinge, in der Zeit der schwedischen Besatzung der Schwedenspeicher errichtet. Er wurde als barocker Profanbau der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in Backstein ausgeführt und dient seit den 1970er Jahren als Regionalmuseum.
In der Schweiz findet man den meistens Spycher (y=langes i) oder Spicher genannten Kornspeicher vor allem im Wallis, aber auch in den anderen Bergkantonen. Er wurde sehr sorgfältig gebaut, um das Gut nicht feucht werden zu lassen, und ist daher vom Stadel (Heuspeicher) gut zu unterscheiden. Es wurden auch Würste und Trockenfleisch darin aufbewahrt. Ein Spycher im übertragenen Sinn ist der Walliser Spycher: Literaturpreis Leuk, in dem geistiges Gut längerfristig aufbewahrt wird. In seinem Roman Anne Bäbi Jowäger (1843) beschreibt Jeremias Gotthelf den Spycher wie folgt:
„Der Spycher ist die grosse Schatzkammer in einem Bauernhause, derowegen steht er meist etwas abgesondert vom Hause, damit, wenn dieses in Brand aufgehe, jener noch zu retten sei, und wenn das Haus angeht, so schreit der Bauer: ‚Rettit den Spycher, su macht ds angere nit sövli.‘ Er enthält nicht bloss Korn, Fleisch, Schnitze, Kleider, Geld, Vorräte an Tuch und Garn, sondern selbst Schriften und Kleinodien; er möchte fast das Herz eines Bauernwesens zu nennen sein. Darum, wenn Diebe Beute machen wollen, so brechen sie in den Spycher, nicht ins Haus… Wie der König in seine Schatzkammer das Volk nicht lässt, sondern nur den Schatzmeister, […,] so geht in den Spycher nur der Bauer und als Schatzmeisterin die Bäuerin.“
Ein Beispiel für einen außereuropäischen Speicher ist die 1808 im mexikanischen Guanajuato errichtete Alhóndiga de Granaditas. Das im klassizistischen Stil errichtete Gebäude diente der Speicherung von Getreide aus der ganzen Region, um die Nahrungsmittelversorgung der Stadt sicherzustellen. 1810 war die festungsartige Alhóndiga de Granaditas Schauplatz der ersten Schlacht im mexikanischen Unabhängigkeitskrieg.
Moderne Speicher
Üblicherweise haben Speicher eine Stockwerkshöhe von 2,8 bis 3 Meter, und das Erdgeschoss ist so aufgebaut, dass es mit Fahrzeugen bequem befahren oder angefahren werden kann. Oft gehört eine Laderampe oder eine Ladevorrichtung dazu, um Fahrzeuge oder Schiffe be- und entladen zu können. Die Umfassungsmauer ist massiv und besitzt kleine Fenster, die aus Sicherheitsgründen häufig nicht größer als 20 cm × 25 cm sind. Der innere Ausbau ist feuersicher und bei mehrstöckigem Aufbau durch Lastenaufzüge unterstützt.
Der Aufbau von Speichern hat insbesondere in Hafenstädten große Bedeutung erlangt, zum Beispiel in der Hamburger Speicherstadt.
- Speicher in Hamburg-Rothenburgsort
- „Dornröschenspeicher“ am Strelasund in Stralsund
- Speicher in Uckerland-Wolfshagen
- Averbecks Speicher in Bad Iburg-Glane
- Fruchtkasten in Herrenberg
- Klosterfruchtkasten in Weingarten
- Speicher in Regensburg
Ausländische Beispiele
Dänemark
- Kopenhagen, Dänemark – Det Vestindiske Pakhus
Niederlande
- Alkmaar, Niederlande – De Vigilantie
Mexiko
- Guanajuato, Mexiko – Alhóndiga de Granaditas
Spanien
- Colmenar de Oreja, Spanien – Lagerhaus (pósito) hinter der Kirche
- Segovia, Spanien – Alhondiga
- Zamora, Spanien – Alhondiga del Pan
Siehe auch
Literatur
- Ernst Seidl (Hrsg.): Lexikon der Bautypen. Funktionen und Formen der Architektur. Philipp Reclam jun., Stuttgart 2006, ISBN 978-3-15-010572-6.