Bahnhof Wuppertal-Mirke
Der Bahnhof Wuppertal-Mirke (auch: Mirker Bahnhof) ist ein historischer Bahnhof in Wuppertal. Das Bahnhofsgebäude (Empfangsgebäude) wurde 1987 in der Baudenkmal-Liste eingetragen.
Wuppertal-Mirke | |
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Bahnsteigseite (2007) | |
Daten | |
Bauform | Durchgangsbahnhof |
Abkürzung | KWM |
Eröffnung | 1879 |
Auflassung | 1991 |
Lage | |
Stadt/Gemeinde | Wuppertal |
Ort/Ortsteil | Mirke |
Land | Nordrhein-Westfalen |
Staat | Deutschland |
Koordinaten | 51° 16′ 0″ N, 7° 8′ 43″ O |
Eisenbahnstrecken | |
Bahnhöfe in Nordrhein-Westfalen |
Das Bahnhofsgebäude
Die „Wuppertaler Nordbahn“ wurde von der Rheinischen Eisenbahn-Gesellschaft (RhE) ab 1873 als Konkurrenzstrecke zur Stammstrecke der Bergisch-Märkischen Eisenbahn-Gesellschaft (BME) gebaut und am 15. September 1879 eröffnet.
Das Bahnhofsgebäude von dem Architekten Eberhard Wulff wurde 1882 fertig gestellt und sollte damals als zweiter Hauptbahnhof mit dem 1848 erbauten Bahnhof Elberfeld am Döppersberg konkurrieren. Dabei wurde das Bahnhofsgebäude auf der grünen Wiese platziert, wie es das zeitgenössische Foto zeigt. Die Bebauung der Nordstadt Elberfelds ging damals bis zur Albrechtstraße in der Höhe der damaligen Kreuzkirche. Zur Zeit der Erbauung war nur die Nordstraße als unbefestigter Weg vorhanden und führte an Äckern vorbei.
Schon kurz nach der Eröffnung des Mirker Bahnhofs umgab die rasant wachsende Stadt den Bahnhof, die Friedrichstraße stellte eine wichtige Zubringerstraße zum Neumarkt dar und wurde hinter der Kreuzkirche als Neue Friedrichstraße bis zum Bahnhof verlängert. Gleichzeitig verband die Friedrichstraße beide Hauptbahnhöfe Elberfelds.
Ursprünglich sollte das Bahnhofsgebäude repräsentativer sein als das der BME, aus finanziellen Gründen blieb es jedoch bei einer bescheideneren Ausführung. Es wurde aus mehreren Teilelementen erbaut, die dem regionalen bergischen Stil mit Fachwerkelementen angepasst sind. Zahlreiche wirtschaftliche Betriebe siedelten sich im Umfeld des Bahnhofs an, darunter auch die namhaften Gold-Zack Werke AG und die Zwirnerei Hebebrand.[1][2]
In der Mitte des 20. Jahrhunderts wurde die nunmehr bundesbahneigene Rheinische Strecke mehr und mehr zur Nebenstrecke. In der Folge verlor der Bahnhof an Bedeutung. Noch bis Mitte der 1970er Jahre gab es einen Fahrkartenverkaufsschalter. Einrichtungen wie Fundbüro und Expressgutabfertigung wurden bereits früher eingestellt.
Am 27. September 1991 wurde die Strecke für den Personenverkehr ganz stillgelegt. Das Bahnhofsgebäude blieb ab dann ohne Nutzung.
In der letzten Phase der Streckennutzung wurde die Strecke von Zügen der DB-Baureihe ETA 150 befahren, zuletzt mit je zwei Zügen in beide Richtungen.
Nach der Stilllegung verfiel das Bahnhofsgelände zusehends. Zunächst wurde die Überdachung des Bahnsteiges entfernt, später wurde auch der Gleiskörper entfernt.
Heute liegt das Gebäude am Radweg „Nordbahntrasse“.
Heutige Nutzung
Das Gebäude wurde am 31. August 1987 in die Baudenkmal-Liste eingetragen.
Als Filmkulisse dienten die Innenräume 2003 für die Abschlussbilder des Spielfilms „Bye Bye Blackbird“ und 2013 für den Film „King Ping“ sowie für verschiedene Kurzfilme und Musikvideos.
Das Gebäude, das sich nicht im besten Zustand befindet, sollte durch eine kleine Gruppe zu einem Theater umfunktioniert werden. Olaf Reitz, Reinhard Schiele und Thomas Beimel, die das Theater-Projekt initiiert haben, gründeten dazu den Verein „Kultur im Mirker Bahnhof“ Wuppertal e.V. Von der NRW-Stiftung Naturschutz, Heimat- und Kulturpflege wurden außerdem 70.000 Euro zugesagt. Das „Theater Paradies“ sollte im alten Wartesaal erster Klasse schon im Jahr 2004 eröffnet werden. Da das Gebäude aber unter Zwangsverwaltung steht, weil sich der Käufer der Immobilie verspekuliert hatte und es Zerwürfnisse mit dem Vermieter gibt, zögerte sich das Projekt immer weiter hinaus.[3]
Einen weiteren Rückschlag erlebte das Theater Paradies, als am 13. Januar 2007 der Diebstahl von 18 wertvollen historischen Fenstern bemerkt wurde. Polizei und Denkmalschutzbehörde nahmen die Ermittlungen zu den bemalten bleiverglasten Rundfenstern auf.[4][5]
Olaf Reitz versuchte, das Theater-Projekt durch die Verbindung mit dem Vorhaben der Wuppertalbewegung e.V., die Rheinische Strecke in einen Radwanderweg umzuwandeln, zu verknüpfen.[6] Unbekannte Täter verübten am 27. April 2008 einen Brandanschlag auf das Gebäude, bei dem Brandbeschleuniger verwendet wurden. Es entstand geringer Sachschaden.[7]
Zuvor, im Sommer 2006, kam es für wenige Wochen zu einer Besetzung des Bahngeländes durch eine Gruppe von Bauwagen-Bewohnern. Die Reaktion der Anlieger war geteilt. Ein Anlieger versorgte die Wagenburg mit Strom, während andere, vor allem auf Publikumsverkehr angewiesene Anlieger, die baldige Räumung des Geländes begrüßten.
Außerdem war in dem Gebäude eine Arztpraxis untergebracht, auch eine Tanzschule nutzt die Räumlichkeiten.
Utopiastadt
Seit 2011 beherbergt der Bahnhof „Utopiastadt“, ein Kreativnetzwerk mit Büros, Ateliers und Coworking Space.[8] Im gleichen Jahr zog auch der Hackerspace /dev/tal im Hauptgebäude ein. 2013 eröffnete mit dem „Hutmacher“ eine Gastronomie, 2014 der kostenlose Fahrradverleih „Utopiastadtrad“ und die „Utopiawerkstadt“ als offene Werkstatt/Fablab. 2016 wurde Utopiastadt der Wuppertaler Wirtschaftspreis in der Kategorie „Stadtmarketingpreis“ verliehen.[9] Seit 2017 wird das Nebengebäude der ehemaligen Gepäckabfertigung überwiegend über ehrenamtliche Arbeit komplett saniert.[10] Zum Urban Gardening-Projekt „Utopiastadtgarten“ zog 2018 die Aquaponik-Anlage des Vereins „Aufbruch am Arrenberg“ auf den Utopiastadt-Campus.[11]
2018 wurde das Projekt „Utopiastadt“ mit dem Bundespreis europäische Stadt ausgezeichnet.[12] Am 5. Dezember 2018 kaufte die Utopiastadt gGmbH 11.100 m² Gelände um den Mirker Bahnhof, darunter die Fläche der ehemaligen Gepäckabfertigung und die Gastronomiefläche. Für weitere 25.000 m² wurde ein Kaufangebot unterzeichnet.[13] 2019 wurde Utopiastadt als einem von zwei Preisträgern der Social Sculpture Award verliehen.[14] Der Preis wird an gesellschaftliche Akteure verliehen, die im Sinne der Beuys'schen „Sozialen Plastik“ gesellschaftliche Verhältnisse kreativ verändern. 2020 wurde Utopiastadt Landessieger des Deutschen Nachbarschaftspreises in Nordrhein-Westfalen.[15][16]
Überregionale Strahlkraft entwickelt hat das Projekt in den Bereichen Bürgerengagement, Sozialpolitik und -forschung sowie der kommunalen Entwicklung.[17] Mit dem (coronabedingt ein Jahr verschobenen[18]) Solar Decathlon Europe auf dem Utopiastadt-Campus werden Konzepte nachhaltiger und ressoucenschonender Stadtteilenwirklung und Architektur entwickelt und umgesetzt, die Konzeption »Solar Decathlon goes Urban« wurde von Utopiastadt mitentwickelt.[19]
Siehe auch
Weblinks
Einzelnachweise
- Vom Gummiband zur Teppichmanufaktur – Textilgeschichte am Mirker Bahnhof. In: wuppertal.de. Abgerufen am 27. November 2018.
- Ökonomie und Unternehmergeist in der Elberfelder Nordstadt – gibt es das? (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven)
- Peter Laudenbach: Das geht: Paradies ohne Subventionen. In: brandeins. Abgerufen am 29. Mai 2018.
- Dreister Dieb: Sündenfall im Paradies (Memento vom 26. September 2007 im Internet Archive) Westdeutsche Zeitung (Online) vom 15. Januar 2007
- Dreister Diebstahl (Memento vom 26. Oktober 2017 im Internet Archive) In: Musenblätter, 14. Januar 2007
- Wuppertalbewegung e.V.: Trassenfest ein voller Erfolg (Memento vom 29. September 2007 im Internet Archive)
- Brandstifter zündeln am Mirker Bahnhof Westdeutsche Zeitung (Online) vom 28. April 2008
- Zeitstrahl — Ereignis von 2006 bis 2015. In: Clownfisch. Abgerufen am 29. Mai 2018.
- Wuppertaler Rundschau: 14. Wuppertaler Wirtschaftspreis: „Utopiastadt“ erhält den Marketingpreis. 28. Oktober 2016, abgerufen am 15. Februar 2021.
- Utopiastadt saniert Gepäckabfertigung Westdeutsche Zeitung (Online) vom 18. April 2017
- Farmbox steht zukünftig auf dem Utopiastadt-Campus Westdeutsche Zeitung (Online) vom 12. April 2018
- Preisträger: Wuppertal Bundeswettbewerb Europäische Stadt (Online), 8. November 2018
- Utopiastadt wächst um 11 000 Quadratmeter Westdeutsche Zeitung (Online) vom 14. Dezember 2018
- Pressemitteilung der SSC Social Sculpture Corporation (Online), November 2019
- Utopiastadt – Deutscher Nachbarschaftspreis 2020. Abgerufen am 14. November 2020.
- Deutscher Nachbarschaftspreis 2020: 16 Landessieger stehen fest. In: fernsehlotterie.de. 22. September 2020, abgerufen am 6. Juni 2021.
- Kreativprojekt „Utopiastadt“ in Wuppertal. Vom Bahnhof zum Gesellschaftsexperiment. In: Deutschlandfunk Kultur. Abgerufen am 15. Februar 2021.
- Neuer Termin: Solar Decathlon Europe 21 in Deutschland auf Juni 2022 verschoben. Abgerufen am 14. November 2020.
- Urban Solar Decathlon – Internationaler studentischer Innovationswettbewerb für Gebäude kommt nach Wuppertal. Abgerufen am 22. Oktober 2019.