Amigonianer
Die Amigonianer (auch: Kapuziner-Terziaren, offizielle Bezeichnung Kongregation der Kapuziner Terziaren Unserer Frau der Schmerzen,[1] lateinisch Fratres Tertii Ordinis Sancti Francisci Capulatorum a Beata Maria Virgine Perdolente, Ordenskürzel: TC) sind eine römisch-katholische Ordensgemeinschaft, die von dem spanischen Kapuzinerpater und späteren Bischof Luis Amigó y Ferrer gegründet wurden. Sie gehört als Bestandteil des Regulierten Dritten Ordens zur Ordensfamilie des heiligen Franziskus von Assisi.
Geschichte
Der spanische Kapuzinerpater Luis Amigó war bestrebt, das religiöse Leben der mit dem Kapuzinerorden verbundenen Laien zu fördern, die sich aus christlichen Motiven unmittelbar für bedürftige Familien, Kranke und soziale Randgruppen einsetzten. Bereits 1885 hatte er mit einigen frommen Frauen, die ein klösterliches Leben mit derartigen Aufgaben verbinden wollten, die weibliche Ordensgemeinschaft der Kapuziner-Terziarinnen von der Heiligen Familie gegründet. Aus den in der Umgebung von Valencia von ihm geistlich betreuten religiösen Männergruppen, bei denen es sich meist um Vereine des franziskanischen Laienordens handelte, wurde von einigen Mitgliedern der Wunsch an ihn herangetragen, ebenfalls einer karitativ tätigen Ordensgemeinschaft beizutreten. Um dieses Anliegen zu unterstützen, gründete Pater Amigó am 12. April 1889 in Torrent bei Valencia ein männliches Gegenstück zu der Schwesterngemeinschaft. Anfangs war geplant, die Brüder sollten vor allem Gefängnisse besuchen und Strafgefangene betreuen. Wenige Jahre nach der Gründung übernahmen die Brüder die Führung eines Erziehungsheims für straffällig gewordene Jungen in Madrid, das Erste seiner Art in Spanien. Zunächst als Ordensgemeinschaft bischöflichen Rechts anerkannt, wurde die Gemeinschaft am 19. September 1902 als Kongregation päpstlichen Rechts approbiert. In Deutschland ließen sich die Amigonianer 1962 nieder. Die erste Niederlassung war in Köln-Immendorf, 1969 folgte eine weitere Niederlassung in Bonn-Endenich, seit 1985 ist die Kongregation in Gelsenkirchen tätig.
Patronin des Ordens ist die Schmerzhafte Muttergottes, das wichtigste Ordensfest das Gedächtnis der Sieben Schmerzen Mariens am 15. September.
Heutige Verbreitung
Strukturen
Die Kongregation hat etwa 400 Mitglieder, davon sind ungefähr die Hälfte Priester, in über 70 Niederlassungen und 19 Ländern der Erde (2011), vornehmlich in der spanischsprachigen Welt.[2] Generalsuperior der Gemeinschaft ist seit Mai 2019 der Venezolaner Frank Gerardo Pérez, zu seinem Stellvertreter wurde der Deutsche Jens Anno Müller gewählt, der seit den 1990er Jahren in Gelsenkirchen lebte.[3][4] Als erster amigonianischer Bischof seit dem Tod des Ordensgründers wurde 2018 der Spanier Bartolomé Buigues Oller zum Bischof von Alajuela in Costa Rica ernannt.[5]
Deutschland
In Deutschland sind die Amigonianer derzeit noch mit fünf Brüdern vertreten, vier davon Priester. Sie gehören zur „spanischen“ Ordensprovinz mit Sitz in Madrid, die allerdings von Polen bis zur Elfenbeinküste reicht, und wirkten bis 2019 in Gelsenkirchen und in Köln.[6]
Gladbeck
1962 wurde in Köln-Immendorf die erste Niederlassung in Deutschland gegründet, die 2004 nach Köln-Dünnwald/Höhenhaus verlegt wurde[7]
2019 haben die Amigonianer das Erzbistum Köln verlassen und sind nach Gladbeck gezogen, die beiden deutschen Kommunitäten wurden im Juli 2019 zusammengelegt.[8][9] Delegat und juristischer Vertreter des Provinzials in Deutschland ist Pater Ralf Winterberg.[10] Am 1. Juli 2019 wurde den Amigonianern vom Bistum Essen die Seelsorge der spanischsprachigen Katholiken im Ruhrgebiet anvertraut.[11]
Gelsenkirchen
Seit 1985 gibt es die Niederlassung in Gelsenkirchen. Der Jugendtreff existiert seit 1989 am Rande der Siedlung Aldenhofstraße. Die Einrichtung bietet einen offenen Treff für Kinder und Jugendliche, Ferienprogramme und -fahrten, Hausaufgabenhilfe, Förderung lernschwacher Kinder, Hilfe beim Schulabschluss und Start in das Berufsleben sowie Gruppenstunden und Beratung für die Besucher und ihre Familien an, übernimmt aber auch die Vermittlung von weitergehender Hilfe jeglicher Art.[12]
Im Jahr 2014 besuchte der Weihbischof Gregorio Rosa Chávez den Jugendtreff und sprach mit den Kindern und Jugendlichen über die schwierigen Lebensumstände in El Salvador. Weihbischof Chávez wurde vom Adveniat nach Deutschland eingeladen, um im Rahmen der Jahresaktion mit dem Motto Ich will Zukunft! über die Situation junger Menschen in Lateinamerika und die Unterstützung durch das Hilfswerk zu berichten.[13]
Das 25-jährige Bestehen des Jugendtreffs wurde im Jahr 2014 gefeiert, zusammen mit dem 125-jährigen Bestehen der Ordensgemeinschaft.[14]
Bonn
Seit 1969 gab es ein weiteres Haus in Bonn, das allerdings nicht mehr besteht.
Weitere Tätigkeiten weltweit
Die Gemeinschaft betätigt sich in der pädagogischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, die erzieherische Hilfe benötigen. Traditionell waren die Amigonianer vor allem in der Heimerziehung aktiv. In Spanien, Italien und verschiedenen lateinamerikanischen Ländern führt der Orden auch diverse Schulen und ist teils auch in der Pfarrseelsorge und Jugendpastoral tätig. Seit den 1970er und 1980er Jahren gelangten neben der Betreuung junger Menschen in Erziehungseinrichtungen auch andere pädagogische und psychosoziale Arbeitsfelder ins Blickfeld der Ordensleute, darunter – angestoßen unter anderem durch Projekte der in Deutschland tätigen Brüder – nichtstationäre und gemeinwesenorientierte Ansätze der Jugendsozialarbeit (Offene Tür, Streetworking) sowie – hauptsächlich in Kolumbien und Spanien – diverse Drogentherapieprojekte.
In Medellín (Kolumbien) unterhält die Kongregation seit 1985 eine ordenseigene Stiftungsuniversität, die Fundación Universitaria Luis Amigó (FUNLAM), in der schwerpunktmäßig Studiengänge aus den Fachbereichen Pädagogik, Psychologie und Sozialwissenschaften, seit 2001 aber auch die Fächer Theologie und Philosophie und seit 2002 ein Studium der Rechtswissenschaften angeboten werden. In den letzten Jahren wurde das Angebot der Hochschule durch Zweigstellen in vier kolumbianischen Großstädten und ein Fernhochschulprogramm sowie verschiedene Studiengänge im betriebswirtschaftlichen und informationstechnischen Bereich erweitert.[15]
Kapuziner-Terziarinnen
Die ebenfalls von Luis Amigó gegründete Schwesternkongregation der Kapuziner-Terziarinnen von der Heiligen Familie bildet das weibliche Gegenstück der Gemeinschaft und ist ebenfalls seit den 1960er Jahren in Deutschland (Köln und Duisburg) präsent.
Laienvereinigung
Mit der Ordensgemeinschaft der Amigonianer in der Spiritualität und im praktischen Apostolat verbunden ist die Laienvereinigung der so genannten Amigonianischen Mitarbeiter (span.: Cooperadores Amigonianos), die hauptsächlich Ordensaktivitäten unterstützt oder weiterführt, aber auch eigene Projekte umsetzt.[16] Die rechtlich als kirchlicher Verein verfasste Laiengruppe gehört zu den offiziell anerkannten geistlichen Gemeinschaften der katholischen Kirche.
Auszeichnung und Förderung
Die Kommunität der Amigonianer in Gelsenkirchen wurde 2008 für ihr Wirken im Sinne der christlichen Soziallehre mit dem Heinrich-Brauns-Preis des Bistums Essen ausgezeichnet. Ihre Jugendarbeit wird seit 2010 von der Christoph-Metzelder-Stiftung gefördert.[17]
Literatur
- Karl Suso Frank: Kapuziner-Terziaren. In: Walter Kasper (Hrsg.): Lexikon für Theologie und Kirche. 3. Auflage. Band 5. Herder, Freiburg im Breisgau 1996, Sp. 1226.
- Leonhard Lehmann: Luis Amigó y Ferrer. In: Walter Kasper (Hrsg.): Lexikon für Theologie und Kirche. 3. Auflage. Band 1. Herder, Freiburg im Breisgau 1993, Sp. 529.
- Tomás Roca Chust: Historia de la Congregación de Religiosos Terciarios Capuchinos de Nuestra Señora de los Dolores (1800–1961). Valencia 1997, ISBN 84-7642-025-0 (mehrbändig, Erscheinen seit 1967).
Weblinks
Einzelnachweise
- Regel und Konstitutionen der Amigonianer – Kapuziner Terziaren. Hrsgg. von der Generalkurie (Rom 1985), übersetzt aus dem Spanischen, Köln-Immendorf 1989, S. 45.
- Weltweit Amigonianer, in 21 Ländern (Stand um 2015?)
- Meldung auf der Webseite des Ordens amigonianos.org vom 11. Mai 2019, abgerufen am 10. Juli 2019 (spanisch).
- Meldung auf der Webseite des Ordens amigonianer.org vom 7. Juni 2019, abgerufen am 10. Juli 2019.
- Eillyn Jiménez: Nuevo obispo de Alajuela: ‘No habrá cambio que nos desborde porque Dios nos sostiene’. In: La Nación, 1. März 2018, abgerufen am 28. Mai 2018.
- Webseite des Ordens amigonianer.org, abgerufen am 10. Juli 2019.
- Archivierte Kopie (Memento vom 17. Oktober 2013 im Internet Archive) amigoianer.de, abgerufen am 17. Oktober 2013
- Meldung auf der Webseite des Ordens amigonianer.org vom 19. Februar 2019, abgerufen am 10. Juli 2019.
- Georg Meinert: Amigonianer-Orden kommt mit drei Patres nach Gladbeck. In: WAZ, 21. Januar 2019, abgerufen am 19. Juli 2019.
- Meldung vom 11. Januar 2017 auf orden.de, abgerufen am 19. Juli 2019.
- Meldung auf der Homepage der Ordensgemeinschaft, abgerufen am 15. September 2019.
- Mareike Kluck: Amigonianer Gelsenkirchen sind in Grundwerten gleich. In: WAZ, 20. Juni 2017, abgerufen am 10. Juli 2019.
- Bischof aus El Salvador zu Gast im Amigonianer-Jugendtreff. Pressemitteilung des Bistums Essen vom 10. Dezember 2014, abgerufen am 10. Juli 2019.
- Seit 25 Jahren "Amigos" der Jugendlichen in Gelsenkirchen. Pressemitteilung des Bistums Essen vom 12. September 2014, abgerufen am 10. Juli 2019.
- Webseite der Ordensuniversität FUNLAM, abgerufen am 22. Mai 2015.
- Ordenshomepage amigonianer.org: Die Amigonianische Familie: Cooperadores (abgerufen am 22. Mai 2015).
- Christoph-Metzelder-Stiftung: Schülertreff der Amigonianer in Gelsenkirchen-Schalke (Memento vom 12. März 2015 im Internet Archive).