Yana Milev
Yana Milev (* 1969 in Leipzig) ist eine deutsche Kulturphilosophin, Soziologin, Ethnographin, Kuratorin und Hochschuldozentin.
Leben
Yana Milev begann nach dem Abitur 1987 ein Studium für Bühnen- und Kostümbild an der Hochschule für Bildende Künste Dresden (HfBK), das sie 1992 mit dem Diplom abschloss.[1] Anschließend studierte sie mit einer Graduiertenförderung des Landes Sachsen an der HfBK Dresden in der Meisterklasse von Günther Hornig.[2][3] 1995 schloss sie das Studium mit dem akademische Grad Meisterschülerin der Freien Künste ab und wurde mit dem Max-Pechstein-Preis ausgezeichnet.[4][5]
In den letzten Jahren der DDR war Milev in der Subkultur aktiv und wurde mit Schmalfilmen, Performances und Konzeptkunst bekannt.[6][7][8][9][10][11] In seriellen Multi-Media-Inszenierungen agierte sie mit Künstlern wie Paul Landers, Christian Lorenz, André Greiner-Pol (Freygang), Johannes Jansen und Matthias Baader Holst in opernartigen Jam Sessions. In den 1990er Jahren verlagerte sich Milevs Arbeitsschwerpunkt auf die Rauminstallation. Zudem war sie 1997 als erste ostdeutsche Künstlerin auf der Documenta 10 vertreten.[12] Mit einem DAAD-Stipendium ging sie nach Japan, befasste sich dort mit ethnografischen Studien und trainierte die traditionellen japanischen Kampfkünste Kyudō und Aikidō.
Ab 2003 absolvierte Milev ein Doktoratsstudium der Philosophie am Institut für Kunst- und Kulturwissenschaften der Akademie der bildenden Künste Wien und am Fachbereich Kunstwissenschaft und Medienphilosophie der HfG Karlsruhe. Ihre Promotion zur Dr. phil. erfolgte 2008 zu einem Thema des Ausnahmezustands bei Peter Sloterdijk, Elisabeth von Samsonow und Diedrich Diederichsen mit summa cum laude.[13] Ab 2004 wirkte sie als Dozentin und Projektleiterin an der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK), zunächst am Institut für Designforschung und ab 2013 am Institute of Cultural Studies in the Arts (ICS).[14][15][16] Gleichzeitig wurde sie in kuratorischen Projekten an der ZHdK und am Zentrum für Kunst und Medien aktiv.[17][18]
Im Jahr 2009 wurde Milev Research Associate am Seminar für Soziologie der Universität St. Gallen (SfS-HSG). Sie habilitierte sich 2014 unter der Mentorenschaft von Franz Schultheis mit einem Thema zur politischen Designsoziologie an der Universität St. Gallen (SfS-HSG),[19] wo sie zur Privatdozentin für Kultursoziologie ernannt wurde.[20] Zwischen 2000 und 2015 arbeitete sie als Universitätsdozentin mit Lehraufträgen an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee, der Universität der Künste Berlin (UdK), der Universität Salzburg, der FH Salzburg, HfG Karlsruhe und der Schools of Humanities and Social Sciences der Universität St. Gallen.[21][22]
Bei ihren Kuratierungen verschränkt Milev Wissenschaft, mediale Versuchsanordnungen, ethnografische Feldforschung und szenische Präsentation zu multiplen Environments.[23][24][25] Auch an der der HfG Karlsruhe entstanden verschiedene kuratorische Programme und Plattformen.[26][27]
2017 gründete sie AGIO, Gesellschaftsanalyse + Politische Bildung zur Realisierung des Forschungsprojektes Entkoppelte Gesellschaft. Liberalisierung und Widerstand in Ostdeutschland seit 1989/90.[28]
Ausstellungen (Auswahl)
- 1990: L’autre Allemagne hors les murs. La grande halle de la Villette, Paris
- 1995: Club Berlin. kuratiert von Klaus Biesenbach, Biennale, Venedig, I
- 1996: exercitium 1.01.-schweigen im reigen. Rauminstallation Leonhardi-Museum, Dresden
- 1997: documenta X, Ottoneum, Kassel, kuratiert von Catherine David
- 1998: Haus der Kunst München
- 1999: Children of Berlin. MoMA PS1, kuratiert von Klaus Biesenbach, New York, USA
- 2000: Floating Cities. Haus der Kulturen der Welt, Berlin
- 2003: Neuen Nationalgalerie Berlin
- 2005: the storytellers return: romantica und cella. Kuratiert von Volkmar Billig, Kloster Altzella, Nossen
- 2006: revision ddr/40 jahre videokunst. Museum der Bildenden Künste Leipzig
- 2007: Transmediale, Akademie der Künste, Berlin
- 2011: Hab ich Euch nicht blendend amüsiert? Weibliche Subversionen in der späten DDR. Kunsthalle Mannheim
- 2014: Wir werden 100. Anlässlich der Eröffnung des Max Pechstein Museums, Kunstsammlung Zwickau, Max-Pechstein-Museum Zwickau
- 2016: Gegenstimmen. Martin Gropius Bau Berlin
Schriften
Als Autorin
- Emergency Empire – Teil 1: Souveränität. Transformation des Ausnahmezustands. Zugleich Dissertation. Springer, Wien/ New York 2009, ISBN 978-3-211-79811-9
- Emergency Design – Anthropotechniken des Über/Lebens, Eine kulturanthropologische Perspektive. Merve Verlag, Berlin 2011, ISBN 978-3-88396-300-6
- Designsoziologie. Der erweiterte Designbegriff im Entwurfsfeld der politischen Theorie und Soziologie. Peter Lang, ISBN 978-3-631-65670-9
- Entkoppelte Gesellschaft – Ostdeutschland seit 1989/90. Band 1: Anschluss. Peter Lang, Berlin 2018, ISBN 978-3-631-77153-2
- Demokratiedefekte. Ein Essay zum normativen Populismus, Agenda Verlag, Münster 2019, ISBN 978-3-89688-624-8.
- Das Treuhand-Trauma. Die Spätfolgen der Übernahme, Das Neue Berlin, Berlin 2020, ISBN 978-3-360-01359-0.
- Entkoppelte Gesellschaft – Ostdeutschland seit 1989/90. Band 2: Umbau. Peter Lang, Berlin 2019, ISBN 978-3-631-79844-7.
- Entkoppelte Gesellschaft – Ostdeutschland seit 1989/90. Band 3: Exil. Peter Lang, Berlin 2020, ISBN 978-3-631-81990-6.
Als Herausgeberin
- mit Gerhard Blechinger: Emergency Design. Designstrategien im Arbeitsfeld der Krise. Springer, Wien/New York 2008, ISBN 978-3-211-48760-0
- D.A. - A Transdisciplinary Handbook of Design Anthropology. Peter Lang, 2013, ISBN 978-3-631-61906-3
- Design Kulturen. Der Erweiterte Designbegriff im Entwurfsfeld der Kulturwissenschaft. HFG Forschung, Fink, München 2013, ISBN 978-3-7705-5534-5.
- Europa im freien Fall. Orientierung in einem neuen Kalten Krieg. Turia+Kant, Wien/ Berlin 2016, ISBN 978-3-85132-822-6.
- mit Franz Schultheis: Entkoppelte Gesellschaft – Ostdeutschland seit 1989/90. Band 4: Tatbestände. Peter Lang, Berlin 2019, ISBN 978-3-631-78761-8
- mit Philipp Beckert, Marcel Noack: Entkoppelte Gesellschaft – Ostdeutschland seit 1989/90. Band 5: Zeugnisse, Teil 1: Fotografie. Peter Lang, Berlin 2021, ISBN 978-3-631-81991-3.
Stipendien und Preise
- 1994: Arbeitsstipendium, Stiftung Kulturfonds der neuen Bundesländer
- 1995: Max-Pechstein-Preis (Förderpreis)[29]
- 1996–1998: Förderstipendium der Günther-Peill-Stiftung
Literatur (Auswahl)
- Johannes Kirschenmann: Konstruktionen auf der Baustelle des Subjekts. Überlegungen zur documenta-Arbeit von Yana Milev. In: Bernhard Balkenhol, Heiner Georgsdorf (Hrsg.): X mal documenta X. Über Kunst und Künstler der Gegenwart. Ein Nachlesebuch zur 10. documenta. University Press Kunsthochschule Universität Kassel, Kassel 1997, ISBN 3-88122-963-9.
- Susanne Meyer-Büser: Yana Milev. Begriffs-Environment als Gesamtkunstwerk. In: Talk Show. Die Kunst der Kommunikation. Hatje Cantz, Ostfildern 1999, ISBN 3-7913-2066-1.
Weblinks
- Literatur von und über Yana Milev im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Website von Yana Milev
- Werksarchiv
- Yana Milev beim Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe
Einzelnachweise
- Angelika Richter: Das Gesetz der Szene : Genderkritik, Performance Art und zweite Öffentlichkeit in der späten DDR. 1. Auflage. transcript, Bielefeld 2019, ISBN 978-3-8376-4572-9.
- Günther Hornig: Günther Hornig : Farbe, Rhythmus, Raum. Verlag der Kunst, Husum 2017, ISBN 3-86530-232-7.
- Angelika Richter: Das Gesetz der Szene : Genderkritik, Performance Art und zweite Öffentlichkeit in der späten DDR. Bielefeld 2019, ISBN 3-8394-4572-8.
- Jaeckel, Stephanie: Yana Milev. In: Andreas Beyer, Bénédicte Savoy & Wolf Tegethoff (Hrsg.): Allgemeines Künstlerlexikon - Internationale Künstlerdatenbank - Online. K. G. Saur, 15. Dezember 2009, doi:10.1515/akl.
- Preisträger. Abgerufen am 29. Januar 2022.
- Autonome Kunst in der DDR, Hochschule der Bildenden Künste Dresden, In Aspik von Yana Milev, HfBK Nachtmahr-Kunstaktion, 1988. Abgerufen am 23. Juni 2021.
- Claus Löser, Strategien der Verweigerung / Untersuchungen zum politisch-ästhetischen Gestus unangepasster filmischer Artikulationen in der Spätphase der DDR. Schriftenreihe DEFA-Stiftung, Berlin 2011, S.243-254. ISBN 978-3-00-034845-7.
- Claus Löser, Gegenbilder – Filmische Subversion in der DDR 1976–1989 (Hrsg. mit Karin Fritzsche), Janus Press, Berlin 1996, S.56, 57-58, 123-124, 157. ISBN 3-928942-38-7.
- Dieter Daniels, Jeannette Stoschek, Grauzone 8 mm. Materialien zum autonomen Künstlerfilm in der DDR, Hatje Cantz, 2007. Abgerufen am 23. Juni 2021.
- Ronald Berg, Gegenstimmen aus der DDR, Zitty, 29.8.2016. Abgerufen am 23. Juni 2021.
- Seth Howes: Moving images on the margins : experimental film in late socialist East Germany. Rochester, New York 2019, ISBN 978-1-78744-701-1.
- Retrospektive: documenta_x Abgerufen am 21. Januar 2022.
- Yana Milev: Emergency Empire — Transformation des Ausnahmezustands. Springer Vienna, Vienna 2009, ISBN 978-3-211-79811-9, doi:10.1007/978-3-211-79812-6 (springer.com [abgerufen am 28. Januar 2022]).
- ZHdK-Zürcher Hochschule der Künste: Anthropodesign | ZHdK.ch. Abgerufen am 28. Januar 2022.
- ZHdK-Zürcher Hochschule der Künste: Entkoppelte Gesellschaft | ZHdK.ch. Abgerufen am 28. Januar 2022.
- Emergency Design. Abgerufen am 29. Januar 2022.
- Talks in-between Emergencies | 07.03.2009 - 19:00 | ZKM. Abgerufen am 28. Januar 2022.
- Hans-Peter Schwarz: Emergency Design — Ein Entwurf Mit Perspektive. In: Emergency Design. Springer Vienna, Vienna 2008, ISBN 978-3-211-48760-0, S. 1–3, doi:10.1007/978-3-211-69289-9_1 (springer.com [abgerufen am 28. Januar 2022]).
- Habilitationen/Dissertationen, SfS, Universität St. Gallen. Abgerufen am 23. Juni 2021
- Einladung zur Antrittsvorlesung PD Dr. Yana Milev, Kultursoziologie, 10. Mai 2016, HSG. Abgerufen am 23. Juni 2021.
- Veranstaltung: Design Governance: Designstrategien als Regierungstechniken. Abgerufen am 1. Februar 2022 (deutsch).
- Veranstaltungs und Prüfungsmerkblatt Herbstsemester 2014. Abgerufen am 1. Februar 2022 (deutsch).
- Emergency Design. Abgerufen am 19. März 2021.
- Emergency Design, 1. Internationales Symposium 15.|16. Februar 2006, Initiatorin Yana Milev, Veranstalter ZHdK, Programmheft. Abgerufen am 23. Juni 2021.
- Emergency Design. Krisenbasierte Architektur- und Designstrategien in räumlichen Systemen, Symposium, Veranstaltungsdokumentation, Museum für Gestaltung Zürich, 2006. Stand vom 24. Juni 2021
- Talk in(g) space HfG KA. Stand vom 24. Juni 2021
- Guerilla Transit, Plakat. Stand vom 24. Juni 2021
- AGIO | Gesellschaftsanalyse + Politische Bildung
- Preisträger, Kunstsammlungen Zwickau. Abgerufen am 23. Juni 2021.