Amtsgericht Weißenfels
Das Amtsgericht Weißenfels ist ein Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland. Es gehört zum Bezirk des Landgerichts Halle und des Oberlandesgerichts Naumburg und ist eines von drei Amtsgerichten (die anderen sind das Amtsgericht Naumburg und das Amtsgericht Zeitz) im Burgenlandkreis. Gerichtsbezirk ist das Gebiet des ehemaligen Landkreises Weißenfels. Der Gerichtsbezirk umfasst die Gemeinden Goseck, Hohenmölsen, die Stadt Lützen, die Stadt Teuchern und die Stadt Weißenfels.
Sitz des Gerichts ist Weißenfels. Die Anschrift lautet Friedrichsstraße 18, 06667 Weißenfels.
Geschichte
Seit 1849 bestand in Weißenfels das königlich preußische Kreisgericht Weißenfels, das zu dem Gerichtsbezirk des Appellationsgerichtes Naumburg gehörte. Im Rahmen der Reichsjustizgesetze wurden diese Gerichte 1879 aufgehoben. In Weißenfels entstand stattdessen das Amtsgericht Weißenfels, das nun zum Sprengel des Landgerichtes Naumburg gehörte. Sein Gerichtsbezirk umfasste den Kreis Eckardsberga ohne den Teil, der den Amtsgerichten Hohenmöseln, Naumburg, Osterfeld, Teucher und Zeitz zugeordnet war.[1]
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Landgerichts Naumburg 1945 in der SBZ aufgehoben[2] und das Amtsgericht Weißenfels kam zum Landgericht Halle. 1952 wurden in der DDR die Amtsgerichte aufgehoben und stattdessen Kreisgerichte gebildet. In Weißenfels entstand das Kreisgericht Weißenfels. Dieses war für den Kreis Weißenfels zuständig und war dem Bezirksgericht Halle nachgeordnet. Nach der Wende wurden diese 1992 aufgehoben und das Amtsgericht Weißenfels neu gebildet.
Gerichtsgebäude
Das Eckgrundstück Friedrichsstraße / Am Kloster ist bebaut mit dem parallel zur Friedrichsstraße ausgerichteten Hauptgebäude sowie dem dahinter liegenden Gefängnis mit Wärterhaus, das über die Straße Am Kloster zu erreichen ist. Zuvor befand sich das Amtsgericht im so genannten „Geleitshaus“ in der Großen Burgstraße.
Geschichte bis zum Neubau
Bevor der Neubau in der Friedrichsstraße errichtet wurde, befand sich das „Königliche Amtsgericht Weißenfels“ im Haus Große Burgstraße 22, dem Geleitshaus, das entsprechend seiner Nutzung auch als Amtshaus bezeichnet wurde. Im Jahr 1815 ging das Amtshaus aus dem Eigentum des Königreichs Sachsen an das Königreich Preußen über. Der preußische Justizfiskus nutzte es zur Unterbringung des Stadt- und Landgerichts und später der Kreisgerichtskommission. Das Gebäude bestand aus zwei Teilen, dem Haupthaus, direkt an der Großen Burgstraße und einem 1878/1879 – im Zuge der Reformen des Gerichtsverfassungsgesetzes – errichteten Anbau oberhalb des Haupthauses.
Grundstücksauswahl
Die Auswahl des Grundstücks für den Neubau eines Gerichtsgebäudes und eines Gefängnisses lag in den Händen des Geheimen Justizrats Fritzsch, der die Angelegenheit im preußischen Justizministerium bearbeitete. Für den Gerichtsneubau waren drei Grundstücke im Gespräch. Nach langen Verhandlungen mit der Stadt Weißenfels entschied man sich schließlich für das so genannte Seminargrundstück, auf dem dann das Gerichtsgebäude errichtet wurde. Bei den Verhandlungen spielten die vom Justizfiskus zu tragenden Kosten eine herausragende Rolle.
Bau
Besondere Probleme traten beim Fundament auf. Bodenuntersuchungen hatten ergeben, dass der Baugrund erst in einer Tiefe von 5 bis 10 Metern aus tragfähigen Materialien wie Sand und Fels bestand und somit die nötige Festigkeit hatte. Aus diesem Grund entschied sich die Bauleitung nach einer gründlichen Prüfung mehrerer Varianten, die Fundamente auf 5 bis 10 Meter langen Eisenbetonpfählen zu errichten. Für das Gerichtsgebäude wurden 215 Pfähle und für das Gefängnis 116 Pfähle vor Ort hergestellt und in den Boden gerammt. Dies geschah trotz Frostes innerhalb von nur elf Wochen. Die Bauzeit betrug (nach Fertigstellung der Pfahlgründung) von der Errichtung der Keller bis zur vollständigen Fertigstellung und Einrichtung somit nur 17 Monate. Das Gefängnis wurde am 24. September 1912 fertiggestellt und das Gerichtsgebäude mit einer Feier am 11. Dezember 1912 eingeweiht. Damit wurde die geplante Bauzeit erheblich unterschritten, ursprünglich Planung sollten die Arbeiten bis 1. April 1913 dauern. Die Baukosten betrugen 456.000 Mark (veranschlagt: 401.000 Mark), wovon allein 59.000 Mark (veranschlagt: 26.500 Mark) auf die Pfahlgründung beider Gebäude entfielen.
Architektur
Die Gebäude wurden so angeordnet, dass eine Erweiterung durch spätere Anbauten problemlos möglich war und noch heute möglich ist. Das Gerichtsgebäude, gestaltet in Anlehnung an ein Corps de Logis, ist im für preußische Gerichtsgebäude dieser Epoche typischen barockisierenden Jugendstil gehalten. Der Bau vereint das staatliche Repräsentationsbedürfnis mit einer zweckmäßigen und kostenbewußten Bauweise.
Die repräsentative Gestaltung konzentriert sich auf die Bereiche, die besonders im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehen: das Eingangsportal, das Haupttreppenhaus und der Schöffengerichtssaal. Die Fassade weist über dem Hauptportal zwei Figuren auf, die die Justitia (Gerechtigkeit) mit Schwert und Waage sowie die Veritas (Wahrheit) mit einem Spiegel darstellen. Die zentrale Inschriftenkartusche unterhalb des geschweiften Giebels wird von einer Eule als Symbol der Weisheit bekrönt.
Das mittlere Fenster des darüber liegenden Schöffensaals hat eine auf Konsolen ruhende Fensteröffnung, die eine Kartusche mit Adler und Krone einfasst. Das mittlere Fenster oberhalb des Schöffensaals trägt als Schlussstein ein Medusenhaupt. Auf gleicher Höhe wird der Gebäudevorsprung des Hauptportals von zwei mit Köpfen versehenen Kartuschen begrenzt. Sie enthalten links eine Gesetzestafel und rechts ein Liktorenbündel. Im oberen Abschluss des Hauptportals befinden sich zwei weitere Figuren, die „Kraft“ und „Gelehrtheit“ darstellen: Links ist ein muskulöser Mann dargestellt, der einem Ungeheuer den Rachen auseinanderreißt, und rechts eine sitzende Frau, die in einem Buch liest.
Links vom Hauptportal befindet sich ein weiterer Zugang, durch den das Publikum direkt in den Schöffensaal gelangte. Symbolisch wird das Publikum von einem zuhörenden Knaben mit dem Zeigefinger auf dem Mund über dem Eingang verkörpert. Über ihm befinden sich zwei geschwätzige Papageien, die die Verfahrensbeteiligten darstellen, während den unteren Abschluss des Schlusssteins zwei kriechende Schnecken bilden. Die Bauplastik wurde von dem Merseburger Bildhauer Paul Juckoff ausgeführt, der vor allem durch die Bronzeplastik des Schusterjungen im Weißenfelser Stadtpark und den Jugendstilbrunnen vor der Marienapotheke in der Beuditzstraße bekannt ist.
Zwischen den Fenstern des zweiten Obergeschosses im Zwischentrakt und in dessen Fortsetzung am Nordrisalit sind Reliefs mit den vier menschlichen Charakteren angebracht. Dargestellt sind der Choleriker (mit zum Schreien geöffneten Mund und sehnig geballten Fäusten), der Melancholiker (als alter Mann mit dem Raben als Symbol des Todes), der Sanguiniker (als Frohnatur mit Laute in einer Weinlaube) und der Phlegmatiker (stumpfsinnig dreinblickend, auf die Fäuste gestützt).
Im Haupttreppenhaus befinden sich sechs Fenster mit einfach gehaltenen Bleiverglasungen, die mit einer Girlande aus Eichenblättern umrahmt sind. Lediglich das mittlere Fenster sticht mit dem Symbol der Justiz, einer Komposition aus Schwert und Waage, heraus. Ein weiteres Fenster erinnert in seiner Gestaltung an das alte Gerichtsgebäude, das Geleitshaus. Unter der oberen Brüstung der Treppenhauspfeiler befindet sich eine weitere Figurengruppe. Sie zeigt rechts und links zwei Knaben, die eine sich in den Schwanz beißende Schlange und eine Sanduhr halten und damit Aeternitas (Ewigkeit) und Vanitas (Vergänglichkeit) symbolisieren. Sie rahmen einen zentral angebrachten Erzengel Michael und den von ihm erschlagenen Teufel in Gestalt eines Drachen ein. Zudem sind an den Bögen und Pfeilern des Treppenhauses die zwölf Tierkreiszeichen angebracht. Zusammen mit Aeternitas und Vanitas stehen sie für die Zeit in ihrem rhythmischen Ablauf.
Im Schöffensaal sind die beiden Heizungsverkleidungen hervorzuheben, die als katzen- oder teufelsartige Fratzen mit weit aufgerissenen, die Zähne zeigenden Mäulern gestaltet sind. Diese Ehrfurcht heischenden Fratzen symbolisieren vermutlich so etwas wie der Hölle Rachen und gemahnen alle im Gerichtsverfahren Beteiligten nach bestem Wissen und Gewissen auszusagen beziehungsweise zu urteilen.
Architekten
- Geheimer Oberbaurat Paul Thoemer, Vortragender Rat im preußischen Ministerium der öffentlichen Arbeiten in Berlin
- Baurat Becker
- Regierungsbaumeister Wilhelm Trautwein (zuvor beteiligt am Bau des Amtsgerichts Wittenberg, danach des Amtsgerichts Bremerhaven-Lehe).
Nutzung
Grundsätzlich wurde das Gerichtsgebäude immer als Amtsgericht genutzt. Zeitweilig kamen folgende weitere Nutzer hinzu: Staatsanwaltschaft des Kreises Weißenfels (1952–1991), Staatliches Notariat Weißenfels (1952–1990), Rat des Kreises Weißenfels und das Referat Jugendhilfe (1955–1990). Im Zuge der Auflösung kleinerer Gerichte kamen die Amtsgerichte aus Lützen und Hohenmölsen (einschließlich Teuchern) hinzu.
Gefängnis
Bereits bei der ersten Planung und der Auswahl des Grundstücks wurde immer davon ausgegangen, dass neben dem Gerichtsgebäude auch ein Gefängnis entstehen sollte. Architektonisch bildet es eine Einheit mit dem Hauptgebäude. Besonders gelungen ist das Mansarddach. Das viergeschossige Gebäude hat eine Breite von nur 7,20 Meter.
Seit seiner Fertigstellung am 24. September 1912 bis zum Jahr 1968 wurde das Gebäude als Gefängnis genutzt. Danach befanden sich Lagerräume und eine Sauna der Polizei in dem Gebäude. Auf den Höfen wurden Garagen für Polizeifahrzeuge errichtet. Seit 1994 erfolgt die Nutzung wieder durch die Justiz. Ein Teil des Gebäudes wurde zu Büroräumen umgebaut, die für die Unterbringung des Grundbuchamts Hohenmölsen benötigt wurden.
Persönlichkeiten
Hans Bogislav Graf von Schwerin, (* 12. Juli 1883 in Hannover; † 27. August 1967 in Bad Wörishofen), war im Jahre 1908 als königlich preußischer Regierungsreferendar beim Amtsgericht Weißenfels tätig.
Literatur
- Dehio-Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler, Sachsen-Anhalt, Band II: Regierungsbezirke Dessau und Halle. Deutscher Kunstverlag, München / Berlin 1999, ISBN 3-422-03065-4, S. 463 f.
- Heiner Lück: 20 Jahre Gerichtsgebäude in Sachsen-Anhalt. Ministerium der Justiz Sachsen-Anhalt, Magdeburg o. J.
Weblinks
Einzelnachweise
- Verordnung, betreffend die Bildung der Amtsgerichtsbezirke vom 5. Juli 1879, GS Nr. 30., S. 481 f., Digitalisat
- Erste Verordnung über die Neuordnung des Gerichtswesens in der Provinz Sachsen vom 25. Oktober 1945