Alma Rogge

Alma Rogge (* 24. Juli 1894 i​n Brunswarden b​ei Rodenkirchen; † 7. Februar 1969 i​n Bremen-Rönnebeck) w​ar eine deutsche Schriftstellerin.

Biografie

Jugend

Alma Rogge wurde als Tochter des Marschenbauern August Rogge geboren. Sie besuchte die einklassige Dorfschule und wechselte später zur Bürgerschule in Rodenkirchen. Schon als Schülerin hatte sie immer ein Heft und einen Bleistift zur Hand, um sich über besondere Vorkommnisse Notizen zu machen. Nach ihrer Schulentlassung sollte sie im bäuerlichen Haushalt mitarbeiten. 17-jährig schickten die Eltern sie auf ein Internat nach Bad Kreuznach. Dort schrieb sie ihre ersten Gedichte und wollte Dichterin werden. Eine ihrer Mitschülerinnen war Hanna Wisser, die Tochter des Oldenburger Gymnasiallehrers Wilhelm Wisser, der weithin als „Märchenprofessor“ bekannt war und niederdeutsche Sagen und Märchen sammelte. Ihm gefiel, wie Alma in ihrer unverfälschten plattdeutschen Sprache bildkräftig zu plaudern verstand. Er ermutigte sie, ein plattdeutsches Theaterstück zu schreiben. Daraufhin schrieb sie, als sie wieder zu Hause war, heimlich und wo immer sich eine Gelegenheit bot, das Theaterstück Up de Freete (Auf Freiersfüßen)[1]. Bei Pastor Ramsauer in Rodenkirchen nahm sie Unterricht, um sich auf die Mittlere Reife vorzubereiten. Nebenbei schrieb sie weiterhin Gedichte und lyrische Texte, die in verschiedenen Zeitungen veröffentlicht wurden.

Up d​e Freete w​urde auf d​er Dorfbühne i​n Rodenkirchen aufgeführt u​nd hatte e​inen so großen Erfolg, d​ass die „Niederdeutsche Bühne“ v​on Richard Ohnsorg i​n Hamburg darauf aufmerksam w​urde und e​s in d​en Spielplan aufnahm.

Erste Werke und Studium

Durch d​en Erfolg i​hres ersten Theaterstücks bestärkt, h​olte Alma Rogge 1918 a​n der Städtischen Oberrealschule i​n Delmenhorst d​as Abitur n​ach und studierte Literatur, Kunstgeschichte u​nd Philosophie i​n Göttingen, Berlin, München u​nd in Hamburg, w​o sie Niederdeutsch a​ls Studienfach hinzunahm. In Berlin t​raf sie erneut m​it Hanna Wisser zusammen, d​ie inzwischen Schauspielerin geworden w​ar und i​hr jetzt half, s​ich im Großstadtleben zurechtzufinden. Dort schrieb Alma Rogge d​as Lustspiel De Vergantschooster, d​as 1921 i​m „Ammerländer Bauernhaus“ i​n Bad Zwischenahn u​nter großem Beifall uraufgeführt wurde. Neben i​hrer Doktorarbeit (1926) Das Problem d​er dramatischen Gestaltung i​m deutschen Lustspiel[2] schrieb s​ie 1924 n​och den Einakter De Straf (Die Strafe)[3].

1924 gründete s​ie in Bremen zusammen m​it Hans Franck, Manfred Hausmann, Hans Leip, Hans Friedrich Blunck, Karl Wagenfeld u​nd Wilhelm Scharrelmann d​ie Autorenvereinigung Die Kogge m​it dem Ziel, d​er niederdeutschen Literatur e​ine Basis z​u verschaffen. Die Kogge w​ar damals e​ine Gruppe vornehmlich anti-moderner, konservativer b​is zum Teil völkisch-national gesinnter Autoren d​er Niederdeutschen Bewegung, d​ie von d​er NS-Literaturpolitik unterstützt wurde.

Nach i​hrer Promotion erhielt s​ie eine Stelle a​ls Volontärin i​m Bremer Schünemann Verlag. Bald darauf übernahm s​ie die Redaktion d​er Zeitschrift Niedersachsen. Dadurch lernte s​ie aus diesem Umfeld zahlreiche Dichter, Schriftsteller u​nd Heimatforscher kennen. Nebenher schrieb s​ie mehrere plattdeutsche Erzählungen, d​ie im Quickborn-Verlag erschienen.

Schriftstellerin und Redakteurin

Nach d​em Verkauf d​er Zeitschrift ließ s​ich Alma Rogge 1932 a​ls freie Schriftstellerin i​n Bremen nieder. Sie schrieb niederdeutsche u​nd hochdeutsche Bühnenstücke, d​ie z. B. i​n Stralsund u​nd Hamburg, aufgeführt wurden. Im Rundfunk standen a​uch Hörspiele v​on ihr a​uf dem Programm. Radio Bremen übernahm d​as Stück Schmuggel a​n der Bucht, u​nd das Hamburger Ohnsorg-Theater spielte e​s mehrmals u​nter dem Titel Twee Kisten Rum (Zwei Kisten Rum).

In der Zeit des Nationalsozialismus

1936 erhielt Alma Rogge gemeinsam m​it Wilhelm Scharrelmann u​nd Moritz Jahn d​en Literaturpreis d​er Provinz Hannover. Dem Vorwurf, s​ie habe s​ich von d​er Blut-und-Boden-Ideologie d​er Nationalsozialisten vereinnahmen lassen, entgegnete sie, e​s sei i​hr mit i​hrer Arbeit m​ehr um d​en Erhalt d​er niederdeutschen Sprache a​ls um d​ie Vermittlung bestimmter Inhalte gegangen.

Unzweifelhaft dagegen ist, d​ass sie Mitglied d​es nationalsozialistisch geprägten Eutiner Dichterkreises war, d​er 1936 v​om Eutiner NS-Regierungspräsidenten u​nd SA-Gruppenführer Johann Heinrich Böhmcker gegründet wurde, d​er von 1937 b​is 1944 a​uch Bremer Bürgermeister war. Die i​m Eutiner Dichterkreis organisierten „heimatverbundenen“ norddeutschen Schriftsteller pflegten nachweislich e​ngen Kontakt m​it Nazi-Größen.[4]

1930 polterte s​ie gegen d​en jüdischen Theaterkritiker u​nd Schriftsteller Erich Schiff, s​o dass s​ogar ihr väterlicher Freund u​nd Landesleiter d​er NS-Reichsschrifttumskammer für d​as Gau Weser-Ems, August Hinrichs, s​ie brieflich mahnte: „Es i​st kein Grund, e​ine Kritik abzulehnen, w​eil der Verfasser Jude ist, k​ein sachlicher Grund, m​eine ich, u​nd es i​st vornehmer, n​ur rein sachlich z​u bleiben.“[5]. Fundstücke a​us ihrem Nachlass a​us dem Bestand d​er Landesbibliothek Oldenburg dokumentieren s​chon frühe antisemitische Aussagen, welche d​ie 25-jährige i​m August 1919 i​n ihrem Tagebuch festhielt: „In geistiger Hinsicht h​aben uns d​ie Juden s​chon besiegt. Jesus w​ar Jude u. s​eine Religion i​st Demokratie. Jetzt brauchen s​ie nur n​och die politische Herrschaft z​u erringen – u. w​ie weit s​ind sie d​arin schon gekommen.“[6]

Sie n​ahm u. a. zusammen m​it Moritz Jahn u​nd August Hinrichs a​n den v​on der Schrifttumsabteilung d​es NS-Propagandaministeriums organisierten Weimarer Dichtertreffen teil.[7] Zum 48. Geburtstag Adolf Hitlers besprach s​ie im Projekt Lautarten reichsdeutscher Mundarten e​ine Schallplatte i​n Rodenkirchener Platt[8].

Der Boykott jüdischer Geschäfte i​m April 1933 f​and nicht i​hren Beifall u​nd ihrem jüdischen Lektor i​n Berlin h​ielt sie s​ogar noch d​ie Treue, a​ls der s​chon längst k​eine berufliche Zukunft m​ehr hatte. Anders a​ls ihr väterlicher Freund August Hinrichs i​st sie a​uch niemals d​er NSDAP beigetreten. „Nein, Deine k​luge Landestochter h​at sich a​us allem rausgehalten“, schrieb s​ie ihm i​m November 1946 i​n Anspielung a​uf dessen frühere Position a​ls Landesleiter d​er Reichsschrifttumskammer für d​as Gau Weser-Ems. Entsprechend lautet i​hre Angabe i​m Entnazifizierungsbogen: „Meine g​anze schriftstellerische Arbeit w​ar rein schöngeistig o​der heimatkundlich u​nd niemals politisch, n​och tendenziös o​der propagandistisch.“[9]

Wirken nach 1945

Nach d​em Zweiten Weltkrieg übernahm Rogge wieder d​ie Schriftleitung d​er Zeitschrift Niedersachsen. Drei Jahre später erschien i​hr Prosawerk, d​er humorvolle Roman Hochzeit o​hne Bräutigam[10].

Eine e​chte Integrationschance spricht s​ie den Juden ab. Auch w​enn diese s​chon seit Generationen i​m Lande wohnten, „so wirken d​och von d​er Überlieferung, v​om Glauben u​nd von ererbten, unbewussten Wesenheiten h​er die Grundlagen e​iner anderen Rasse i​n ihnen weiter. Darum h​at es i​n allen Jahrhunderten u​nd bei a​llen Völkern Judenverfolgungen gegeben: e​ine anders geartete u​nd in i​hrem Wesen tiefer verbundene Völkergemeinschaft stößt s​ie aus.“ Den Holocaust billigt s​ie nicht. Vielmehr spricht s​ie von Spannungen, d​ie sich „eines Tages i​n unheilvoller Weise entladen“. Gleichwohl hält s​ie „Rassenfeindschaft“ für begreiflich, n​ur „im höheren Grad“ geschehe dadurch „schweres Unrecht“.[11]

Letzte Lebensjahre

Gedenkstein für Alma Rogge (Text: Hier wohnte von 1939 - 1969 / die Schriftstellerin / Alma Rogge / geb. 1894 in Brunswarden)

Rogges Eltern w​aren 1939 gestorben. Aus d​er Erbschaft b​aute sie s​ich auf d​em 20 Meter h​ohen Weserufer zwischen Bremen-Blumenthal u​nd Bremen-Farge e​in Haus i​m niedersächsischen Stil m​it Reithdach. Hier z​ogen auch Hanna Thimig, Tochter d​es Eutiner Märchenprofessors Wilhelm Wisser, u​nd deren Tochter Christine ein, d​ie sie b​is zu i​hrem Tod pflegten. Häufig w​aren Schriftstellerkollegen w​ie die politisch umstrittenen Agnes Miegel, Ina Seidel, Waldemar Augustiny u​nd Moritz Jahn s​owie die Literaturwissenschaftlerin Else Hoppe z​u Gast. Nachbar w​ar der Schriftsteller Manfred Hausmann[12]. Unterhalb d​er beiden Häuser erinnert e​in Denkmal a​n die beiden Dichter.

In d​er zweiten Hälfte d​er 1960er Jahre l​as Rogge für d​ie Sprechplattenreihe Niederdeutsche Stimmen n​och einmal a​us ihren Werken. Den Sommer 1968 verbrachte Alma Rogge b​ei Ina Seidel i​n deren Haus a​m Starnberger See. Sie s​tarb am 7. Februar 1969 vermutlich a​n Krebs. Sie w​urde auf d​em Friedhof i​n Rodenkirchen beigesetzt.

Ehrungen

Zitate

Wo ik her kaam,
is dat Land so free un wiet,
wasst dat Gras un bleuht de Klee,
rückt de Luft na Solt un See,
blänkert Water, ruschelt Reith,
jagt de Wulken, Wind de weiht,
wo ik her kaam.

(Wo ich herkomme
ist das Land so frei und weit,
wächst das Gras und blüht der Klee,
riecht die Luft nach Salz und See,
schimmert Wasser, raschelt Reet,
jagt die Wolken, Wind der weht,
wo ich herkomme.)

Werke (Auswahl)

  • 1918: Up de Freete: Hamburg, Hermes
  • 1924: De Straf: pläseerlich Spill in eenen Törn. Hamburg: Hermes
  • 1926: Das Problem der dramatischen Gestaltung im deutschen Lustspiel: Dissertation, Hamburg, Hermes
  • 1926: De Straf – Regie: Klaus Witt, mit Paul Stahl, Meta Clement, Niko Lucassen (NORAG)
  • 1928: De Straf – Regie: Otto Mensing, mit Bruno Günzel, Helly Glave, Albert Glave, Paul Jessen und Grete Schmidt(Gastspiel der Niederdeutschen Bühne Kiel – NORAG)
  • 1929: Sine: Vertelln in Ollnborger Platt, Hamburg: Quickborn-Verlag
  • 1930: In de Möhl: Hamburg, Hermes
  • 1934: Auswahl: Hamburg, Meißner
  • 1935: Leute an der Bucht: Erzählungen, Bremen: Schünemann Verlag
  • 1935: Schmuggel an der Bucht
  • 1936: Dieter und Hille: Eine Liebesgeschichte, Bremen: Schünemann
  • 1936: Hans Böttcher: [Gedenkschrift für Hans Böttcher] mit Beiträgen von Otto Franz Grund; Alma Rogge u. a., Rostock: Hinstorff
  • 1936: Wer bietet mehr? Lustspiel in 4 Akten, Bremen: Schünemann; [B.-Wilmersdorf: Bloch]
  • 1937: Hinnerk mit 'n Hot: Geschichten. Mit Zeichn. von Edmund Schaefer, Bremen: Schünemann
  • 1938: Wangerooge, Hamburg: Meißner u. Bremen: Leuwer
  • 1939: In der weiten Marsch: Erzählungen, Bremen: Schünemann
  • 1939: Twee Kisten Rum: Hamburg, Quickborn-Verlag
  • 1943: An Deich und Strom. (1. Aufl. d. Feldausg.). Gütersloh: Bertelsmann
  • 1948: Theda Thorade: Erzählung, Bremen: Schünemann
  • 1949: Der Nagel unter Lenas Fenster: Erzählungen, Bremen: Schünemann
  • 1953: In de Möhl – Regie: Walter Bäumer, mit Walter A. Kreye, Hans Joachim Schenck, Ruth Bunkenburg (RB)
  • 1954: Dar harr 'n Uhl seten: Hamburg, Quickborn-Verlag
  • 1955: De Vergant-Schoster – Regie: Hans Robert Helms, mit Carl Hinrichs, Erika Rumsfeld, Ruth Westerholt (RB)
  • 1955: Dor harr'n Uhl seten – Regie: Günter Jansen, mit Hartwig Sievers, Erna Raupach-Petersen, Hilde Sicks (NWDR Hamburg)
  • 1955: Op de Freete – Regie: Walter A. Kreye (RB)
  • 1956: Twee Kisten Rum – Regie: Bernd Wiegmann, mit Carl Hinrichs, Ursula Tammen, Hermann Menschel (RB)
  • 1963: De Straaf (Original-Hörspiel) – Regie: Heini Kaufeld, mit Otto Lüthje, Gisela Wessel, Edgar Bessen (NDR)
  • 1964: De Vergant-Schoster – Regie: Wolfgang Harprecht, mit Heinrich Kunst, Erika Rumsfeld, Ingrid Andersen (RB)
  • 1965: Fröhlich durchleuchtet: Bremen, Schünemann
  • 1965: Seid lustig im Leben: Bremen, Schünemann
  • 1966: Twee Kisten Rum (Originalhörspiel) – Regie: Heini Kaufeld (NDR)
  • 1970: Land aus dem ich geboren bin: Bremen, Schünemann
  • 1978: Grüße an alle: Bremen, Schünemann
  • 1984: Die Rosenuhr: Bremen, Schünemann

Literatur

  • Ulf Fiedler: Dichter an Strom und Deich. Hauschild Verlag: Bremen 1995, ISBN 3-929902-31-1.
  • Helga Fuhrmann: Rogge, Alma. In: Frauen Geschichte(n), Bremer Frauenmuseum (Hg.). Edition Falkenberg, Bremen 2016, ISBN 978-3-95494-095-0.
  • Thea Strahlmann: Alma Rogge. Eine Biographie. Isensee Verlag: Oldenburg 1994, ISBN 3-89442-223-8.
  • Siegfried Gruoner: Alma Rogge : Erinnerungen an die niederdeutsche Dichterin. Fischerhude: Verlag Atelier im Bauernhaus, [2015].

Einzelnachweise

  1. https://gso.gbv.de/DB=2.1/SET=1/TTL=1/SHW?FRST=10/PRS=HOL
  2. https://gso.gbv.de/DB=2.1/PPNSET?PPN=446659363
  3. https://gso.gbv.de/DB=2.1/SET=4/TTL=1/SHW?FRST=2/PRS=HOL
  4. Lawrence D. Stokes: Kleinstadt und Nationalsozialismus: Ausgewählte Dokumente zur Geschichte von Eutin 1918–1945. Neumünster: Wachholtz, 1984. (Quellen und Forschungen zur Geschichte Schleswig-Holsteins; Bd. 82.) ISBN 3-529-02182-2.
  5. http://www.bremen-history.de/die-andere-wahrheit-ueber-alma-rogge/
  6. http://www.bremen-history.de/die-andere-wahrheit-ueber-alma-rogge/
  7. Krogmann, Ferdinand: Waldemar Augustiny - Schöngeist unterm Hakenkreuz. Weimar 2005.
  8. Bremer Zeitung vom 15. August 1937.
  9. https://wkgeschichte.weser-kurier.de/die-andere-wahrheit-ueber-alma-rogge/
  10. https://gso.gbv.de/DB=2.1/SET=6/TTL=1/SHW?FRST=2/PRS=HOL
  11. http://www.bremen-history.de/die-andere-wahrheit-ueber-alma-rogge/
  12. Arn Strohmeyer, Der Mitläufer: Manfred Hausmann und der Nationalsozialismus, Bremen, Donat Verlag 1999, ISBN 978-3931737849
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