Alpen-Soldanelle
Die Alpen-Soldanelle (Soldanella alpina) ist eine Pflanzenart aus der Gattung der Alpenglöckchen (Soldanella) innerhalb der Familie der Primelgewächse (Primulaceae). Weitere Trivialnamen sind auch Alpentroddelblume sowie Gewöhnliches oder Großes Alpenglöckchen (Schweiz). Sie wurde zur Blume des Jahres 2004 gewählt.
Alpen-Soldanelle | ||||||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Alpen-Soldanelle (Soldanella alpina) | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
| ||||||||||||
Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Soldanella alpina | ||||||||||||
L. |
Beschreibung
Vegetative Merkmale
Die Alpen-Soldanelle ist eine immergrüne, ausdauernde, krautige Pflanze, die Wuchshöhen von 5 bis 15 Zentimetern erreicht. Es ist ein kurzes, knollig verdicktes Rhizom vorhanden.
Die grundständigen Laubblätter sind in Blattstiel und Blattspreite gegliedert. Die einfache, dickliche und ledrige Blattspreite ist bei einem Durchmesser von bis zu 3 Zentimetern rundlich bis nierenförmig.
Die Blatt- und Blütenstiele sind in der Jugend mit sitzenden Drüsen besetzt und verkahlen später.
Generative Merkmale
Die Blütezeit reicht je nach Standort von April bis Juni. Zwei oder oft auch drei Blüten stehen in aufrechten, blattlosen Blütenständen zusammen.
Die zwittrigen Blüten sind fünfzählig mit doppelter Blütenhülle. Die violette Blütenkrone ist 10 bis 15 Millimeter lang, trichterförmig und – anders als bei der Zwerg-Soldanelle – bis zur Mitte faserig eingeschnitten. Die Fransen des Kronsaumes sind mehr oder minder gleich lang. Die Schlundschuppen sind breiter als lang und die Granne der Staubbeutelspitze ist (meist) zweizähnig.
Es werden aufrecht stehende Kapselfrüchte gebildet.
Die Chromosomenzahl beträgt 2n = 40.[1]
Ökologie
Die Alpen-Soldanelle ist ein Hemikryptophyt und eine Rosettenpflanze.[2]
Blütenbiologisch handelt es sich um homogame bis vorweibliche „Glockenblumen mit Streueinrichtung“. Kurze Schlundschuppen verbergen teilweise den von der Basis des Fruchtknotens abgegebenen Nektar. Beim Blütenbesuch fällt der Pollen mitbedingt durch die umgebogenen Spitzen des Konnektivs der Staubbeutel auf den Rücken der Besucher. Da die Narbe die Blütenkrone und den Streukegel überragt, wird sie zuerst von den anfliegenden Insekten berührt. Die Bestäubung erfolgt durch Hummeln, Schmetterlinge und andere Insekten. Selbstbestäubung ist möglich.[2]
Die Kapselfrüchte öffnen sich bei Trockenheit, sind also xerochas. Der Blütenstandsschaft ist zur Fruchtzeit verlängert; der bleibende Kelch dient als Windfang, es ist also ein Windstreuer. Die nur 0,24 mg schweren und 0,8 mm langen Samen sind Körnchenflieger. Die Fruchtreife erfolgt ab Juli.[2]
Vorkommen
Das Verbreitungsgebiet der Alpen-Soldanelle liegt im Kantabrischen Gebirge, in den Pyrenäen, dem Zentralmassiv, den Alpen, dem Apennin und den Dinarischen Alpen.[3]
Die Alpen-Soldanelle kommt schwerpunktmäßig in den Alpen vor; in den Kalkalpen ist sie häufig, in den kalkarmen Teilen der Zentralalpen kommt sie zerstreut vor.[4] Vorkommen im Südschwarzwald (beispielsweise auf dem Feldberg) und im mittleren und südlichen Schweizer Jura sind Relikte aus den Vereisungsperioden des Pleistozäns.[2]
Die Alpen-Soldanelle gedeiht am besten auf kalkhaltigen Böden von der Tallage bis in eine Höhenlage von 3000 Metern. In den Allgäuer Alpen steigt sie von 850 Metern am Fuß des Kienbergs in Pfronten bis zu einer Höhenlage von 2300 Metern auf.[5]
Die Alpen-Soldanelle besiedelt Schneetälchen, Austrittsstellen von Hangdruckwasser und versumpfte Stellen in alpinen Rasen, seltener besiedelt sie Nassstellen in Hochstaudenfluren oder sickerfeuchte, lichte Stellen in Bergwäldern.[4] Sie benötigt kalkhaltigen oder wenigstens basenreichen, feucht-nassen, humusreichen, steinigen, meist schneebedeckten Boden.[4] Sie bildet an ihren Standorten meist individuenreiche Bestände.[4] Sie gedeiht in den Alpen Mitteleuropas in Gesellschaften der Verbände Adenostylion, Polygono-Trisetion oder der Ordnung Arabidetalia caeruleae, im Schwarzwald im Caricetum frigidae aus dem Verband Caricion davallianae.[1]
Die ökologischen Zeigerwerte nach Landolt & al. 2010 sind in der Schweiz: Feuchtezahl F = 4w (sehr feucht aber mäßig wechselnd), Lichtzahl L = 4 (hell), Reaktionszahl R = 3 (schwach sauer bis neutral), Temperaturzahl T = 2 (subalpin), Nährstoffzahl N = 3 (mäßig nährstoffarm bis mäßig nährstoffreich), Kontinentalitätszahl K = 2 (subozeanisch).[6]
Systematik
Die Erstveröffentlichung von Soldanella alpina erfolgte 1753 durch Carl von Linné in Species Plantarum.[7] Sie ist Typusart der Gattung Soldanella L. Synonyme für Soldanella alpina L. sind: Soldanella occidentalis Vierh., Soldanella pyrolifolia Schott, Nyman & Kotschy.[8]
Es gibt zwei Unterarten:[3][8]
- Soldanella alpina L. subsp. alpina (Syn.: Soldanella clusii F.W.Schmidt, Soldanella montana Willd. var. clusii (F.W.Schmidt) Thomé): Das Verbreitungsgebiet entspricht größtenteils dem der Art.
- Soldanella alpina subsp. cantabrica A.Kress: Sie ersetzt die Nominativsippe im Kantabrischen Gebirge Spaniens.
Literatur
- Xaver Finkenzeller, Jürke Grau: Alpenblumen. Erkennen und bestimmen (= Steinbachs Naturführer). Mosaik, München 2002, ISBN 3-576-11482-3, S. 182.
- Manfred A. Fischer, Karl Oswald, Wolfgang Adler: Exkursionsflora für Österreich, Liechtenstein und Südtirol. 3., verbesserte Auflage. Land Oberösterreich, Biologiezentrum der Oberösterreichischen Landesmuseen, Linz 2008, ISBN 978-3-85474-187-9, S. 681–683.
- S. Pawlowska: Soldanella. In: T. G. Tutin, V. H. Heywood, N. A. Burges, D. M. Moore, D. H. Valentine, S. M. Walters, D. A. Webb (Hrsg.): Flora Europaea. Volume 3: Diapensiaceae to Myoporaceae. Cambridge University Press, Cambridge 1972, ISBN 0-521-08489-X, S. 23–24 (englisch, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
Einzelnachweise
- Erich Oberdorfer: Pflanzensoziologische Exkursionsflora für Deutschland und angrenzende Gebiete. Unter Mitarbeit von Angelika Schwabe und Theo Müller. 8., stark überarbeitete und ergänzte Auflage. Eugen Ulmer, Stuttgart (Hohenheim) 2001, ISBN 3-8001-3131-5, S. 741.
- Ruprecht Düll, Herfried Kutzelnigg: Taschenlexikon der Pflanzen Deutschlands und angrenzender Länder. Die häufigsten mitteleuropäischen Arten im Porträt. 7., korrigierte und erweiterte Auflage. Quelle & Meyer, Wiebelsheim 2011, ISBN 978-3-494-01424-1, S. 739–740.
- Li-Bing Zhang, Joachim W. Kadereit: The systematics of Soldanella L. (Primulaceae) based on morphological and molecular (ITS, AFLPs) evidence. In Nordic Journal Botany. Band 22, Nr. 2, 2002, S. 129–169, DOI:10.1111/j.1756-1051.2002.tb01360.x (PDF-Datei bei ResearchGate).
- Dietmar Aichele, Heinz-Werner Schwegler: Die Blütenpflanzen Mitteleuropas. 2. Auflage. Band 3: Nachtkerzengewächse bis Rötegewächse. Franckh-Kosmos, Stuttgart 2000, ISBN 3-440-08048-X, S. 450.
- Erhard Dörr, Wolfgang Lippert: Flora des Allgäus und seiner Umgebung. Band 2, IHW, Eching 2004, ISBN 3-930167-61-1, S. 321.
- Soldanella alpina L. In: Info Flora, dem nationalen Daten- und Informationszentrum der Schweizer Flora. Abgerufen am 6. April 2021.
- Carl von Linné: Species Plantarum. Band 1, Lars Salvius, Stockholm 1753, S. 144 (Digitalisat ).
- Karol Marhold, 2011: Primulaceae.: Datenblatt In: Euro+Med Plantbase - the information resource for Euro-Mediterranean plant diversity.
Weblinks
- Soldanella alpina L., Gewöhnliches Alpenglöckchen. FloraWeb.de
- Soldanella alpina subsp. alpina L., Gewöhnliches Alpenglöckchen (Unterart). FloraWeb.de
- Alpen-Soldanelle. In: BiolFlor, der Datenbank biologisch-ökologischer Merkmale der Flora von Deutschland.
- Steckbrief und Verbreitungskarte für Bayern. In: Botanischer Informationsknoten Bayerns.
- Thomas Meyer: Alpenglöckchen Datenblatt mit Bestimmungsschlüssel und Fotos bei Flora-de: Flora von Deutschland (alter Name der Webseite: Blumen in Schwaben).
- Walter Obermayer: Detailfotos von Soldanella alpina bei Plants of Styria bei der Uni Graz.