Bergschaden
Ein Bergschaden ist ein durch bergbauliche Aktivitäten zumeist an Bauwerken und Grundeigentum verursachter Schaden.[1] Ebenfalls als Bergschaden gilt es, wenn ein unbeteiligter Mensch durch bergbauliche Aktivitäten zu Schaden kommt.[2] Wird ein Schaden an Gebäuden o. ä. eines Bergwerks durch die bergbaulichen Tätigkeiten eines anderen Bergwerks verursacht, so gilt dies jedoch nicht als Bergschaden.[3] Bergschäden werden nicht nur von untertägigem Abbau verursacht. Auch Grundwasserabsenkungen ("Sümpfung"), der Wiederanstieg des Grundwassers durch Einstellung oder Veränderung der Sümpfung oder horizontale Erdbewegungen im Einflussbereich von Tagebau(en) können zu Bergschäden führen.[2]
Grundlagen
Durch den untertägigen Abbau von Lagerstätten wird das Hangende allmählich freigelegt und bricht aufgrund des mangelnden Widerlagers ein.[4] Dadurch wird das vorher vorhandene physikalische Gleichgewicht des Gebirgskörpers beeinflusst.[5] Infolge davon werden die darüberliegenden Gebirgsschichten in Bewegung versetzt.[4] Diese Bewegungsvorgänge machen sich bis zur Tagesoberfläche bemerkbar.[6] Je nach Teufe und Gesteinsschichten kommt es dann zu unterschiedlichen Auswirkungen auf die Tagesoberfläche. Bei großen Teufen (> 60 Meter) senkt sich die Erdoberfläche allmählich ab, dieser Vorgang wird als Bergsenkung bezeichnet.[4] Bei Bergsenkungen werden im Regelfall Gebirgsbewegungen wie Senkungen, Schiefstellungen, Zerrungen und Pressungen verursacht.[7] Beim Abbau im oberflächigen Bereich kommt es, insbesondere durch den Abbau von mächtigen Flözen, zum kompletten Durchbruch des Deckgebirges in Form eines Tagesbruches.[4]
Wird unter festen und spröden Gebirgsschichten wie z. B. Sandstein oder Sandschiefer abgebaut, so brechen diese Gesteinsschichten nicht sofort in den durch den Abbau entstandenen Bruchraum ein. Je nach Aufbau der Gebirgsschicht kann es zum plötzlichen Aufreißen von Bruchspalten kommen. Dies kann zu erdbebenartigen Erschütterungen führen, abhängig davon, wie groß die herabsinkenden oder -fallenden Gesteinsmassen sind und ob sie plötzlich/ruckartig herunterfallen bzw. -rutschen.[7] In verlassenen Bergbaurevieren steigt beim Abstellen der Wasserhaltungen das Grubenwasser stark an. Dies kann dazu führen, dass es durch Aufquellen von Erdschichten zu Hebungen kommt. Außerdem kann es dazu kommen, dass der Grundwasserspiegel ansteigt.[8]
Durch den Braunkohlentagebau kommt es in den jeweiligen Bergbaugebieten zu einer technisch herbeigeführten Absenkung des Grundwasserspiegels.[9] Aufgrund des dadurch fehlenden Auftriebs führt diese Grundwasserabsenkung zu einer Erhöhung der effektiven Spannungen, welche letztendlich zu Bodensenkungen der Geländeoberfläche führen.[2] Nach Beendigung des Tagebaus werden die Sümpfungsmaßnahmen eingestellt und der Grundwasserspiegel steigt wieder an. Dies führt im Laufe der Zeit zu Hebung der vorher abgesenkten Geländeoberfläche.[9] Gleiches gilt für Rutschungen an z. B. Abraumkippen, wie das Beispiel aus Nachterstedt zeigt.
Werden aufgrund dieser durch den Bergbau hervorgerufenen Veränderungen der Erdoberfläche Personen geschädigt oder getötet oder kommt es zu einer Schädigung von Sachen, spricht man von einem Bergschaden.[10]
Geschichte
Bergschäden gehörten über lange Jahrzehnte für die vom Bergbau abhängigen Beschäftigten „mit dazu“; teils auch für Beschäftigte in Industrien wie der Eisen- und Stahlerzeugung, die eng mit dem Bergbau verbunden waren. In früheren Zeiten wurden Bergschäden durch die Tradde reguliert.[11] Zudem hatten die Bergwerke die Bergschäden an den eigenen Mietshäusern zu beheben. Seitdem Schäden an Häusern entstehen, die nicht den Zechen- und Bergwerksbetrieben gehörten, gibt es Rufe nach Entschädigung und dementsprechenden Regelungen. Die Betroffenen in den Bergschadensgebieten wehrten sich dagegen, dass ihr Eigentum durch Risse beschädigt wurde, was teilweise sogar den Totalabriss der Immobilie zur Folge hatte.
Anfang des 20. Jahrhunderts kam es zu Überlegungen, wie man bergbaulich induzierte Schäden an Straßenbahngleisen verhindern kann. Vorausgegangen waren mehrere Prozesse der Straßenbahnbetreiber gegen die Bergbaubetreiber im rheinisch westfälischen Kohlenrevier.[12] In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mussten bereits viele Zechen hohe Geldbeträge zur Bergschadensregulierung aufbringen. Bereits zu diesem Zeitpunkt gab es Überlegungen, vorbeugende Maßnahmen gegen Bergschäden bei Neubauten zu nutzen. Man ging davon aus, dass diese Maßnahmen dazu führten, dass dieses letztendlich kostengünstiger für die schadensersatzpflichtigen Bergwerke würde.[13]
In den 1990er Jahren waren bis zu 30.000 Bergschadensfälle registriert. Diese Bergschäden wurden von den Bergbaubetreibern (RAG) reguliert. Mehr als 90 Prozent der Schadensfälle hatten einen Schadensrahmen von unter 5000 Euro pro Schaden.[14] Jährlich werden auch bis zu 70 Schäden von stillgelegten Bergwerken der Bezirksregierung Arnsberg (hat die Funktion des früheren Landesoberbergamts übernommen) gemeldet. Unter den gemeldeten Schadensfällen wurden rund 30 durch Tagesbrüche verursacht. Da die Schäden von Stollenbergwerken stammen, die vielfach im 18. Jahrhundert betrieben wurden, lässt sich der Verursacher meist nicht mehr ermitteln.[15]
2008 wurden der DSK etwa 35.000 neue Bergschäden mit einem Schadensvolumen von ca. 70 Millionen Euro gemeldet, für die Gelder zur Instandsetzung und Regulierung ausgezahlt werden.[16] Der Börsengang und die Bergbau-Stiftung entbinden die RAG auch in den kommenden 30 Jahren davon, Schadenersatz für neue Bergschäden zu zahlen. Die Bergbau-Stiftung hat die Funktion, die Ewigkeitskosten (manchmal 'Jahrhundertkosten' genannt) zu erwirtschaften und sicherzustellen, dass Finanzen z. B. für den Dauerbetrieb der Entwässerung bereitstehen.[17] Der Landtag NRW hat einen 'Ausschuss für Bergsicherheit', der sich auch mit Bergschäden beschäftigt.[18]
Arten von Bergschäden
Die vom Bergbau verursachten Bodenbewegungen und -verformungen bewirken an der Erdoberfläche unterschiedliche Schäden, und zwar an Häusern, Industrie- und Verkehrsanlagen, Versorgungsleitungen und land- oder forstwirtschaftlich genutzten Flächen. Ebenso können am Bergbau unbeteiligte Personen durch die in unmittelbarer Nähe stattfindenden bergbaulichen Aktivitäten zu Schaden kommen.[2]
Gebäudeschäden
Gebäudeschäden werden im Wesentlichen durch die Längenänderungen, die sich als Zerrungen oder Pressungen bemerkbar machen, verursacht. Sie zeigen sich vornehmlich in Form von Mauerrissen.[19] Eine zweite Schadensart ist die durch unterschiedliche Senkungen verursachte Schiefstellung von Gebäuden. Diese Schieflagen werden nach dem VBHG-RAG-Abkommen bewertet. Hierbei wird eine mittlere Schieflage zur Bemessung herangezogen und entsprechend bewertet.[20] Durch seitliche Einwirkungen auf das Gebäude kann es dazu kommen, dass das Mauerwerk sich auf der als Sperrschicht eingebrachten Teerpappenlage verschiebt. Dadurch kommt es zum Aufsteigen der Bodenfeuchtigkeit im Mauerwerk.[21] Durch bergbaubedingte Hebungen des Untergrunds aufgrund des Anstiegs des Grubenwassers kommt es zu Rissen im Mauerwerk. Außerdem können durch den Anstieg des Grubenwassers Keller vernässen.[22] Durch Tagesbrüche können so große Löcher entstehen, dass komplette Häuser zerstört werden.[23]
Mitunter können die Geländeveränderungen infolge von Bergschäden so gravierend sein, dass ganze Stadtteile aufgegeben und abgerissen werden müssen, so etwa die Innenstadt von Johanngeorgenstadt (in den 1950er-Jahren infolge des Uranbergbaus) oder Teile der Altstadt von Staßfurt (nach Kalibergbau, heute Innenstadt-See und Park).
Schäden an Verkehrsanlagen sowie Ver- und Entsorgungsleitungen
Durch Längenänderungen entstehen Straßenschäden, zum Beispiel Risse oder Aufwölbungen.[24] Noch gravierender sind die Schäden, die durch Tagesbrüche an Straßen entstehen können, hierbei kann die komplette Fahrbahndecke über mehrere Meter abstürzen.[23] Ebenso kann es zu Rohrbrüchen kommen.[25] Durch die Senkungen kommt es zu Schäden an Eisenbahngleisen.[12] Allerdings gilt hier die Regel, dass, wenn ein Nebeneinander von Bergbau und öffentlicher Verkehrsanlage nicht möglich ist, der Verkehrsanlage grundsätzlich der Vorrang gewährt werden muss.[5] Außerdem kommt es an Abwasserkanälen zu Gradientenänderungen.[21] An Schifffahrtskanälen müssen die Senkungen durch Aufdeichen sofort ausgeglichen werden, da der Kanal sonst im Senkungsbereich überlaufen würde. Der Kanal „wächst“ dabei buchstäblich aus dem Gelände heraus.
Schäden an der Vorflut
Bäche und Flussläufe werden durch die Senkungen in ihrer natürlichen Vorflut gestört. Hier muss durch Eindeichungen, Gewässerumlegungen und den Bau von Pumpwerken reagiert werden.[26]
Schäden an land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen
Durch Veränderungen des Grundwasserspiegels kann es zu Aufwuchsschäden kommen. Durch das aufsteigende Grundwasser kann es zur Seenbildung und Versumpfung ganzer Flächen kommen.[14]
Landschaftszerstörungen
Durch Tagesbrüche entstehen Löcher im Erdboden, die, wenn sie sehr groß sind, das Landschaftsbild verändern.[23]
Gesetzliche Regelungen
In Deutschland regelt das Bundesberggesetz (BBergG) vom 13. August 1980 §§110ff. die Rechtsfragen zum Thema Bergschäden. Danach ist der Verursacher der Bergschäden nach den Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ersatzpflichtig. Nach dem § 120 BBergG kommt es für die untertägige Aufsuchung oder Gewinnung im Rahmen einer Gefährdungshaftung zu einer Beweislastumkehr, d. h. der Bergbaubetrieb muss im Zweifelsfalle beweisen, dass es sich nicht um einen Bergschaden handelt.[27]
Im Bundesberggesetz sind im § 114 insgesamt fünf Fälle ausgeschlossen, bei denen es sich nicht um einen Bergschaden handelt, auch wenn durch die Bergbaueinwirkung jemand geschädigt wurde. Es liegt kein Bergschaden im Sinne des § 114 Bundesberggesetz vor, wenn eine bei dem Bergbaubetrieb beschäftigte Person auf dem Bergwerk geschädigt wird oder wenn im Bergbau verwendete Sachen beschädigt werden. Auch Schäden, die durch einen Bergbaubetrieb bei anderen benachbarten Bergbaubetrieben verursacht werden, gelten nicht als Bergschaden. Nachteile, die durch Planungsentscheidungen mit Rücksicht auf die Lagerstätte entstehen, gelten auch nicht als Bergschäden. Entstehen dem Geschädigten nur unerhebliche Nachteile oder hat er nur unerhebliche Aufwendungen im Zusammenhang mit den Entschädigungsregelungen des § 110, so gelten die Schäden auch nicht als Bergschaden. Entstehen durch den Bergbaubetrieb Einwirkungen, die durch den § 906 des Bürgerlichen Gesetzbuches (Zuführung unwägbarer Stoffe) nicht verboten werden können, so gelten auch diese Einwirkungen nicht als Bergschaden.[28]
In Österreich werden die Rechtsfragen bezüglich der Bergschäden in den §§ 160 bis 168 des Mineralrohstoffgesetzes aus dem Jahr 1993 geregelt. Die Regelungen weisen große Ähnlichkeiten mit den Regelungen des deutschen Bundesberggesetzes auf. Auch das Mineralrohstoffgesetz nennt Bedingungen, unter denen ein Schaden nicht als Bergschaden anerkannt wird. So gelten auch hier Berufskrankheiten oder Arbeitsunfälle ebenso wenig als Bergschaden wie Schäden an bergbaulich genutzten Grundstücken. Wird ein Bergschaden durch ein unabwendbares Ereignis verursacht, das nicht aufgrund einer fehlerhaften Ausführung der Bergbautätigkeit entstanden ist, so besteht keine Ersatzpflicht von Seiten des Bergbautreibenden. Wenn ein Geschädigter von einem Bergschaden an seinem Eigentum Kenntnis hat und den Verursacher kennt, muss er den Bergschaden binnen drei Monaten melden. Lässt der Geschädigte die Meldefrist verstreichen, so verliert er den Anspruch auf Ersatz des Bergschadens.[29]
Prävention/Bergschadenssicherung
Um Bergschäden zu vermeiden oder zumindest zu mindern, können Bergschädensicherungen eingebaut werden.[10] Bereits in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gab es Planungen, wie man Neubauten durch geeignete Baumaßnahmen vor Bergschäden schützen konnte.[13] Jeder Bauherr ist verpflichtet vorbeugende Maßnahmen gegen Bergschäden vorzunehmen, wenn sich sein Gebäude im Einflussbereich der im Rahmenbetriebsplan angegebenen bergbaulichen Bereiche befindet.[2] Solche Sicherungen arbeiten entweder nach dem Widerstands- oder nach dem Ausweichprinzip. Konstruktive Verstärkungen des Bauwerks gehören zum Widerstandsprinzip. Bei Sicherungen nach dem Ausweichprinzip werden Gleit- und Dehnfugen oder auch Rollenlager eingebaut; die Bauwerke werden klein gehalten oder in Skelettbauweise errichtet. An Rohrleitungen werden Kompensatoren eingebaut oder sie werden reibungsarm gebettet, um große kleinräumige Dehnungen über große Längen in kleine relative Dehnungen abbauen zu können.[30] Es ist auch möglich, von vornherein Einrichtungen zum späteren Horizontieren einzubauen. Ein besonders spektakuläres Beispiel für die Bergschadensprävention ist die Arena „Auf Schalke“. Da das Stadion in einem Bergsenkungsgebiet gebaut wurde, musste es mit besonderen Sicherungsmaßnahmen versehen werden. Das Fundament des kompletten Bauwerks besteht aus einem ausgeklügelten System von Bohrpfählen. Die Tribünenkonstruktion wurde durch Verformungsgleitlager gesichert und ist dadurch von der Pfahlgründung getrennt.[31] Die Kosten, die durch solche Maßnahmen entstehen, trägt bei unerheblichen Maßnahmen der Bauherr selbst, bei größeren Kosten muss diese der Bergbauunternehmer zahlen.[2]
Rückstellungen für Bergschäden
Da die Bergbaubetreibenden für die Bergschäden ersatzpflichtig sind, kommen auf die Unternehmen aufgrund der entstandenen Schäden immense Kosten zu. Um die Kosten auch begleichen zu können, müssen die Bergbauunternehmen Rückstellungen bilden. In der Regel vergehen zwischen dem Entstehen, dem Erkennen und der Geltendmachung der Bergschäden größere Zeiträume. Aus diesem Grund werden unterschiedliche Rückstellungen gebildet. Es müssen Rückstellungen gebildet werden für Bergschäden, die durch den Abbau zwangsläufig verursacht, aber an der Oberfläche noch nicht entstanden sind. Diese Kosten können nur durch Schätzung ermittelt und entsprechend den laufenden Betriebskosten angelastet werden. Schäden, die an der Erdoberfläche wirksam geworden sind, werden als entstandene Schäden durch den Markscheider erfasst und zusammengestellt. Anhand der ermittelten Kosten werden entsprechende Rückstellungen getätigt. Schäden an der Vorflut oder Polderschäden sind Bergschäden, die dauerhaft als Schaden zu ersetzen sind. Hierfür müssen Rückstellungen gebildet werden, die dem Zwanzigfachen der jährlich zu erbringenden Schadensersatzhöhe entsprechen.[10]
Bergschadensverzicht
Es ist möglich, die Ersatzpflicht für Bergschäden vertraglich auszuschließen.[32] Dieser Vertragszusatz wird dann als Bergschadensverzicht[10] oder Bergschadenverzicht,[32] bezeichnet und in das Grundbuch des jeweiligen Objektes eingetragen.[10] Der Bergschadensverzicht belastet den Verkehrswert des Grundstückes. Ein Bergschadensverzicht kann aus unterschiedlichen Gründen oder Anlässen vereinbart werden.[32] Diese sind unter anderem Abwicklung eines Totalschadens, Verkauf aus dem Besitz eines Bergwerksunternehmens und der Schutz vor konkreter Bergschadensgefahr (Bauwarnung). In der Regel werden hierbei dann die Kosten für die Bergschadenssicherungsmaßnahmen als Vertragssumme eingetragen.[33]
Überregional bekannte Bergschadensfälle
2004 entstand in Siegen (NRW) ein Tagesbruch in einem Wohngebiet, das sogenannte Siegener Loch. Bis Ende Februar 2004 wurde knapp 1000 Kubikmeter Beton in die Tagesbrüche gepumpt. 22.000 t Baustoffe wurden in den Berg eingebracht. 520 Bohrungen mit einer Gesamtlänge von 14 km wurden geteuft. Das Land NRW blieb auf den insgesamt vier Millionen Euro für die Sicherungsmaßnahmen sitzen, weil es keinen Bergwerkbetreiber mehr gab, den man hätte schadenersatzpflichtig machen können.[34]
Im Jahr 2009 haben etwa 275 Betroffene Ansprüche, aufgrund von Bergschäden die durch den Braunkohlebergbau entstanden sind, gegen RWE Power geltend gemacht. Ein Sachverständiger für Bergschäden sagte: „Auch in Gebieten, die 20 Kilometer weit vom Tagebau entfernt sind, können Schäden entstehen“. „Die Grundwasserabsenkungen, die mit dem Braunkohleabbau in der Region einhergehen, sind in vielen Gebäuden für Risse und Brüche verantwortlich.“[35]
Anfang 2012 tat sich auf dem Mittelstreifen der A 45 bei Dortmund ein 12 Quadratmeter großer und zwei Meter tiefer Krater auf. Untersuchungen ergaben, dass die Autobahn auf vier Kilometern Länge einsturzgefährdet ist. Die Autobahn wurde ab 17. Januar 2012 für einige Wochen in beide Richtungen voll gesperrt. Es handelte sich vermutlich um Grubenbaue der ehemaligen Zeche Gottessegen.[36]
Schlichtungsstelle Braunkohle NRW
Im Braunkohlebergbau, der in Deutschland heute nur als Tagebau betrieben wird, ist es oft unklar, ob Gebäudeschäden mit dem Abbau zusammenhängen. Geschädigte müssen nachweisen, dass der Schaden durch das bergbautreibende Unternehmen zumindest mitverursacht wurde. RWE Power AG hat 2009 auf massiven Druck der Politik unter Federführung des CDU-Landtagsabgeordneten Josef Hovenjürgen und der Bürgerinitiative Bürger gegen Bergschäden BgB, Wassenberg, mit Dipl. Ing. Wilfried Viethen an der Spitze zugestimmt, dass eine Schlichtungsstelle unter der damaligen Bezeichnung "Anrufungsstelle" eingerichtet wird. Der Unterausschuss Bergbausicherheit des Landtags NRW kümmert sich auch um die Rahmenbedingungen der Schadensregulierung. Darüber hinaus hat RWE Power AG zugesagt, Schadensmeldungen schnell und unbürokratisch zu behandeln. Mögliche Geschädigte wenden sich an RWE Power AG und melden den Schaden. Wird keine Einigung mit dem Bergbautreibenden erzielt, so können sich Privatpersonen seit 2010 an die Schlichtungsstelle Braunkohle NRW wenden. Das Verfahren vor der Schlichtungsstelle ist für den Antragsteller kostenfrei. Es werden RWE Power AG jährlich rund 1.000 Schäden gemeldet, davon rund 100 neue. Davon gelangen 10-20 vor die Schlichtungsstelle in Grevenbroich. Zu Prozessen kommt es sehr selten. Die kollektiven Interessen der Geschädigten vertreten im Rheinland fünf Vereine.[37]
Interessenvertretungen
Zur Vertretung der Interessen von Bergbaubetroffenen haben sich in Nordrhein-Westfalen und im Saarland eigene Landesverbände gebildet. Es sind dies der Landesverband der Bergbaubetroffenen in NRW,[38] und der Landesverband der Bergbaubetroffenen Saar e.V. (IGAB)[39]. Für Geschädigte des Braunkohlentagebaus im rheinischen Braunkohlenrevier wurden der Verein Bürger gegen Bergschäden BgB (Wassenberg), das Netzwerk Bergbaugeschädigter des rheinischen Braunkohlenreviers (Netzwerk)[40] und die Rheinische Initiative Bergschaden e. V. (RIBS) gegründet. Außerdem ist der Verband VBHG (Herten) tätig, dessen Geschäftsgebiet aktive und stillgelegte Bergbauregionen in den alten und neuen Bundesländern umfasst.
Literatur
- Wolfgang Heller: Bundesberggesetz : (BBergG) ; vom 13. August 1980 (BGBl. I S. 1310) - zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. August 2002 (BGBl. I S. 3322). 10. Auflage. Glückauf, Essen 2002, ISBN 3-7739-1248-X.
- Helmut Kratzsch: Bergschadenkunde. 4. Auflage. Deutscher Markscheider-Verein, Bochum 2004, ISBN 3-00-001661-9.
- Johannes Schürken, Detlev Finke: Bewertung von Bergschäden. 3. Auflage. Theodor Oppermann Verlag, Isernhagen 2008, ISBN 978-3-87604-025-7.
- Dietmar Placzek: Gründungen in Bergbaugebieten. In: Grundbau-Taschenbuch. 7. Auflage. Teil 3. Ernst & Sohn, Berlin 2009, ISBN 978-3-433-01846-0.
- Frank W. Pohl: Beurteilung von Bauwerken hinsichtlich ihrer bautechnischen Empfindlichkeit gegenüber bergbauinduzierten Bodenbewegungen an der Tagesoberfläche des Ruhrreviers. Glücksauf, Essen 2002, ISBN 3-7739-1502-0 (Dissertation TU Freiberg 2001).
Weblinks
- Stefan Harnischmacher: Bergsenkungen im Ruhrgebiet. Abgerufen am 9. Februar 2014.
Einzelnachweise
- Fördergerüste im Ruhrbergbau: Bergbaulexikon (abgerufen am 12. Mai 2011).
- Rolf Dieter Stoll, Christian Niemann-Delius, Carsten Drebenstedt, Klaus Müllensiefen (Hrsg.): Der Braunkohlentagebau, Bedeutung, Planung, Betrieb, Technik, Umwelt. 1. Auflage, Springer-Verlag Berlin Heidelberg, Berlin 2009, ISBN 978-3-540-78400-5, S. 438, 491-497.
- Raimund Willecke, G. Turner: Grundriß des Bergrechts. 2. Auflage, Springer Verlag, Berlin/New York/Heidelberg 1970, S. 135.
- Fritz Heise, Fritz Herbst: Lehrbuch der Bergbaukunde mit besonderer Berücksichtigung des Steinkohlenbergbaus. Erster Band, Verlag von Julius Springer, Berlin 1908.
- Heinrich Otto Buja: Ingenieurhandbuch Bergbautechnik, Lagerstätten und Gewinnungstechnik. 1. Auflage, Beuth Verlag GmbH Berlin-Wien-Zürich, Berlin 2013, ISBN 978-3-410-22618-5, S. 394–397, 983–984.
- Friedrich Freise: Ausrichtung, Vorrichtung und Abbau von Steinkohlenlagerstätten. Verlag von Craz & Gerlach, Freiberg in Sachsen 1908, S. 85–90.
- Carl Hellmut Fritzsche: Lehrbuch der Bergbaukunde. Zweiter Band, 10. Auflage. Springer Verlag, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1962, S. 406–410.
- Axel Preuße: Grundlagen der Bergschadenkunde, Sonderthemen der Bergschadenkunde. RWTH Aachen Online (Memento vom 3. Dezember 2013 im Internet Archive) (PDF; 2,2 MB).
- Steffen Giesen: Bodenbewegungen infolge von Sümpfungsmaßnahmen für tiefe Tagebaue am Beispiel des Rheinischen Braunkohlenreviers. Genehmigte Dissertation der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen, Aachen 2010.
- Wirtschaftsvereinigung Bergbau e.V.: Das Bergbau Handbuch. 5. Auflage. Verlag Glückauf, Essen 1994, ISBN 3-7739-0567-X.
- Erklärendes Wörterbuch der im Bergbau in der Hüttenkunde und in Salinenwerken vorkommenden technischen und in Salinenwerken vorkommenden technischen Kunstausdrücke und Fremdwörter. Verlag der Falkenberg'schen Buchhandlung, Burgsteinfurt 1869.
- Regierungsbaumeister a. D. Korten: Der Einfluß des Bergbaues auf Straßenbahngleise. In: Glückauf, Berg- und Hüttenmännische Zeitschrift. Verein für die bergbaulichen Interessen im Oberbergamtsbezirk Dortmund (Hrsg.), Nr. 25, 44. Jahrgang, 19. Juni 1909, S. 865–875.
- O. Luetkens: Sicherung von Neubauten gegen Bergschäden. In: Glückauf, Berg- und Hüttenmännische Zeitschrift. Verein für die bergbaulichen Interessen im Oberbergamtsbezirk Dortmund (Hrsg.), Nr. 32, 68. Jahrgang, 6. August 1932, S. 705–711.
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- Nach dem 'Siegener Loch' weitere Tagesbrüche (Memento vom 6. September 2010 im Internet Archive) bei wdr.de, zuletzt abgerufen am 31. Mai 2011
- Bergschäden bis Düsseldorf In: Rheinische Post. 26. Januar 2009, (abgerufen am 29. Juli 2016).
- Christian Schwerdtfeger: Bergbauschäden - A 45 gesperrt. RP Online, 18. Januar 2012, abgerufen am 26. Januar 2012.
- Schlichtung bei Bergschäden. In: Kölner Stadtanzeiger vom 31. Oktober 2012. Online (abgerufen am 1. August 2016).
- Landesverband der Bergbaubetroffenen in NRW (zuletzt abgerufen am 29. Oktober 2012).
- Landesverband der Bergbaubetroffenen Saar e.V. (zuletzt abgerufen am 29. Oktober 2012).
- Homepage des 'Netzwerk Bergbaugeschädigter e. V. des rheinischen Braunkohlenreviers' (zuletzt abgerufen am 29. Oktober 2012).