Wild Side Story
Wild Side Story ist ein parodistisches Musical, das 1973 als Travestie-Show in der Schwulenszene von Miami Beach entstanden ist und in halbprofessionellen und kommerziellen Aufführungen in Florida, Schweden, Kalifornien und Spanien gezeigt wurde.
Hintergrund
Der aus einer schwedisch-amerikanischen Musikerfamilie stammende[1][2][3] Produzent, Autor und Regisseur von Unterhaltungsshows Lars Jacob[4][5] (Geburtsname: Lars Ridderstedt;[6] heutiger amtlicher Name: Jacob Truedson Demitz)[7] ging im Alter von 22 Jahren nach Florida und arbeitete nebenbei als DJ.[8][9][10] Zusammen mit jungen kubanischen Flüchtlingen[11] der Transvestiten-Szene von Miami Beach[12] erarbeitete er ein Musical, das im Camp-Stil eine Parodie auf die West Side Story bot, aber auch unabhängige Elemente verwendet.
Im Jahr 1975 reiste Lars Jacob zurück nach Schweden, um dort Shows für einen der frühesten Nachtclubs in Stockholm zu produzieren,[13] er führte damit die Travestie-Shows in Schweden ein. 1976 brachte er dort seine Wild Side Story auf die Bühne.[14] Lars Jacobs Position am berühmten Klub von Alexandra Charles gab ihm die Gelegenheit, einige Gattungen in der schwedischen Unterhaltung nachhaltig zu beeinflussen.[15] Schon 1976 ging er doch wieder in die USA und arbeitete bei The Beverly Hills Hotel. Nebenbei baute er nochmal ein underground-Ensemble auf, das die Wild Side Story mit einigen Anpassungen an die kalifornische Kultur, unregelmäßig und auf wechselnden Bühnen zwischen 1977 und Anfang der 1980er Jahre, spielte.
Bis zum Jahr 2004 wurde die Parodie mehr als 500 Mal in Florida,[12] Stockholm,[5] Los Angeles[16] und Spanien[17] aufgeführt. Stücke aus Wild Side Story wurden durch CabarEng in den letzten Jahren in Stockholm in Kabaretts wie CaCa Bleu (2009–2010)[18] und ÄngelCab (2013)[19] gezeigt, auch wenn das Ensemble auf Tournee in den USA mit Cabaret Large A-Cup (2011) war.[20] Zum 40-jährigen Jubiläum der Show, wurde sie 2013 in der Stockholmer Altstadt erneut gespielt.[21][22][11]
Gestaltung
Anfangs wurden alle Songs per Playback abgespielt, später wurden individuelle Kombinationen aus Playback, Live-Gesang und Sound-Einspielungen arrangiert.[16] Das bedeutet, dass die Schauspieler während der gesamten einstündigen Show, fast ausschließlich ihre Rollen lippensynchron zu Liedern aus der PA-Anlage spielten. Übertriebene Lippen- und Zungenbewegungen steigern die satirische Behandlung der verwendeten Originalaufnahmen, die zur Handlung beitragen.
Die Schauspieler waren in der Regel Amateure aus der jeweiligen Szene, die erstmals auf der Bühne standen.[12] In Los Angeles und bei späteren schwedischen Aufführungen wurde das Stück in professioneller Besetzung und mit entsprechender Bühnenausstattung und -technik gespielt.
Drei der neun Rollen erfordern männliche Schauspieler, die übertriebene Dragqueens spielen. Seit 1976 wurden drei der Rollen auch mit wirklichen Frauen besetzt. Eine von diesen Frauen spielt einen Dragking. Wenn das Publikum sich fast daran gewöhnt hat, dass durchgehend Playback gespielt wird, singt Tony plötzlich eine eigene Live-Version des Lieds Maria.
Effekte, wie lautes Fußgetrampel in America, Stroboskoplicht und Schreie im katastrophalen Straßenkampf Rumble und gelegentliche Projektionen von sowohl Dias als auch Super 8 Film, vervollständigen das Multimediaerlebnis.[23]
Kostüme, die im Jahr 1976 von Maria Knutsson, aus der berühmten schwedischen Boutique Gul & Blå, extra entworfen und genäht wurden, werden durchgehend verwendet, ebenso die gleiche Körpersprache, die der Regisseur in den jungen Kubaner bereits im Jahr 1972 entwickelt hat, ist zum großen Teil noch enthalten.
Parodien
Wild Side Story ist eine Parodie, vor allem das Hauptthema der selbstmörderischen Romeo und Julia. Etwa die Hälfte der Musik stammt aus dem klassischen Musical West Side Story, wobei mehrere Versionen Instrumentals und komödiantische Darbietungen enthalten.[24]
Weitere Songs, unter anderem von Bette Midler, La Lupe, Elvis Presley, Marilyn Monroe, Lou Reed, Alma Cogan und Peggy Lee,[16][24] sowie pikante Kommentare aus Mae-West-Filmszenen,[25] sind ebenfalls wichtige Teile des Schmähstücks. Das Finale beinhaltet eine Las Vegas Darbietung durch Diana Ross mit Somewhere, in dem sie Doktor Martin Luther King und seinen Traum zitiert, während Slot Machinen riesig viel Geld für das Hotel machen. Schultänze, sexuelle und andere Stereotypen, sinnlose Gewalt, liebeskranke Unachtsamkeit und Trunkenheit sowie die Art der Comedy of Errors von beispielsweise Oscar Wilde werden parodiert.
Handlung
Die Hauptfigur José Maria González verkleidet sich gekonnt als Frau, um zu versuchen, einen Job in einer Drag Show zu bekommen, sodass Tony sich in sie/ihn verliebt, was zu einer komischen Verwirrhandlung führt[24] und eine Gelegenheit für die Besetzung ermöglicht, eine deftige Romeo-und-Julia-Satire zu machen. Im Wettbewerb um diesen Job, und eine Nebenhandlung schaffend, sind die zwei puertorikanischen Dragqueens Consuelo und Obvióla, die dem missverstandenen Star das Leben in New York City noch elender machen, während Tony durch die Straßen stolpert[26] und singt (wenn Deutsche im Publikum sind): „Maria, obwohl alles ist schön erhoben, ist nicht oben so viel erhoben…“.
Im Verlauf der Handlung werden Marias Bruder Bernardo, Tony selbst und seine abservierte Freundin Betty-Sue (für die Wild Side Story dazuerfunden) getötet. Jedoch werden sie alle wieder zum Leben erweckt, für ein „unbeschwertes Ende, nachdem eine Soul Goddess“ den Geist des Doktor King anruft (siehe oben).
Rezeption
Zwei vorher unbekannte junge kubanische Männer waren als Frauen in der Erstbesetzung so überzeugend, dass eine seriöse Zeitschrift in Miami eine Titelgeschichte über sie druckte, als „Frauen, die wie Frauen aussehen und wie Frauen riechen und Rüschen und Satin und Spitze tragen ... zwei solche hingebungsvolle Herzchen werden hier gezeigt um die neueste feminine Mode für echte Frauen zur Schau zu tragen“.[27] Der letztendliche Erfolg der ersten Show wurde von Augenzeugen beschrieben als: „ein Riesenhit ... Floridas große Namen der Männer in Frauenrollen haben ihre bizarre Rollen in dieser bizarren Geschichte gespielt, bis das Publikum schrie“.[12]
In Stockholm im Herbst 1975 war Lars Jacobs erstes Kabarett AlexCab bereits erfolgreich,[28][29] wo Drag-Stücke amerikanischer Art zum ersten Mal in Schweden aufgeführt wurden,[14] sodass der bekannte Kritiker Sten Hedman die Wild Side Story im Jahr 1976 als die „beste Show der Stadt ... dekadent, spaßig, aufregend, talentiert“ genannt hat, wobei der bald in Schweden berühmte Christer Lindarw, fast prophetisch, als bester Darsteller der Show benannt wurde.[30] Von den großen Zeitungen wie Dagens Nyheter und Svenska Dagbladet kamen über ein so völlig neues Phänomen wie Wild Side Story, Bewertungen die etwas ratlos scheinen.[31] Letzterer hatte den Amerikaner Steve Vigil (der Wild Side Story schon in Florida in der Hauptrolle gesehen),[12] ebenso Ulla Jones und Agneta Lindén, für Charisma und Know-how, die von der Kritik besonders hervorgehoben wurden.[32]
Ein paar Jahre später in Los Angeles, hat Journalist Michael Kearns seiner Rezension der Show den Titel „Stadtgespräch“ gegeben, er fügte hinzu, „das Außergewöhnlichste, was, was Sie je gesehen haben“.[16] Ein lokales Gay-Magazin nannte es eine „spaßige, kitschige Abendunterhaltung“, auch „die Besetzung ist lebendig und Jacobs Regie ist schnelllebig … ein schneidiger Tony ...eine wunderschöne, berührende, zarte Maria ...“ und die zwei Dragqueens „der zügellose Teil der Show“.[25]
Im Jahr 1997, wieder in Stockholm, gab es Rezensionen wie „ein völlig wilder Abend“,[5] „eine urkomische Parodie, eine inspirierende Show voller Einfallsreichtum, ein absolutes Hysterical“,[23] und in Spanien im Jahr 2000 wurden die Geschichte der Show und ihre Regisseur vorteilhaft hervorgehoben.[17] Später, im selben Jahr, hat in Stockholm ein Schriftsteller zum ersten Mal die Wild Side Story als „Kult-Show“ benannt.[24] 2003 und 2004 beschrieb eine städtische Stockholmer touristische Zeitschrift das Stück so: „ein Kult-Klassiker ... wunderschöner Abend mit Gesang, Tanz und Musik in einer schnelllebigen Parodie“, mit „Gelächter, Spaß, Pantomime, Tanz und Musik macht sich Wild Side Story lustig über die Schwächen des menschlichen Verhaltens und vieles mehr“.[33] Im Jahr 2003 wurden in Schwedens führendem Schwulen-Magazin die Dragqueens als „ziemlich bullige Männer mit behaarter Achselhöhle“ erwähnt.[34]
Kernthemen
Lars Jacob wurde im schwedischen Fernsehen über die Wild Side Story interviewt. In der Live-Sendung im Jahr 1997 sagte er: „Seit ich 13 bis 14 Jahre alt war fand ich es immer so verwirrend mit all der sexuellen Heuchelei, die wir in unserer Gesellschaft haben, religiöser Heuchelei und politischer Heuchelei, darum bin ich ein Anti-Heuchelei Fanatiker – das ist das einzige, wobei ich fanatisch bin, gegen die Heuchelei – so wird ein großer Spaß daraus, Witze darüber zu machen mit zweierlei Maß zu messen, sowie über die Über-Romantisierung unserer Gesellschaft, das bedeutet, dass junge Menschen kaum eine Chance zu überleben haben, mit all dieser Propaganda für Romantik.“[35]
Ein weiteres Mal ist Lars Jacob im Jahr 2000 in vier Teilen einer beliebten Fernsehserie als Regisseur aufgetreten, wo er unter anderem sagte, "es gibt nichts wirklich Unanständiges in der Show, aber es werden eine Menge Späße mit Sexualität und Romantik und wahrer Liebe und all dem gemacht ... (und als Hinweis auf noch einer seinen mutigen Besetzungen:) Ich finde es toll, mit Leuten, die was wagen, und Leuten die was Besonderes aus dem Leben machen, nicht wie Prinzessin Madeleine: «Ich möchte ein gewöhnliches Leben leben» – was? Mein Gott, sie gehört zu fünf der ungewöhnlichsten Familien der Welt, dieses Mädchen, und das arme Ding ist gezwungen so was zu sagen wie «Ich möchte ein gewöhnliches Leben leben»!".[36]
Weblinks
Einzelnachweise
- Dagens Nyheter, 27. September 1985, S. 45
- TV-Guide, 6. Juni 1959, S. A-38
- Expressen, 19. Juli 1953, S. 3
- Betty Skawonius, Dagens Nyheter, 18. August 1993, S. B03
- Eva Norlén, Aftonbladet, 21. Juli 1997, S. 37
- Karl-Gösta Sälgström, Dala-Demokraten, 23. Mai 1989, S. 18
- Karin Rosencrantz-Bergdahl, Nya Ludvika Tidning, 10. Februar, 1996, S. 8
- VeckoRevyn (Stockholm), 1. September 1971, S. 20 "Ledande man bland huvudstadens innefolk (Führender Mann des trendigen Elite der HauptStadt)"
- Perry Fulkerson, Evening Independent / The Scene (St. Petersburg, Florida), 11. November 1971, S. 1D, 14D-15D
- Open Mike mit Herb Hunt, 1. November 1971, WLCY Radio, Tampa
- Facebook: CabarEng
- Kim Ekemar, Wild Side Story at Showcase Alexandra's Stockholm (reg. Kungliga Biblioteket), 6. Januar 1976, S. 8
- Alexandra Charles, Alexandra on the Rocks, Stockholm, 1986, ISBN 91-7684-105-7, S. 60–61.
- Kalle Westerling, La Dolce Vita, ISBN 91-85505-15-3, Normal, Stockholm, 2006 : S. 20-22
- Christer Lindarw und Christina Kellberg, This Is My Life ISBN 978-91-7424-533-2, S. 75-76, 122 & 264
- Michael Kearns, San Diego Update / L.A. Life, 30. November 1979, S. 13
- Island Connections (Los Cristianos), 7. April 2000, S. 2
- Stockholm City, 22. März 2010, S. 2
- ÄngelCab auf YouTube
- Metropolitan Room online
- Metro Stockholm, 2. August 2013, S. 18
- Aftonbladet/Nöjesbladet, 2. August 2013, S. 25
- Kathy Riley Stockholm International, SR International Radio Sweden 16. Juli 1997
- Linda Romanus, Tidningen Södermalm / Nöjesrepubliken, 24. Juni 2000, S. 22
- Rob Stevens, Data Boy Pacific Southwest 235 (West Hollywood), 26. Oktober 1979, S. 76
- Kim Ekemar, Wild Side Story at Showcase Alexandra's Stockholm (siehe oben), 6. Januar 1976, S. 4
- Ella Smilkstein The Miami Magazine 24:14, Februar 1974, Titelgeschichte, S. 2, 41, 42.
- Lisbeth Borger-Bendegard, Svenska Dagbladet / I vimlet, 14. September 1975, S. 20; & 24. Oktober 1975 S. 17
- Lasse, Göteborgs-Tidningen, 21. November 1975, S. 16
- Sten Hedman, Damernas Värld (Stockholm), 14. Januar 1976, S. 10
- Oscar Hedlund, Dagens Nyheter, 17. Januar 1976, S. 17
- Göran Sellgren, Svenska Dagbladet, 9. Januar 1976, S. 14
- What’s On (Informationszeitung der Stadt Stockholm), Juli 2003, S. 16, & Juli 2004, S. 12
- QX, August 2003
- Öppna Kanalen (Stockholm), 22. Juli 1997
- Baren TV3 (Stockholm) Juni 2000