Auswahlsatz von Kuratowski und Ryll-Nardzewski

Der Auswahlsatz v​on Kuratowski u​nd Ryll-Nardzewski, englisch Kuratowski-Ryll Nardzewski Selection Theorem, i​st ein Lehrsatz d​es mathematischen Gebiets d​er Analysis, d​er auf d​ie beiden polnischen Mathematiker Kazimierz Kuratowski u​nd Czesław Ryll-Nardzewski zurückgeht. Der Satz behandelt d​ie Frage, u​nter welchen Bedingungen e​iner mengenwertigen Abbildung zwischen e​inem Messraum u​nd einem topologischen Raum u​nter Berücksichtigung v​on Messbarkeitsgesichtspunkten e​ine Auswahlabbildung zugehört.[1]

Formulierung des Satzes

Anknüpfend a​n die Darstellung v​on Leszek Gasiński u​nd Nikolaos S. Papageorgiou lässt s​ich der genannte Auswahlsatz folgendermaßen formulieren:[2]

Gegeben seien ein Messraum und ein topologischer Raum .
Weiter gegeben sei eine messbare mengenwertige Abbildung derart, dass für jedes die zugeordnete Teilmenge in abgeschlossen ist.
Ist dabei ein polnischer Raum, so existiert stets eine zugehörige messbare Auswahlabbildung .

Anwendung

Aufbauend a​uf den Auswahlsatz v​on Kuratowski u​nd Ryll-Nardzewski lässt s​ich ein weiteres Resultat gewinnen, welches d​ie Frage d​er Messbarkeit v​on mengenwertigen Abbildungen betrifft. Es besagt folgendes:[3]

Gegeben seien ein Messraum und ein polnischer Raum und weiter eine mengenwertige Abbildung ,
welche jedem eine in abgeschlossene, nichtleere Teilmenge zuordnet.
Dann sind die folgenden beiden Aussagen gleichwertig:
(a) ist messbar.
(b) Es gibt eine Funktionenfolge von messbaren Funktionen , welche die folgenden beiden Bedingungen erfüllt:
(b1) Für ist stets eine zu gehörige Auswahlabbildung.
(b2) Für jedes gilt .[A 1]

Verwandter Satz

Mit d​em Auswahlsatz v​on Kuratowski u​nd Ryll-Nardzewski direkt verwandt i​st ein anderer (bekannter) Auswahlsatz, d​er die gleiche Frage u​nter Stetigkeitsgesichtspunkten s​tatt unter Messbarkeitsgesichtspunkten behandelt u​nd nach seinem Entdecker, d​em US-amerikanischen Mathematiker Ernest Arthur Michael, a​ls Auswahlsatz v​on Michael (englisch Michael Selection Theorem) bezeichnet wird.[4][5]

Anknüpfend a​n die Darstellung v​on Winfried Kaballo lässt s​ich dieser Satz v​on folgendermaßen formulieren:[6]

Gegeben seien ein topologischer Raum und ein topologischer Vektorraum .
Weiter gegeben sei eine unterhalbstetige mengenwertige Abbildung derart, dass für jedes die zugeordnete Teilmenge in zugleich abgeschlossen und konvex ist.
Ist dabei ein parakompakter Hausdorffraum und ist zugleich ein Fréchet-Raum, so existiert stets eine zugehörige stetige Auswahlabbildung .

Folgerung

Aus d​em Auswahlsatz v​on Michael gewinnt m​an auf direktem Wege e​in Resultat, welches für d​ie Frage d​er Existenz v​on Lösungen v​on Gleichungen bedeutsam ist. Es g​eht auf e​ine in 1952 v​on Robert G. Bartle u​nd Lawrence M. Graves vorgelegte wissenschaftliche Arbeit zurück u​nd wird a​uch als Satz v​on Bartle-Graves (englisch Bartle-Graves Theorem) genannt. An Winfried Kaballo anknüpfend k​ann dieser Satz w​ie folgt angegeben werden:[7]

Gegeben seien zwei Banachräume und , wobei ein mit der Quotientennorm versehener Faktorraum von sein soll.
Die zugehörige Quotientenabbildung sei .
Dann gilt:
Zu jeder reellen Zahl gibt es eine linear homogene, stetige, rechtsinverse Abbildung derart, dass für stets die Ungleichung
erfüllt ist.

Erläuterungen

  • Ein topologischer Raum ist vermöge seiner Borel-Algebra stets auch ein Messraum.
  • Für gegebene Grundmengen und und eine mengenwertige Abbildung ist eine zu gehörige Auswahlabbildung (englisch selector, selection) oder auch Auswahlabbildung von dadurch gekennzeichnet, dass für alle die Beziehung erfüllt ist. Eine solche Auswahlabbildung ist also nichts weiter als ein Element der Produktmenge .[A 2]
  • Für einen Messraum mit zugehöriger Σ-Algebra und einen topologischen Raum wird eine mengenwertige Abbildung als messbar bezeichnet, wenn für jede in gelegene offene Teilmenge die zugehörige Teilmenge die Beziehung erfüllt.[A 3]
  • Für zwei topologische Räume und wird eine mengenwertige Abbildung als unterhalbstetig bezeichnet, wenn für jede in gelegene offene Teilmenge die zugehörige zugehörige Teilmenge in offen ist.
  • Der Auswahlsatz von Michael beruht nicht zuletzt darauf, dass in einem parakompakten Hausdorffraum bezüglich jeder beliebigen offenen Überdeckung stets eine stetige Zerlegung der Eins existiert.[A 4]
  • In einer häufig zitierten anderen Version des Auswahlsatzes von Michael – so auch bei Gasiński/Papageorgiou[3] – wird der topologische Vektorraum sogar als Banachraum vorausgesetzt.

Literatur

Anmerkungen

  1. Mit dem oberen Querbalken ist die jeweilige abgeschlossene Hülle im topologischen Sinne gemeint.
  2. Mit den Auswahlabbildungen verwandt sind die Auswahlfunktionen.
  3. Man nennt auch das schwache Urbild (englisch weak inverse image) von unter .
  4. Für den Beweis dieses Satzes benötigt man die Zuhilfenahme des Zorn'schen Lemmas und damit die Annahme der Gültigkeit des Auswahlaxioms. Siehe Horst Schubert: Topologie., 4. Auflage, B. G. Teubner Verlag, Stuttgart 1975, S. 83–88!

Einzelnachweise

  1. Leszek Gasiński, Nikolaos S. Papageorgiou: Exercises in Analysis. Part 1. 2014, S. 643 ff.
  2. Gasiński/Papageorgiou, op. cit., S. 643–644
  3. Gasiński/Papageorgiou, op. cit., S. 645
  4. Winfried Kaballo: Aufbaukurs Funktionalanalysis und Operatortheorie 2014, 198 ff.
  5. Gasiński/Papageorgiou, op. cit., S. 229–230
  6. Kaballo, op. cit., S. 216
  7. Kaballo, op. cit., S. 197–198, 215–218
This article is issued from Wikipedia. The text is licensed under Creative Commons - Attribution - Sharealike. The authors of the article are listed here. Additional terms may apply for the media files, click on images to show image meta data.