Appenzeller (Käse)
Appenzeller ist eine Schweizer Käsesorte, benannt nach dem Appenzellerland in der Schweiz, wo der Käse bereits seit dem Mittelalter hergestellt wird. Die Landschaft rund um den Säntis liefert die Rohmilch, mit der Appenzeller Käse hergestellt wird. 52 Dorfkäsereien in den Kantonen Appenzell Innerrhoden, Appenzell Ausserrhoden und in Teilen der Kantone St. Gallen und Thurgau produzierten eine Gesamtmenge von 8696 Tonnen (im Geschäftsjahr 2018), die von einer zentralen Organisation aufgekauft und unter der eingetragenen Marke «Appenzeller Switzerland» vermarktet wird. Rund 53 Prozent des Appenzeller Käses wird im Ausland verkauft, davon etwa 78 Prozent in Deutschland, gefolgt von Frankreich und den Benelux-Staaten mit wesentlich geringeren Anteilen. Die Produktionsmengen sind in den letzten Jahren im Wesentlichen stagnierend.[1]
Vermarktung
Die Bezeichnung «Appenzeller Käse» ist keine geschützte Herkunftsbezeichnung nach Schweizer Recht, sondern eine Kollektivmarke[2] der Sortenorganisation Appenzeller Käse GmbH mit Sitz in Appenzell, in der Milch- und Käseproduzenten, Käsehandel und die Stiftung Fonds für Appenzeller Käse organisiert sind.[3] Sie kauft den Appenzeller Käse von den Herstellern auf und vermarktet ihn in der Schweiz und im Ausland. In der Verantwortung der Sortenorganisation liegen Qualitätskontrolle, Marketing und Werbung, die Festlegung der Produktionsmengen und der Verkaufspreise. Käse, den die Hersteller über die festgelegten Mengen hinaus produzieren, können sie nicht unter dem Markennamen «Appenzeller» verkaufen; aus diesem Grunde bieten etliche Käsereien unter anderen Namen Käse an, der dem Original-Appenzeller zumindest sehr ähnlich ist und seinen Markterfolg signifikant beeinträchtigt.[4]
In ihrer Werbung betont die Sortenorganisation die Traditionalität und den würzigen Geschmack des Produktes und streicht besonders das «geheime Rezept» der Kräutersulz (der Flüssigkeit, mit welcher der Käse während der Reifung gepflegt wird) heraus. Bekannte Werbefiguren sind die Sennen (Alphirten) in Appenzeller Tracht, deren Schweigsamkeit die Geheimhaltung garantiert, beispielsweise in einer Serie von Werbespots für die Fernsehwerbung mit dem deutschen Schauspieler Uwe Ochsenknecht, der ihnen das Rezept zu entlocken versucht. Die Kampagne wurde mit mehreren Werbepreisen ausgezeichnet.[3][5]
Eigenschaften
Appenzeller Käse ist in der Schweiz ein Halbhartkäse[6] (nach deutscher Nomenklatur: Schnittkäse), der in zwei Varianten hergestellt wird: Als Vollfett- und als Viertelfettkäse (Rässkäse). Die Laibe sind rund mit einem Durchmesser von 20–30 cm, einer Höhe von 12–15 cm und einem Gewicht von 6–8 kg. Die Järbseite ist leicht gewölbt; eine ganz gerade Järbseite gilt als Käsefehler. Die Rinde ist fest mit gelblich-grau-brauner Schmiere, der Teig ist elastisch, weichschnittig und speckig, von leicht gelblicher Farbe und hat wenige, regelmässige, runde Löcher, die etwa maiskorn- bis kirschkerngross sind. Geruch und Geschmack werden als rein, mild und aromatisch beschrieben; je nach der Reifezeit unterscheidet man «milden» und «rezenten» (stärker gereiften) Käse. Der Rässkäse ist im Übrigen kräftiger als der Vollfettkäse.[7]
Die Sortenorganisation gibt den Herstellern für den Vollfettkäse einen Mindestgehalt von 50 % Fett i. Tr. und einen Mindestanteil von 58 % Trockenmasse vor, für den Viertelfettkäse 20 % Fett i. Tr. und 48 % Trockenmasse.[7]
Herstellung
Appenzeller ist ein Rohmilchkäse, das heisst, er wird aus nicht thermisch behandelter Kuhmilch hergestellt. Für die Herstellung der Vollfettstufe soll die Kessimilch einen Fettanteil von 3,3–3,5 % haben. Frische Morgenmilch wird mit gekühlter Abendmilch gemischt, auf eine Einlabungstemperatur von 30–31 °C gebracht und mit Säuerungskulturen und Labferment versetzt. Nach etwa einer halben Stunde ist die Milch dickgelegt und kann zu Käsebruch geschnitten werden. Dieser wird dann bei 42–46 °C eine Weile nachgewärmt (bei magerem Käse kühler) und anschliessend aus der Sirte gezogen, in Formen gefüllt und gepresst. Danach werden die Käse zwölf Stunden (teilweise aber auch acht bis zehn Tage lang) stehen gelassen, bevor sie für ein bis drei Tage bei Temperaturen von 8–14 °C in ein Salzbad von 18–20 °Bé kommen. Nach dem Verlassen des Salzbades werden die Laibe noch etwa zehn Tage lang zur Begünstigung der Schmierebildung regelmässig gebürstet und gesalzen.
Eine Besonderheit des Appenzellers ist die Behandlung mit der sogenannten «Sulz», einer speziellen Flüssigkeit, mit welcher der Käse während der Reifung behandelt wird. Sie soll sich aus Wein, Hefen, Salz, Gewürzen und anderen Bestandteilen zusammensetzen. Früher hüteten die Käser das genaue Rezept ihrer jeweiligen Sulz als Familiengeheimnis, inzwischen ist es aber einheitlich und wird durch die Sortenorganisation geregelt. Die Reifungszeit beträgt vier bis sechs Monate für den vollfetten, sechs bis sieben Monate für viertelfetten Käse.[7]
Verwendung
Als Tafelkäse, aber auch in der warmen Küche ist Appenzeller vielseitig einsetzbar. Mildere Typen eignen sich gut für Fondue oder Raclette, kräftigere als würzende Beigabe zum Fondue, ein klassisches Appenzeller-Gericht ist der Appenzeller Käsefladen.
Geschichte
Die Hersteller des Appenzeller Käses können sich auf eine Geschichte berufen, die bis ins Mittelalter, genauer gesagt mindestens bis ins 13. Jahrhundert zurückreicht, denn als früheste urkundliche Erwähnung des Käses gilt eine Urkunde[8] im Stiftsarchiv St. Gallen vom 15. Januar 1282, in der die Pension des abgedankten Abtes Rumo von Ramstein niedergelegt ist. Dieser erhielt jährlich neben 100 Mark Silber auch Naturalien. Unter anderem waren ihm zu zahlen:
- Item de Gaise in maio una libra et Verene sexaginta casei, quilibet valens octo denarios, et decem solidi in eodem festo.
Zu Deutsch: Aus Gais im Mai ein Pfund [Geld] und am St. Verenentag [1. September] sechzig Käse, jeder im Wert von acht Denar, sowie am selben Fest zehn Solidi.
Wenn dies auch die erste Erwähnung in einer Urkunde ist, werden Käseabgaben aus Appenzell in zahlreichen Rödeln des Klosters St. Gallen genannt, die teilweise bis ins 12. Jahrhundert zurückreichen, aber nicht datiert sind. Überhaupt waren um die Zeit Käse die bedeutendste Abgabe der Appenzeller Bevölkerung an das Kloster, wobei Alpkäse, casei alpini, oftmals eigens beziffert wurden; im Spätmittelalter stieg die Menge auf über 5000 Käse pro Jahr an.
Eine Beschreibung, wie der Käse hergestellt wurde, ist in diesen Quellen aber nicht zu finden. Vermutlich waren es kleine, weiche Käse, da das Nachwärmen des Bruchs noch nicht praktiziert wurde.[9]
Ursprünglich war der Appenzeller Käse in erster Linie ein Produkt der Alpwirtschaft, doch konnten die Sennereien im Laufe der Zeit die steigende Nachfrage nicht mehr befriedigen, so dass die Produktion zunehmend in Talkäsereien verlegt wurde, die besser ausgestattet waren und über mehr Milch verfügten. Die traditionellen Gefässe und Arbeitsmethoden wurden dabei aufgegeben. Im Jahre 1942 wurde die Geschäftsstelle für Appenzellerkäse in St. Gallen gegründet.[7] Im Zuge der Aufhebung der Schweizer Käsemarktordnung wurde die heutige Sortenorganisation gegründet.[10]
Weblinks
- www.appenzeller.ch
- Agroscope: Appenzeller
- Appenzeller Käse in der Datenbank von Kulinarisches Erbe der Schweiz
Einzelnachweise
- Jahresbericht 2018. (PDF; 2,49 MB) Sortenorganisation Appenzeller Käse GmbH, 2019, abgerufen am 4. Dezember 2019.
- Detailansicht zu Marken Nr.: 2P-433383. In: Markenschutzregister Schweiz. 8. April 2014, abgerufen am 21. Februar 2016.
- Jahresbericht 2012 (Memento vom 30. Juli 2016 im Internet Archive) der Sortenorganisation Appenzeller Käse GmbH (PDF, 2,3 MB; abgerufen am 30. Juli 2016).
- Daniel Etter, Samuel Krähenbühl: Risse in heiler Appenzeller-Käse-Welt. In: Schweizer Bauer. 1. November 2012, abgerufen am 21. Februar 2016.
- Käsetourist Ochsenknecht. (Memento vom 22. August 2016 im Internet Archive) Tagblatt Online, 14. Oktober 2009.
- Halbhartkäse. Appenzeller, Tilsiter, Raclette. In: Swissmilk. Abgerufen am 21. Februar 2016.
- Heinrich Mair-Waldburg: Handbuch der Käse. Käse der Welt von A–Z; eine Enzyklopädie. Volkswirtschaftlicher Verlag, Kempten (Allgäu) 1974, Stichwort „Appenzeller“, S. 277.
- Urkunde: St. Gallen, Stiftsarchiv (1004-1500) B.4.B.1. In: Monasterium.net. ICARUS – International Centre for Archival Research
- Werner Vogeler: 15. Januar 1282 – erste urkundliche Erwähnung von Appenzeller Käse. In: Schweizer Volkskunde. Band 71. Basel 1981, S. 103–105.
- Landwirtschaftlicher Informationdienst LID: Sortenorganisation für Appenzeller Käse steht. In: Mediendienst Nr. 2365, 4. Juni 1998 (online, abgerufen am 24. Juli 2016).