Wildesel
Die Wildesel (Asinus) sind eine Untergattung aus der Gattung der Pferde (Equus). In ihnen werden drei Arten zusammengefasst: der Afrikanische Esel (Equus asinus), der Asiatische Esel (Equus hemionus) und der Kiang (Equus kiang). Sie bewohnen trockene und bergige Landschaften in Afrika und Asien. Kennzeichnend ist ihr schlanker Körperbau mit langen Gliedmaßen und großem Kopf sowie die helle Bauchseite, die kurze, weiche Mähne und der Schwanzbüschel. Die Tiere ernähren sich hauptsächlich von Gräsern und können sowohl einzeln lebend als auch herdenbildend auftreten. Der Afrikanische Esel stellt die Wildform des Hausesels dar. Mitunter werden auch verwilderte Hausesel als „Wildesel“ bezeichnet.
Wildesel | ||||||||||||
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Asiatischer Esel (Equus hemionus) | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Asinus | ||||||||||||
Gray, 1824 |
Merkmale
Wildesel sind zumeist schlanke Tiere mit langen Beinen und großem Kopf. Sie weisen eine Kopf-Rumpf-Länge von 180 bis 210 cm auf, der Schwanz wird üblicherweise 32 bis 45 cm lang. Die Schulterhöhe variiert von rund 100 bis über 140 cm und das Gewicht von 200 bis zu 400 kg.[1][2][3] Als ein auffallendes Merkmal kann die helle Bauchseite angesehen werden, die teilweise über die Brust zieht und auch das Gesäß und die oberen Partien der Beine mit einbezieht. Beim Przewalski-Pferd (Equus przewalskii) kommt dies zwar auch vor, doch zeigt sich bei diesem an den Seiten ein üblicherweise M-förmiges Muster im Übergang zur dunkleren Rückenfärbung. Bei den Wildeseln ist dieser eher sichelförmig gezeichnet. Abweichend zum Hauspferd (Equus caballus) und zum Przewalski-Pferd sind Kastanien, dunkle, schwielenartige Erhebungen, bei den Wildeseln nur an den Vorderbeinen vorhanden, ähnlich wie es auch bei den Zebras (Hippotigris) der Fall ist. Des Weiteren ist die Mähne der Wildesel kurz und weich, beim Przewaksi-Pferd hingegen steif und borstig. Der Schwanz besitzt ein büschelartiges Ende, so dass das übliche Langhaar nur in der unteren Hälfte vorkommt. Dies ist beim Przewalski-Pferd ähnlich, beim Hauspferd setzen die Langhaare aber schon an der Schwanzbasis an. Untergeordnet können als Charakteristika die tütenartigen, langen Ohren, der Aalstrich auf dem Rücken und eine gelegentliche Beinfesselung angegeben werden. Letzteres tritt aber weitgehend nur beim Afrikanischen Esel auf.[1][4]
Verbreitung
Die Wildesel kommen heute ausschließlich in Afrika und in Asien vor. Der Afrikanische Esel (Equus asinus) lebt im nordöstlichen Afrika in den Bereichen von Äthiopien, Eritrea und Somalia. Der Asiatische Esel ist fleckenhaft über das westliche, zentrale, südliche und östliche Asien verbreitet. Die Lebensräume verteilen sich von Israel und Saudi-Arabien im Westen bis zur Mongolei im Osten. Der Kiang (Equus kiang) ist ausschließlich im Hochland von Tibet und angrenzenden Regionen anzutreffen. Die genutzten Habitate der Wildesel bestehen zumeist aus offenen, trockenen Steppen- bis halbwüstenartigen Landschaften, die zum Teil auch sehr gebirgig und steinig sind. Lokal prägen diese Regionen extreme jahreszeitliche und tägliche Temperaturschwankungen. Die aufgesuchten Höhenlagen betragen zumeist um die 2000 m, der Kiang steigt auch auf Extrembereiche bis über 5000 m auf. Im östlichen Asien überschneidet sich das Verbreitungsgebiet des Asiatischen Esels mit dem des Przewalski-Pferdes, im nordöstlichen Afrika grenzt das des Afrikanischen Esels an jenes des Grevyzebras (Equus grevyi).[2][3][4]
Lebensweise
Das Sozialverhalten der Wildesel ist unterschiedlich. Der Afrikanische Esel ist teilweise einzelgängerisch und territorial, es kommen aber auch kleinere Gruppenbildungen aus wenigen Individuen eines oder beider Geschlechter vor. Die stärkste Bindungskraft besteht aber zwischen dem Mutter- und dem Jungtier. Ähnlich verhält es sich mit dem Kiang und den westlichen und südlichen Populationen des Asiatischen Esels, namentlich dem Onager (E. h. onager) und dem Khur (E. h. khur). Die weiter nördlich lebenden Formen des Asiatischen Esels, der Kulan (E. h. kulan) und der Dschiggetai (E. h. hemionus), hingegen sind herdenlebend. Diese können mitunter große, temporäre Verbände aus mehreren hundert Individuen formen. Die einzelnen, von einem dominanten Hengst geführten Herden ziehen in jährlichen Wanderungen durch große Aktionsräume. Die Hauptnahrung der Wildesel besteht wie bei allen Pferden aus Gräsern, teilweise werden aber auch Wurzeln nicht verschmäht. Wasser ist aufgrund der zumeist trockenklimatischen Landschaftsräume wichtig. Ein Stute bringt in der Regel nach rund einjähriger Tragzeit ein einzelnes, in Ausnahmefällen auch zwei Fohlen zur Welt. Der Nachwuchs wird rund ein Jahr gesäugt.[2][3][4]
Systematik
Alternative innere Systematik der Gattung Equus nach Orlando et al. 2009[5]
Hier verteilen sich die Wildesel auf unterschiedliche Kladen und vermischen sich mit den Zebras |
Innere Systematik der Gattung Equus nach Jónsson et al. 2014[6]
Hier bilden sowohl die Wildesel als auch die Zebras jeweils eine eigene geschlossene Gruppe |
Die Wildesel werden als eine Untergattung innerhalb der Gattung der Pferde (Equus). aufgefasst. Dies lässt sich sowohl anatomisch beziehungsweise schädelmorphologisch[1] als auch genetisch untermauern. So formen die Wildesel in einzelnen DNA-Untersuchungen eine gemeinsame Gruppe, die den Zebras als Schwesterklade gegenübersteht. Letztere werden daher häufig zur Untergattung Hippotigris verwiesen.[6][7] In einigen genetischen Analysen lässt sich eine solche deutliche Trennung aber nicht nachvollziehen. Hier vermischen sich dann die Wildesel stärker mit den Zebras. In diesen Fällen ist eine Aufteilung in die Untergattungen Asinus und Hippotigris nicht möglich.[5][8]
Unter den Wildeseln werden folgende drei Arten zusammengefasst. Aufgeführt sind auch die jeweiligen Unterarten:[4]
- Untergattung: Asinus Gray, 1824
- Equus asinus Linnaeus, 1758 (Afrikanischer Esel)
- E. a. asinus Linnaeus, 1758 (Hausesel)
- E. a. africanus (Heuglin & Fitzinger, 1867) (Nubischer Wildesel)
- E. a. somaliensis (Noack, 1884) (Somali-Wildesel)
- Equus hemionus Pallas, 1775 (Asiatischer Esel)
- E. h. anatoliensis Haltenorth & Trense, 1956 (Anatolischer Halbesel)
- E. h. hemionus Pallas, 1775 (Mongolischer Halbesel, lokal Dschiggetai)
- E. h. hemippus Saint-Hilaire, 1855 (Syrischer Halbesel, lokal Achdari)
- E. h. khur Lesson, 1827 (Indischer Halbesel, lokal Khur)
- E. h. kulan (Groves & Mazák, 1967) (Transkaspischer oder Turkmenischer Halbesel, lokal Kulan)
- E. h. onager Boddaert, 1785 (Persischer Halbesel oder Onager, lokal Gur-khar)
- Equus kiang Moorcroft, 1841 (Kiang)
- E. k. holdereri Matschie, 1911
- E. k. kiang Moorcroft, 1841
- E. k. polyodon Hodgson, 1847
Einige Systematiken erkennen neben den drei aufgeführten Arten auch den Khur und den Achdari als eigenständige Formen an.[9] Neben diesen heute noch bestehenden Wildesel-Arten gibt es noch eine Reihe ausgestorbener Angehöriger, von denen Equus hydruntinus, der sogenannte Europäische Wildesel, die bekannteste sein dürfte.
Die Bezeichnung Asinus wurde im Jahr 1824 von John Edward Gray in einem Übersichtsartikel zur Systematik der Pferde wissenschaftlich eingeführt. Er trennte hierin die damals bekannten asiatischen Esel und den Hausesel vom Hauspferd und den Wildpferden ab, schloss aber auch die Zebras mit ein.[10] Genutzt wurde sie schon vorher, wie etwa bei Just Leopold Frisch in seinem Werk zur Systematik der Natur aus dem Jahr 1775.[11] Da Frisch hier aber keine binominale Kombination verwendete, ist dies meist nicht anerkannt.[12] Teilweise wird in Asinus nur der Afrikanische Esel eingeschlossen, während die asiatischen Esel dann zu Hemionus gestellt werden. Das Taxon geht auf Frédéric Cuvier aus dem Jahr 1821 zurück,[13] ist allerdings als nomen nudum zu betrachten. Häufig werden daher Stehlin & Graziosi, 1935 oder Trumler 1961 als Autoren angegeben.[2] Colin Peter Groves und Vratislav Mazák vereinten im Jahr 1967 alle Wildesel unter Asinus und führten sie als eigene Gattung neben Equus.[1] Später sah Groves Asinus lediglich als Untergattung an,[9] so wie es auch von zahlreichen anderen Wissenschaftlern heute aufgefasst wird.[4]
Wildesel und Mensch
Domestikation
Vergleichbar dem Hauspferd, das aus einer Form der Wildpferde gezüchtet wurde, entstand der Hausesel durch Domestikation aus einem wildlebenden Vorläufer. Als Ausgangsform wurde schon früh der Afrikanische Esel vermutet, wobei nach anatomischen Untersuchungen der Nubische Wildesel (E. a. africanus) als wahrscheinlich anzusehen ist. Dies ließ sich auch mittels genetischer Analysen bestätigen. Allerdings wurde der Hausesel diesen Untersuchungen zufolge wohl mehrfach domestiziert, auch ist eine Beteiligung des Somali-Wildesels (E. a. somaliensis) nicht ganz unwahrscheinlich.[14][15] Die ältesten Hinweise auf den Hausesel datieren um 3000 v. Chr. und stammen aus Ägypten. Die Tiere wurden bereits damals als Lastenträger eingesetzt.[16]
Bedrohung und Schutz
Die drei Wildesel-Arten sind in ihrem Bestand unterschiedlich stark bedroht. Die IUCN stuft den Afrikanischen Esel als critically endangered („vom Aussterben bedroht“) ein.[17] Der Asiatische Esel wiederum gilt als near threatened („potenziell gefährdet“), wobei die einzelnen Unterarten unterschiedlich stark betroffen sind. Der Anatolische Halbesel und der Achdari sind jedoch bereits ausgestorben.[18] Der Kiang hingegen wird in der Kategorie Least Concern („nicht gefährdet“) geführt.[19] Alle drei Wildesel-Arten sind in Schutzgebieten präsent.
Literatur
- Colin Peter Groves und V. Mazák: On some taxonomic problems of Asiatic wild asses; with the description of a new subspecies (Perissodactyla; Equidae). Zeitschrift für Säugetierkunde 32, 1967, S. 321–355 ()
- Dan I. Rubenstein: Family Equidae (Horses and relatives). In: Don E. Wilson und Russell A. Mittermeier (Hrsg.): Handbook of the Mammals of the World. Volume 2: Hooved Mammals. Lynx Edicions, Barcelona 2011, ISBN 978-84-96553-77-4, S. 106–143
Einzelnachweise
- Colin Peter Groves und V. Mazák: On some taxonomic problems of Asiatic wild asses; with the description of a new subspecies (Perissodactyla; Equidae). Zeitschrift für Säugetierkunde 32, 1967, S. 321–355 ()
- Martha I. Grinder, Paul R. Krausman und Robert S. Hoffmann. Equus asinus. Mammalian Species 794, 2006, S. 1–9
- Antoine St-Louis und Steeve D. Côté: Equus kiang (Perissodactyla: Equidae). Mammalian Species 835, 2009, S. 1–11
- Dan I. Rubenstein: Family Equidae (Horses and relatives). In: Don E. Wilson und Russell A. Mittermeier (Hrsg.): Handbook of the Mammals of the World. Volume 2: Hooved Mammals. Lynx Edicions, Barcelona 2011, ISBN 978-84-96553-77-4, S. 106–143
- Ludovic Orlando, Jessica L. Metcalf, Maria T. Alberdi, Miguel Telles-Antunes, Dominique Bonjean, Marcel Otte, Fabiana Martin, Véra Eisenmann, Marjan Mashkour, Flavia Morello, Jose L. Prado, Rodolfo Salas-Gismondi, Bruce J. Shockey, Patrick J. Wrinn, Sergei K. Vasil’ev, Nikolai D. Ovodov, Michael I. Cherry Blair Hopwood, Dean Male, Jeremy J. Austin, Catherine Hänni und Alan Cooper: Revising the recent evolutionary history of equids using ancient DNA. PNAS 106, 2009, S. 21754–21759
- Hákon Jónsson, Mikkel Schubert, Andaine Seguin-Orlando, Aurélien Ginolhac, Lillian Petersen, Matteo Fumagallic, Anders Albrechtsen, Bent Petersen, Thorfinn S. Korneliussen, Julia T. Vilstrup, Teri Lear, Jennifer Leigh Myka, Judith Lundquist, Donald C. Miller, Ahmed H. Alfarhan, Saleh A. Alquraishi, Khaled A. S. Al-Rasheid, Julia Stagegaard, Günter Strauss, Mads Frost Bertelsen, Thomas Sicheritz-Ponten, Douglas F. Antczak, Ernest Bailey, Rasmus Nielsen, Eske Willerslev und Ludovic Orlando: Speciation with gene flow in equids despite extensive chromosomal plasticity. PNAS 111 (52), 2014, S. 18655–18660
- Julia T. Vilstrup, Andaine Seguin-Orlando, Mathias Stiller, Aurelien Ginolhac, Maanasa Raghavan, Sandra C. A. Nielsen, Jacobo Weinstock, Duane Froese, Sergei K. Vasiliev, Nikolai D. Ovodov, Joel Clary, Kristofer M. Helgen, Robert C. Fleischer, Alan Cooper, Beth Shapiro und Ludovic Orlando: Mitochondrial Phylogenomics of Modern and Ancient Equids. Plos ONE 8 (2), 2013, S. e55950
- Samantha A. Price und Olaf R. P. Bininda-Emonds: A comprehensive phylogeny of extant horses, rhinos and tapirs (Perissodactyla) through data combination. Zoosystematics and Evolution 85 (2), 2009, S. 277–292
- Colin Groves und Peter Grubb: Ungulate Taxonomy. Johns Hopkins University Press, 2011, S. 1–317 (S. 13–17)
- John Edward Gray: A revision of the family Equidae. Zoological Journal 1, 1824, S. 241–248 ()
- Just Leopold Frisch: Das Natur-System der vierfüssigen Thiere. Glogau, 1775, S. 1–34 (S. 1) ()
- Malcolm C. McKenna und Susan K. Bell: Classification of mammals above the species level. Columbia University Press, New York, 1997, S. 1–631 (S. 472)
- Georges Cuvier: Dictionnaire des sciences naturelles, dans lequel on traite méthodiquement des différensêtres de la nature, considérés soit en eux-mêmes, d’après l’état actuel de nos connoissances, soit relativement à l’utilité qu’en peuvent retirer la médecine, l’agriculture, le commerce et les arts. Tome 20, Strasbourg und Paris,1821, S. 555 ()
- Albano Beja-Pereira, Phillip R. England, Nuno Ferrand, Steve Jordan, Amel O. Bakhiet, Mohammed A. Abdalla, Marjan Mashkour, Jordi Jordana, Pierre Taberlet, Gordon Luikart: African Origins of the Domestic Donkey. Science 304, 2004, S. 1781
- Birgitta Kimura, Fiona B. Marshall, Shanyuan Chen, Sónia Rosenbom, Patricia D. Moehlman, Noreen Tuross, Richard C. Sabin, Joris Peters, Barbara Barich, Hagos Yohannes, Fanuel Kebede, Redae Teclai, Albano Beja-Pereira und Connie J. Mulligan: Ancient DNA from Nubian and Somali wild ass provides insights into donkey ancestry and domestication. Proceedings of the Royal Society B 278, 2011, S. 50–57, doi:10.1098/rspb.2010.0708
- Stine Rossel, Fiona B. Marshall, Joris Peters, Tom Pilgram, Matthew D. Adams und David O’Connor: Domestication of the donkey: Timing, processes, and indicators. PNAS 105 (1), 2008, S. 3715–3720
- Patricia D. Moehlman, H. Yohannes und F. Kebede: Equus africanus. The IUCN Red List of Threatened Species 2015. e.T7949A45170994 (); zuletzt aufgerufen am 10. Dezember 2020
- P. Kaczensky, B. Lkhagvasuren, O. Pereladova, M. Hemami und A. Bouskila: Equus hemionus. The IUCN Red List of Threatened Species 2020. e.T7951A45171204 (); zuletzt abgerufen am 10. Dezember 2020
- N. Shah, A. St. Louis und Q. Qureshi: Equus kiang. The IUCN Red List of Threatened Species 2015. e.T7953A45171635 (); zuletzt abgerufen am 10. Dezember 2020