Markscheider
Der Markscheider ist ein speziell im Bergbau tätiger Vermessungsingenieur. Er übt entweder einen freien Beruf selbständig aus oder ist Angestellter eines Bergbau-Unternehmens. Er hat nach dem Studium zwei Staatsprüfungen abgelegt und muss staatlich anerkannt sein, um seine ihm durch Gesetz übertragenen Aufgaben (Bundesberggesetz, BBergG) wahrnehmen zu können. Der Markscheider ist zuständig für die Erfassung, Auswertung und Bereitstellung bergbaubezogener Geoinformationen sowie deren rissliche oder kartografische Darstellung. Mit diesen Daten bearbeitet er Fragestellungen der verschiedensten Bereiche wie Lagerstättenmanagement, Bergbauplanung, Genehmigungsverfahren, Raumordnung, Regionalplanung, Abbaueinwirkungen im Gebirge und an der Tagesoberfläche sowie Bergschäden.[1] Seit dem Mittelalter war der Markscheider ein Beamter, der die Markscheide eines Bergwerks zu bestimmen hatte und seine Erkenntnisse, insbesondere in Bezug auf die Lagerstätte mit allen Klüften und Gängen sowie die Grubenbaue im Risswerk niederlegte.[2] Im bayerisch-österreichischen Raum wird der Markscheider auch Schiner oder Schinmeister genannt.[3]
Namensentstehung
Der Name Markscheider wird von den zwei Begriffen Mark und Scheiden abgeleitet. Mark wird hier im Sinne von Grenze gebraucht. Das Vermessen (Scheiden im Sinne von trennen) der Grundstücksgrenzen bezeichnet man als Markscheiden.
Auch die in der Mark vergebenen Tagebaue wurden vermessen. Mit Aufkommen der ersten Erzgruben mussten nicht nur die Längenfelder, sondern auch die Untertagebaue vermessen werden. Damit es nicht zum Überfahren der Markscheide und somit zur Verletzung von Nachbarschaftsrechten kam, legte der Markscheider die unter- und übertägigen Besitzgrenzen fest, er schied die Marken. Nach dem Freiberger Bergrecht waren dazu nur die Markscheider befugt. Da sie amtlich bestellte Sachverständige waren, hatten ihre Messergebnisse und Aufzeichnungen Urkundscharakter.[4] Die vom Markscheider im Rahmen seiner Befugnisse nach §§ 63, 64 BBergG erstellten Urkunden genießen auch heute noch öffentlichen Glauben (§ 64 Absatz 2 SDatz BBergG) und erleichtern so die Beweisführung in Prozessen zur Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen infolge von Bergschäden.
Rechtliche Stellung
Bereits im ausgehenden Mittelalter wurde die Stellung des Markscheiders durch Gesetze festgelegt. In der aus dem Jahr 1517 stammenden Bergordnung Maximilian I. war bereits geregelt, dass der Markscheider für seine Tätigkeit unter Eid genommen wurde. In Sachsen wurde der Markscheider unter staatliche Aufsicht gestellt. Im 18. und 19. Jahrhundert besetzten Markscheider einen bedeutenden Rang in der Hierarchie des Montanwesens. So wurden Markscheider oder Landesmarkscheider bei den österreichischen Berggerichten bestellt und hatten die Aufgabe, bei Grenzstreitigkeiten zu entscheiden.[5] In Deutschland ist § 64 Bundesberggesetz maßgebend, ergänzt durch bundesrechtliche Verordnungen und zahlreiche landesrechtliche Gesetze und Verordnungen.
Aufgaben
Im frühen Bergbau übernahm der Bergmeister die ersten markscheiderischen Verrichtungen, das Vermessen der Fundgruben und Längenfelder.[6] Die ersten Bergordnungen regelten die markscheiderischen Aufgaben, hauptsächlich die sogenannte Bergvermessung und die Risswerksführung neu. Diese Aufgaben wurden nun nicht mehr vom Bergmeister, sondern von einem ihm unterstellten Beamten, dem Markscheider, übernommen.[7]
Im Verlauf der Industrialisierung kam zu diesen klassischen Aufgaben vor allem die Lagerstättenbearbeitung, die damit verbundene Bergschadenkunde sowie die Betreuung der bergbaulichen Genehmigungsverfahren hinzu. Seine vielfältigen unter- und übertägigen Aufgaben löst der Markscheider u. a. mit Hilfe von Geoinformationssystemen (GIS).
In Deutschland muss nach dem Bundesberggesetz ein Risswerk, bestehend aus maßstäblichen Karten, Plänen und sonstigen Unterlagen (u. a. Handbüchern), geführt werden. Darüber hinaus werden – ebenfalls unter der Verantwortung des Markscheiders – zusätzliche betriebliche Unterlagen für das Bergwerk erstellt, zum Beispiel Zuschnittsplanungen und Betriebspunktrisse.[8]
In den letzten Jahren hat die Beurteilung der Einwirkungen des Bergbaus auf die Tagesoberfläche immer größere Bedeutung gewonnen. Mit Hilfe von Simulationsprogrammen werden durch den Markscheider Prognosen über die zu erwartenden Auswirkungen des Abbaus erstellt.
Der Markscheider ist zu Fragen des Abbaus und der Bergschäden Ansprechpartner für Unternehmen und bergbaugeschädigte Haus- und Grundbesitzer.
Vermessungsinstrumente
Messinstrumente des Markscheiders im Mittelalter waren in erster Linie das Hängezeug (Schinzeug), bestehend aus Lot, Gradbogen und Hängekompass- oder Setzkompass sowie die Lachterkette, der Vorläufer des Maßbandes.[9]
Um einen Zug zu ziehen, wurde eine Schnur straff von Punkt zu Punkt gespannt. Die Schnur wurde an speziellen Nägeln befestigt, die eine definierte Lage der Schnur sicherstellten (Firstnägel). An die Schnur wurden der Gradbogen und der Kompass gehängt. Mit dem Gradbogen wurde die Neigung gegen den Horizont ermittelt und mit dem Kompass die Richtung gegen magnetisch Nord bestimmt. Anschließend bestimmte man mit der Lachterkette die Entfernung der einzelnen Punkte voneinander. Um den Kompass nicht zu beeinflussen, waren alle Messinstrumente eisenfrei gearbeitet und auch der Markscheider selbst und seine Gehilfen durften nichts Eisernes am Mann haben. Aus dieser Notwendigkeit heraus erklärt sich auch die Verwendung spezieller Grubenlampen, der Markscheiderlampen.
In Einzelfällen wurden zeichnerische Aufnahmen mit Messtisch und Kippregel angefertigt.
Nivellements erfolgten mit einer Schlauchwaage, die auch heute noch im Bergbau Verwendung findet, da es teilweise zwischen zu nivellierenden Höhenpunkten keine Sichtverbindung – Voraussetzung für den Einsatz eines Nivelliers – gibt.
Im 19. Jahrhundert führte Julius Weisbach die sogenannte Visiermarkscheidekunst, die Winkelmessung mittels Theodolit, ein. Bei der Auffahrung des Rothschönberger Stollns wies er deren praktische Anwendbarkeit und höhere Genauigkeit gegenüber der Kompassmessung nach.
Im 20. Jahrhundert kam die Messkette nach und nach außer Gebrauch und wurde durch nun verfügbare Stahlmessbänder ersetzt.[10]
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde die elektrooptische Streckenmessung, wie auch im sonstigen Vermessungswesen, eingeführt.
Während im übertägigen Bereich der Markscheider heute modernste Messtechnik, wie z. B. Totalstationen, GNSS-Messungen und Photogrammetrie einsetzen kann, ist er unter Tage teilweise noch auf optisch-mechanische Theodolite und Bandmaßmessungen angewiesen. Speziell in Schlagwettergruben[ANM 1] (also in nahezu allen Steinkohlebergwerken) können aufgrund der Explosionsgefahr weder Totalstationen mit elektrooptischer Distanzmessung noch Laserentfernungsmesser eingesetzt werden. Allerdings wurde schon Mitte der 1970er-Jahre mit dem Eldi 2 mining der Firma Zeiss ein schlagwettergeschützter elektrooptischer Distanzmesser entwickelt. Neuerdings steht ein spezieller explosionsgeschützter bzw. eigensicherer Laserscanner, der Imager 5006Ex, zur Verfügung.[11]
Speläologie
In der Höhlenvermessung wird heute noch mit dem Hängezeug gearbeitet, weil die beengten Verhältnisse oft keine großen empfindlichen Geräte zulassen.
Bildergalerie historischer Messinstrumente
Historische Markscheiderinstrumente nach De re metallica 1556 von Georgius Agricola
- Kompass
- Waage
- Wachsscheibe
- Wachsscheibe
- Vermessungsschnur
Markscheiderzeichen
- Markscheidezeichen in der Grube Eisenberg
- Markscheidezeichen in der Grube Eisenberg
- Markscheidezeichen in der Grube Eisenberg
- Messpunkte aus der Wismut-Zeit
- Lachtertafel von 1854
Einzelnachweise
- Markscheider. Bezirksregierung Arnsberg, abgerufen am 2. Juni 2016.
- Christian Heinrich Gottlieb Hake: Commentar über das Bergrecht. Kommerzienrath J.E. v. Seidel Kunst und Buchhandlung, Sulzbach 1823.
- Montangeschichte Vorderösterreichs und der Vorlande: Das Silberbergwerk in Schwaz (Tirol). In: jugendheim-gersbach.de, abgerufen am 2. Juni 2016.
- Horst Hassel: Markscheiderzeichen und andere Markierungen in unseren heimischen Gruben. In: plbg.de, abgerufen am 2. Juni 2016.
- Alfred Weiß: Grubenrisse – zu Unrecht wenig beachtete montanhistorische Quellen. (PDF; 455 kB) (abgerufen am 2. Juni 2016).
- Georg Agricola: Zwölf Bücher vom Berg- und Hüttenwesen. Viertes Buch: Von den Grubenfeldern und von den Ämtern der Bergleute. In Kommission VDI-Verlag, Berlin
- Hermann Brassert: Berg-Ordnungen der Preussischen Lande. F.C. Eisen’s Königliche Hof-Buch- und Kunsthandlung, Köln 1858.
- Text der Markscheider-Bergverordnung
- Was war ein Markscheider früher. In: markscheider.info, abgerufen am 2. Juni 2016.
- E. Treptow, F. Wüst, W. Borchers: Bergbau und Hüttenwesen. Verlag und Druck Otto Spamer, Leipzig 1900.
- IMAGER 5006Ex. DMT, 2014, abgerufen am 23. Januar 2014.
Weblinks
- Bergamt Stralsund: Markscheidewesen. In: bergamt-mv.de, abgerufen am 2. Juni 2016
- Sächsisches Oberbergamt: Notwendigkeit einer Beflissenenausbildung im Markscheidefach. In: oba.sachsen.de, abgerufen am 2. Juni 2016 (PDF-Datei)
Anmerkungen
- Als Schlagwettergruben wurden Bergwerke bezeichnet, bei denen schlagende Wetter vorkamen. Welches Bergwerk als Schlagwettergrube ausgewiesen wurde, oblag dem zuständigen Oberbergamt. Im Bezirk des Oberbergamtes Dortmund wurde jedes Bergwerk als Schlagwettergrube angesehen. (Quelle: NA Herold: Der Arbeiterschutz in den Preussischen Bergpolizeiverordnungen.)