Actiengesellschaft der bayerischen Ostbahnen
Die Königlich privilegierte Actiengesellschaft der bayerischen Ostbahnen (B.O.B.) wurde im Jahre 1856 gegründet. Sie baute in nur zwei Jahrzehnten im bisher vom Schienenverkehr weitgehend unberührten Ostbayern, der Oberpfalz und Niederbayern ein umfangreiches Bahnnetz, das zum großen Teil auch heute noch im Nah- und Fernverkehr der Deutschen Bahn von Bedeutung ist.
Gründung
Der Bau des bayerischen Staatsbahnnetzes hatte sich im ersten Jahrzehnt auf die Strecken der Ludwig-Süd-Nord-Bahn, der Ludwigs-West-Bahn und zuletzt der bayerischen Maximiliansbahn konzentriert. Nun lehnte die Mehrheit des bayerischen Landtags eine weitere Ausdehnung des staatlichen Eisenbahnnetzes wegen der angespannten Kassenlage des Staates und des zur damaligen Zeit noch unrentablen Betriebs der Eisenbahnen ab. Dadurch wäre Ostbayern auch weiterhin ohne Bahnverbindungen geblieben, hätte der Landtag nicht am 19. März 1856 ein Gesetz erlassen, das in Bayern wieder die Gründung privater Eisenbahngesellschaften zuließ und deren Finanzierung durch staatliche Zinsgarantien erleichterte.
Zur Verbesserung ihrer eigenen geschäftlichen Lage engagierten sich daraufhin neben Privatleuten, Kaufleuten, Fabrikbesitzern und Brauern aus diesem Landesbereich auch Fürst Maximilian Karl von Thurn und Taxis aus Regensburg, vier Kreditinstitute aus diesem Raum und die Fabrikanten Theodor von Cramer-Klett, Nürnberg, und Josef Anton von Maffei, München. Sie stellten ein Startkapital von 60 Millionen Gulden für den Bahnbau in Ostbayern und die erforderlichen Fahrzeuge zur Verfügung. Noch im gleichen Jahr gründeten sie die Königlich privilegierte Actiengesellschaft der bayerischen Ostbahnen. König Maximilian II von Bayern genehmigte am 12. April 1856 die Gründung der Gesellschaft und erteilte ihr die beantragte Konzession „… zum Baue und Betriebe der Eisenbahnen von Nürnberg über Amberg nach Regensburg, von München über Landshut an die Donau, von Regensburg über Straubing und Passau an die Landesgrenze, von der Amberg-Regensburger Linie bei Schwandorf an die Landesgrenze bei Furth gegen Pilsen …“[1]
Direktor der Gesellschaft wurde der bekannte Eisenbahnfachmann Paul Camille von Denis (1795–1872), der nicht nur die erste deutsche Eisenbahnstrecke von Nürnberg nach Fürth, sondern auch in anderen deutschen Ländern erste Bahnstrecken erbaut hatte. Ihm gelang es, innerhalb von nur fünf Jahren die in der Konzession genannten Strecken betriebsfertig zu bauen und dabei um 17 Millionen Gulden unter den mit 60 Millionen Gulden veranschlagten Kosten zu bleiben. Mitverantwortlich für die erfolgreiche Durchführung dieses Bahnprojekts war Heinrich von Hügel (1828–1899), welchem als „Direktions-Architekten“ die Bauplanung und -aufsicht oblag.
Streckenbau
Auf der ersten Strecke von der Landeshauptstadt München über Freising zur niederbayerischen Hauptstadt Landshut (71 km) begann der Personen- und Güterverkehr am 3. bzw. am 15. November 1858. In München hatte die Ostbahn einen eigenen Bahnhof an der Stelle des heutigen Starnberger Flügelbahnhofs. Die Strecke verlief dabei, entgegen der heutigen Streckenführung, östlich von Nymphenburg direkt in Richtung Norden nach Feldmoching. Ein Jahr später, am 12. Dezember 1859, wurde die Strecke über Neufahrn – Geiselhöring bis Straubing an die Donau verlängert (57 km). Ab Geiselhöring ging gleichzeitig die Abzweigung in Richtung Regensburg und weiter durch die Oberpfalz die Bahnstrecke Nürnberg–Schwandorf über Schwandorf – Amberg – Neukirchen nach Hersbruck (links der Pegnitz) mit 133 km in Betrieb. Der Abschnitt Hersbruck – Nürnberg (28 km) wurde schon ab 9. Mai 1859 befahren. Die Strecke Straubing – Plattling – Passau, 77 km lang, eröffnete die Ostbahn am 20. September 1860. In Landshut und Regensburg waren Kopfbahnhöfe entstanden, die 1880 bzw. 1873 in Durchgangsbahnhöfe umgebaut wurden. Die Bautagebücher des Streckenabschnittes Regensburg – Schwandorf befinden sich im Besitz des Stadtarchives von Regensburg.
Für die an der Ostbahn beteiligten Kaufleute war die Weiterführung des historisch gewachsenen Handels, jetzt allerdings mit der schnelleren Eisenbahn, über die Grenze nach Österreich außerordentlich wichtig. Daher kam schon am 1. September 1861 in Passau eine erste Verbindung mit dem österreichischen Bahnnetz durch den Anschluss an eine Zweigbahn der k.k. priv. Kaiserin Elisabeth-Bahn (KEB) zustande. Noch im selben Jahr folgte die Verbindung von Schwandorf über Cham (7. Januar) und Furth im Wald (20. September) zur Grenze (15. Oktober) an die k.k. Böhmische Westbahn nach Prag. Damit hatte man innerhalb von fünf Jahren das in der Konzession von 1856 genehmigte Bahnnetz mit 446 Kilometern Länge erstellt.
Schon bald wurde der Bahnhof Schwandorf zum Knotenpunkt in der mittleren Oberpfalz. In der Station Irrenlohe, vier km nördlich von Schwandorf an der Strecke nach Nürnberg gelegen, begann ab 1. Oktober 1863 dem Naabtal folgend die Strecke nach Weiden (40 km), die sich dort in zwei Äste aufteilte: ab 1. Dezember 1863 nach Bayreuth (58 km) und ab 15. August 1864 nach Mitterteich (39 km). Am 15. Oktober 1865 wurde die Weiterführung der Strecke nach Eger in Betrieb genommen. Dort bestand direkter Anschluss an die bayerische Strecke Eger–Hof, die sächsische Voigtländische Staatseisenbahn sowie ab 1870 an die k.k. priv. Buschtěhrader Eisenbahn (BEB) und ab 1872 an die k.k. priv. Kaiser Franz Josephs-Bahn (KFJB). Der Bau von zwei kurzen Hafenbahnen an die Donauländen in Regensburg und Passau schloss am 1. Oktober 1865 die zweite Bauphase ab, welche die Konzession vom 3. Januar 1862 geregelt hatte.
Nach einer mehrjährigen Investitionspause begann die Ostbahn auf Grund einer Konzession vom 3. August 1869 von 1871 bis 1873 Fehler und Umwege in der Streckenführung aus den Anfangsjahren zu bereinigen, indem man die großen Städte der Region auf dem kürzesten Wege miteinander verband, so z. B. Nürnberg mit Regensburg über Neumarkt, Regensburg mit Straubing über Radldorf und Regensburg mit Landshut über Neufahrn. Diese rund 160 Kilometer langen Verbindungen und die Stichbahn von Wiesau nach Tirschenreuth gingen 1872/73 in Betrieb. Die direkte Bahnstrecke Regensburg–Nürnberg über den Fränkischen und Oberpfälzer Jura, die die Verbindung um 40 Kilometer verkürzte, wurde erst durch den zwischenzeitlichen Bau leistungsfähigerer Lokomotiven ermöglicht. Zu diesem Bauprogramm zählen auch die 81 km lange Strecke Mühldorf (Obb) – Neumarkt (Rott) – Pilsting – Plattling, eröffnet am 15. Oktober 1875, und die Strecke Weiden – Neukirchen bei Sulzbach, 51,5 km lang, die am gleichen Tag eröffnet werden konnte.
Eine vierte, 72 Kilometer lange grenzüberschreitende Bahnverbindung von Plattling über Deggendorf und Zwiesel nach Bayerisch Eisenstein (Bahnstrecke Plattling–Bayerisch Eisenstein) mit Anschluss an die Eisenbahn Pilsen–Priesen(–Komotau) (EPPK), für die die Bayerische Ostbahn 1872 die Konzession erhalten hatte, war bei der Verstaatlichung noch im Bau und wurde erst 1877 von der Bayerischen Staatsbahn in Betrieb genommen. Das Gleiche gilt auch für die 41,6 km lange Verbindungsbahn Landshut – Pilsting, eröffnet am 15. Mai 1880, mit Anschluss an die Linie Mühldorf (Obb) – Plattling.
Verstaatlichung
Infolge des Gründerkrachs von 1873 verschlechterte sich die wirtschaftliche Lage der Ostbahn, sodass 1874 eine Inanspruchnahme der staatlichen Zinsgarantie drohte. Daraufhin beschloss der bayerische Staat eine Übernahme der Privatbahn. Mit Gesetz vom 15. April 1875 erwarb er die Ostbahn am 10. Mai 1875 und führte sie am 1. Januar 1876 mit den Bayerischen Staatsbahnen zusammen. Die Bayerische Ostbahn verfügte zu diesem Zeitpunkt bereits über ein Bahnnetz von 905 Kilometern Länge. Sie hatte ein Grundkapital von 80 Millionen Gulden. Zur Finanzierung der Übernahme begab der bayerische Staat Obligationen im Betrag von umgerechnet 167 Millionen Mark. Ferner übernahm er von der Gesellschaft deren Prioritätsobligationen im Gegenwert von rd. 40 Millionen Mark. Die Aktionäre erhielten für eine Aktie im Nennwert von 200 Gulden diese vierprozentige bayerische Staatsobligation im Nennwert von 400 Mark.
Lokomotiven und Wagen
Sämtliche angeschafften Lokomotiven wurden von J. A. Maffei in München gebaut, da der Firmenchef am Grundkapital der Ostbahn maßgeblich beteiligt war. Aus dem Grundkapital hatte die Gesellschaft 6,6 Millionen Gulden für die Anfangsbeschaffung von Fahrzeugen vorgesehen. Neben den Lokomotiven war der Kauf von 200 Personenwagen, 30 Gepäckwagen und 720 gedeckten Güterwagen sowie 398 offenen Güterwagen für verschiedene Einsatzzwecke eingeplant.
Ab Dezember 1857 beschaffte die Gesellschaft für den schnellen Personenverkehr Crampton-Lokomotiven (Klasse A) mit der Achsfolge 2A. Diese zwölf Maschinen hatten Laufräder von 1219 mm und Treibräder von 1829 mm Durchmesser. Ab 1859 wurden weitere zwölf Maschinen mit der Achsfolge 1A1 bei Maffei gekauft. Sämtliche Maschinen wurden ab 1869 auf die Achsfolge 1B umgebaut und in die Klasse B eingestellt.
In der Anfangszeit fuhr man noch keine reinen Güterzüge, sondern hängte die Güterwagen an die Personenzüge. Für diese gemischten Züge und späteren reinen Personenzüge wurden über viele Jahre insgesamt 85 Lokomotiven der Klasse B mit der Achsfolge 1B angeschafft.
Erst ab 1862 beschaffte die Gesellschaft als Klasse C dreifach gekuppelte Maschinen der Achsfolge C mit anfangs großen Raddurchmessern von 1524 mm. Insgesamt wurden 64 derartige Lokomotiven mit unterschiedlichen Radgrößen, später vorwiegend mit 1253 mm Durchmesser, gekauft, die ab 1867 auch die reinen Güterzüge beförderten.
Als Lokomotiven der Klasse D wurden die Tenderlokomotiven geführt, von denen die Ostbahn insgesamt zwölf Stück beschaffte und zwei von der Deggendorf-Plattlinger Eisenbahn AG übernahm.
Reihe | Stückzahl | Bauart | geliefert | bei Staatsbahn |
abgestellt |
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A | 12 | 2A n2 | 1857–58 | B IX* | 1902–08 |
A | 12 | 1A1 n2 | 1859 | B IX* | 1902–08 |
B | 66 | 1B n2 | 1858–66 | B V | 1900–11 |
B | 19 | 1B n2 | 1873–75 | B IX | 1907–12 |
C | 12 | C n2 | 1862–63 | C II | 1899–06 |
C | 52 | C n2 | 1867–75 | C III | 1921–24 |
D | 12 | B n2t | 1867–71 | D IV | 1895–24 |
D | 2 | B n2t | 1866 | D II | 1895 |
E | 2 | B n2 | 1869 | B V | 1900–08 |
/*nach Umbau um 1870 in 1B n2 Maschinen.
Einzelheiten zu den einzelnen Baureihen der Lokomotiven befinden sich in der Liste der bayerischen Lokomotiven und Triebwagen.
Literatur
- Erhard Born: 100 Jahre Bayerische Ostbahn und ihre Fahrzeuge. München 1958.
- Manfred Bräunlein: Die Ostbahnen, Königlich privilegiert und bayerisch; 1851 bis 1875. Nürnberg 2000, ISBN 3-88929-078-7.
- Bernhard Ücker: 150 Jahre Eisenbahn in Bayern. Fürstenfeldbruck 1985, ISBN 3-922404-02-2.
- Wolfgang Klee, Ludwig v. Welser: Bayern-Report, Bände 1–5, Fürstenfeldbruck 1993–1995.
- Dt. Reichsbahn: Die deutschen Eisenbahnen in ihrer Entwicklung 1835–1935. Berlin 1935.
- Karl Böhm: Eisenbahnbau München–Straubing. In: Jahresbericht des Historischen Vereins für Straubing und Umgebung, 82. Jg. 1980, Straubing 1981.
- Walther Zeitler: Eisenbahnen in Niederbayern und in der Oberpfalz. 2. Auflage. Amberg 1997, ISBN 3-924350-61-2.
Einzelnachweise
- Karl Böhm: Anfänge des Eisenbahnwesens in Regensburg. In: M. Dallmeier, H. Reidel, Eugen Trapp (Hrsg.): Denkmäler des Wandels, Produktion, Technik, Soziales. Regensburger Herbstsymposium zur Kunst, Geschichte und Denkmalpflege, 2000. Scriptorium Verlag für Kultur und Wissenschaft, Regensburg 2003, ISBN 3-9806296-4-3, S. 82 - 92 ff.