Adrianit
Das Mineral Adrianit ist ein extrem selten vorkommendes Inselsilikat aus der Mayenit-Obergruppe mit der vereinfachten chemischen Zusammensetzung Ca12(Al4Mg3Si7)O32Cl6 (Typlokalität) bzw. Ca12(Mg10Si4)O32Cl6 (reines Endglied). Es kristallisiert im kubischen Kristallsystem mit der Struktur von Chlormayenit.[2][3]
Adrianit | |
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Allgemeines und Klassifikation | |
Andere Namen |
IMA 2014-028[1] |
Chemische Formel | |
Mineralklasse (und ggf. Abteilung) |
Silikate und Germanate |
System-Nr. nach Strunz | 9.AD.25[4] |
Kristallographische Daten | |
Kristallsystem | kubisch |
Kristallklasse; Symbol | kubisch-hexakistetraedrisch; 4 3 m |
Raumgruppe | I43d (Nr. 220)[2][3] |
Gitterparameter | a = natürlich: 11,981 Å[2][3] |
Formeleinheiten | Z = 2[2][3] |
Physikalische Eigenschaften | |
Mohshärte | nicht bestimmt |
Dichte (g/cm3) | berechnet: 3,03[2][3] |
Spaltbarkeit | nicht bestimmt |
Bruch; Tenazität | nicht bestimmt |
Farbe | nicht bestimmt |
Strichfarbe | nicht bestimmt |
Transparenz | nicht bestimmt |
Glanz | nicht bestimmt |
Kristalloptik | |
Brechungsindex | n = nicht bestimmt |
Doppelbrechung | δ = nicht bestimmt |
Adrianit entwickelt nur sehr kleine Kristalle von wenigen Mikrometern Größe. Wegen der geringen Korngröße konnten viele Eigenschaften nicht bestimmt werden.[3]
Gebildet wird Adrianit unterhalb 600 °C bei der Umwandlung von Melilit, Perowskit und Diopsid in Calcium-Aluminium-reichen Einschlüssen (CAI) chondritischer Meteorite durch chlorreiche Fluide.[3]
Etymologie und Geschichte
Seit Beginn des 20. Jahrhunderts ist ein kubisches Calciumaluminat bekannt, für das damals die Zusammensetzung 5CaO * 3Al2O3 angegeben wurde.[5] Da Calciumaluminate wichtige Verbindungen von Zementklinkern sind, wurden sie seither intensiv untersucht.
Die Struktur dieser Verbindung wurde 1936 von W. Büssem und A. Eitel am Kaiser-Wilhelm-Institut für Silikatforschung in Berlin-Dahlem aufgeklärt. Im Zuge der Strukturaufklärung korrigierten sie die Zusammensetzung zu 12CaO * 7Al2O3.[6]
Wadalit, ein Chlorosilikat mit der von Büssem und Eitel bestimmten Struktur des 12CaO * 7Al2O3, wurde 1993 von Tsukimura und Mitarbeitern in einem Skarn-Xenolithen eines Andesit bei Tadano nahe Kōriyama in der Präfektur Fukushima, Japan entdeckt.[7] 17 Jahre später, 2010, konnte Wadalit zum ersten Mal in einem Meteoriten nachgewiesen werden.[8]
Im gleichen Jahr beschrieben Mihajlovic und Mitarbeiter einen eisenreichen Wadalit aus einem Karbonat-Xenolithen aus dem Leuzit-Tephrit, der im Steinbruch der Firma "A. Caspar" am Bellerberg-Vulkan bei Mayen in der Vulkaneifel in Rheinland-Pfalz, Deutschland abgebaut wird und konnten zeigen, dass dessen Zusammensetzung auch durch die Mischung mit einem hypothetischen Mg-Si-Analog von Wadalit variiert wird.[9]
Im Jahr 2014 schließlich wurde das Mineral Adrianit mit der idealisierten Zusammensetzung dieses Mg-Si-Analogs von Wadalit im Allende-Meteoriten nachgewiesen und von der CNMNC der IMA anerkannt. Benannt wurde es nach dem Mineralogen und Kosmochemiker Adrian J. Brearley von der University of New Mexico in Würdigung seiner zahlreichen Beiträge zur Mineralogie von Meteoriten.[2][3]
Die Publikation der Beschreibung von Adrianit zog sich noch bis 2018 hin. Adrianit wurde daher bei der Neudefinition der Wadalitgruppe in der Mayenit-Obergruppe durch E. V. Galuskina und Mitarbeiter zwar erwähnt aber nicht mehr berücksichtigt.[10]
Klassifikation
In der aktuellen Klassifikation der International Mineralogical Association (IMA) gehört Adrianit zusammen mit Wadalit und Eltyubyuit in der Mayenit-Obergruppe zur Wadalitgruppe mit mehr als 4 Cl und 2 Si pro Formeleinheit.[3]
Die seit 1977 veraltete 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz führt den Adrianit nicht auf. Als Magnesium-Silicium-Analog von Wadalit wäre er zur „Granatgruppe“ mit der System-Nr. VIII/A.08 in der Abteilung der „Inselsilikate (Nesosilikate)“ gezählt worden.
Die seit 2001 gültige und von der International Mineralogical Association (IMA) bis 2009 aktualisierte[11] 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik kennt den Adrianit ebenfalls noch nicht. Hier würde er ebenfalls in die „Granatgruppe“ mit der System-Nr. 9.AD.25 in der Abteilung der „Inselsilikate (Nesosilikate)“ gehören.
Auch die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana führt den Adrianit noch nicht auf. Er würde zusammen mit Wadalit in die unbenannte Gruppe 51.04.05 der Abteilung der „Inselsilikatminerale“ eingruppiert werden.
Chemismus
Das reine Adrianit-Endglied hat die Zusammensetzung [X]Ca12[T](Mg2+10Si4+4)O32[W]Cl6 und ist das Magnesium-Silicium-Analog von Wadalit ([X]Ca12[T](Al3+10Si4)O32[W]Cl6), mit dem es Mischkristalle bildet entsprechend der Austauschreaktion[9][3]
- [T]Mg2+ + [T]Si4+ = 2[T]Al3+ (Wadalit).
Hierin sind [X], [T] und [W] die Positionen in der Mayenitstruktur.
Die Zusammensetzung aus der Typlokalität ist
- [X](Ca11,69Na0,21)[T](Al3,85Mg2,88Si7,23)O32[W][Cl5,80□0,20][3]
Neben der Mischkristallbildung mit Wadalit, die für den Aluminiumeinbau verantwortlich ist, trägt nur eine weitere Substitution zu einer Erniedrigung der Cl-Gehalte bei, die bislang (2018) bei keinem anderen Mineral der Mayenit-Obergruppe beobachtet wurde:[3]
- [X]Ca2+ + [W]Cl- = [X]Na+ + [W]□
Kristallstruktur
Adrianit kristallisiert mit kubischer Symmetrie in der Raumgruppe I43d (Raumgruppen-Nr. 220) mit 2 Formeleinheiten pro Elementarzelle. Der natürliche Mischkristall aus der Typlokalität hat dem Gitterparameter a = 11,981 Å.[2][3]
Die Struktur ist die von Chlormayenit. Magnesium (Mg2+) und Silicium (Si4+) besetzen die zwei tetraedrisch von 4 Sauerstoffionen umgebenen Z-Positionen.[3] Sie bilden ein Tetraedergerüst, das miteinander verbundene Käfige umschließt. Jeder dieser Käfige ist mit zwei Calcium (Ca2+)- Ionen besetzt, die von 6 Sauerstoffen unregelmäßig umgeben sind.[6] In ihrem Zentrum zwischen den Calciumionen enthalten die Käfige ein Chlorion (Cl-). Wie bei allen Mineralen der Wadalitgruppe ist die [W]-Position idealerweise vollständig besetzt.[10][2][3]
Bildung und Fundorte
Adrianit ist bislang (2018) nur von seiner Typlokalität bekannt, dem Allende-Meteoriten, der am 8. Februar 1969 unweit des Postamtes des Ortes von Pueblito de Allende (Bundesstaat Chihuahua, Mexiko) nieder ging. Adrianit ist kein primärer Bestandteil dieses Chondrites, sondern bildete sich bei der Umwandlung von Melilith, Perowskit und Diopsid in Calcium-Aluminium-reichen Einschlüssen (CAI) durch chlorreiche Fluide.[2][3] Es wird eine Bildung 3–4 * 109 Jahre nach der Entstehung CAI bei Temperaturen unterhalb von 600 °C z. B. über die Reaktion
- 3 Melilit + Al,Ti-Diopsid + Cl (aq) + 6,12 H2O (l) = 0,17 Adrianit + Hutcheonit + 1,5 Monticellit + 0,88 Grossular + 0,5 Kushiroit + 1,39 Ca (aq) + 0,05 Al (aq) + 0,04 SiO2 (aq) + 6,12 H2 (g)
angenommen.[3]
Adrianit tritt nur in den umgewandelten Bereichen der Calcium-Aluminium-reichen Einschlüsse auf. Dort findet man ihn im direkten Kontakt mit Melilith, Grossular und Monticellit. Weitere Begleitminerale sind die primären Minerale Anorthit, Wollastonit, Al,Ti-Diopsid, Perowskit, Spinell, Forsterit und Celsian sowie die sekundär gebilteden Minerale Hutcheonit, Kushiroit und Wadalit.[3]
Literatur
- Chi Ma, Alexander N. Krot: Adrianite, Ca12(Al4Mg3Si7)O32Cl6, a new Cl-rich silicate mineral from the Allende meteorite: An alteration phase in a Ca-Al-rich inclusion. In: American Mineralogist. Band 103, Nr. 8, 2018, S. 1329–1334, doi:10.2138/am-2018-6505, PMC 6448150 (freier Volltext) – (englisch).
- P. A. Williams, F. Hatert, Marco Pasero, S. J. Mills: IMA Commission on new minerals, nomenclature and classification (CNMNC) Newsletter 21. New minerals and nomenclature modifications approved in 2014. In: Mineralogical Magazine. Band 78, 2014, S. 797–804 (englisch, rruff.info [PDF; 99 kB; abgerufen am 11. Januar 2020]).
Weblinks
- Mineralienatlas: Adrianit (Wiki)
Einzelnachweise
- Malcolm Back, William D. Birch, Michel Blondieau und andere: The New IMA List of Minerals – A Work in Progress – Updated: November 2019. (PDF 1720 kB) In: cnmnc.main.jp. IMA/CNMNC, Marco Pasero, November 2019, abgerufen am 11. Januar 2020 (englisch).
- Chi Ma, Alexander N. Krot: Discovery of a new Cl-rich silicate mineral, Ca12(Al2Mg3Si7)O32Cl6: an alteration phase in Allende. In: Annual Meteoritical Society Meeting. Band 77, 2014 (hou.usra.edu [PDF; 256 kB; abgerufen am 11. Januar 2020]).
- Chi Ma, Alexander N. Krot: Adrianite, Ca12(Al4Mg3Si7)O32Cl6, a new Cl-rich silicate mineral from the Allende meteorite: An alteration phase in a Ca-Al-rich inclusion. In: American Mineralogist. Band 103, Nr. 8, 2018, S. 1329–1334, doi:10.2138/am-2018-6505, PMC 6448150 (freier Volltext) – (englisch).
- Adrianite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 11. Januar 2020 (englisch).
- Ernest Stanley Shepherd, G. S. Rankin: The binary systems of alumina with silica, lime, and magnesia; with optical study by Fred. Eugene Wright. In: American Journal of Science. Band 28, 1909, S. 293–333, doi:10.2475/ajs.s4-28.166.293.
- W. Büssem, A. Eitel: Die Struktur des Pentacalciumtrialuminats. In: Zeitschrift für Kristallographie. Band 95, 1936, S. 175–188 (rruff.info [PDF; 628 kB; abgerufen am 11. Januar 2020]).
- K. Tsukimura, Y. Kanazawa, M. Aoki, M. Bunno: Structure of wadalite Ca6Al5Si2O16Cl3. In: Acta Crystallographica, Section C. C49, 1993, S. 205–207, doi:10.1107/S0108270192005481.
- Hope A. Ishii, Alexander N. Krot, John P. Bradley, Klaus Keil, Kazuhide Nagashima, Nick Teslich, Benjamin Jacobsen, Qing-Zhu Yin: Discovery, Mineral Paragenesis and Origin of Wadalite in Meteorites. In: American Mineralogist. Band 95, Nr. 4, 2010, S. 440–448, doi:10.2138/am.2010.3296 (starplan.dk [PDF; 1,3 MB; abgerufen am 11. Januar 2020]).
- Tamara Mihajlovic, Christian L. Lengauer, Theodoros Ntaflos, Uwe Kolitsch, Ekkehart Tillmanns: Two new minerals, rondorfite, Ca8Mg[SiO4]4Cl2, and almarudite, K(□,Na)2(Mn,Fe,Mg)2(Be,Al)3[Si12O30], and a study of iron-rich wadalite, Ca12[(Al8Si4Fe2)O32]Cl6, from the Bellerberg (Bellberg) volcano, Eifel, Germany. In: Neues Jahrbuch für Minaralogie, Abhandlungen. Band 179, 2004, S. 265–294, doi:10.1127/0077-7757/2004/0179-0265 (researchgate.net [PDF; 4,8 MB; abgerufen am 11. Januar 2020]).
- Evgeny V. Galuskin, Frank Gfeller, Irina O. Galuskina, Thomas Armbruster, Radu Bailau, Viktor V. Sharygin: Mayenite supergroup, part I: Recommended nomenclature. In: European Journal of Mineralogie. Band 27, 2014, S. 99–111, doi:10.1127/ejm/2015/0027-2418 (researchgate.net [PDF; 860 kB; abgerufen am 11. Januar 2020]).
- Ernest H. Nickel, Monte C. Nichols: IMA/CNMNC List of Minerals 2009. (PDF 1816 kB) In: cnmnc.main.jp. IMA/CNMNC, Januar 2009, abgerufen am 11. Januar 2020 (englisch).