Wärmebildgerät (Militär)
Wärmebildgeräte (WBG) sind optische beziehungsweise optoelektronische Nachtsichtgeräte mit Wärmebildkamera (auch thermal imager genannt[1]).
Sie kommen unter anderem in Panzern zum Einsatz und befähigen ein Gefechtsfahrzeug zum Nachtkampf.
Ein WBG ist ein passives Nachtsichtgerät, welches sich von einem aktiven Nachtsichtgerät dadurch unterscheidet, dass es keinen Infrarotscheinwerfer benötigt.
Geschichte
Die Fähigkeit zum Nachtkampf sowie der Kampf bei schlechter Sicht werden vom Militär gewünscht. Die Umgebung bei Dunkelheit wahrzunehmen ohne selbst gesehen zu werden ersetzt die Gefechtsfeldbeleuchtung. Die Nachtkampffähigkeit ist ein militärischer Vorteil.
Zur Zeit des Kalten Krieges herrschte einige Zeit ein Technologievorsprung auf Seiten der NATO gegenüber den Warschauer Vertragsstaaten. Während man im Osten noch Restlichtverstärker mit Bildverstärkerröhren verwendete, wurden im Westen erste aufwendige passive Wärmebildgeräte eingesetzt, um auch bei völliger Dunkelheit Ziele aufklären und bekämpfen zu können.
1971 waren die ersten Wärmebildgeräte des Militärs serienreif. Doch bis zu Anfang der 1980er Jahre war auch das Heer der NATO noch überwiegend mit aktiven Nachtsichtgeräten wie periskopischen IR-Zielfernrohren ausgestattet, die im Nah-Infrarot von 0,76 bis 1,20 Mikrometern arbeiteten. Der Leopard 1 hatte einen Schießscheinwerfer mit einer Xenon-Lampe, der sich von Weißlicht auf Infrarot umschalten ließ. Die Infrarotstrahlung ist zwar für das menschliche Auge unsichtbar, nicht aber für die Nachtsichtgeräte des Gegners.
Auf sowjetischer Seite fand lange Zeit das Nachtzielfernrohr TPN-1 Verwendung. Mit einem Infrarotscheinwerfer wurden auch hier Ziele angestrahlt, um sie dann bekämpfen zu können. Nachteil der IR-Zielscheinwerfer war neben der leichten Aufklärbarkeit auch der unzureichende Splitterschutz.
Bei der Panzergrenadiertruppe der Bundeswehr wurden am Anfang der Entwicklung zunächst nur die Zugführungspanzer mit WBG ausgestattet. Durch das WBG erfuhr der Schützenpanzer „Marder“ eine erhebliche Kampfwertsteigerung[2].
Seit dem Jahr 1979 war das Grundgerät des hochauflösenden[3] WBG-X von der US-Firma Common Modules[4] (Tochterunternehmen von Texas Instruments) ausgerüstet. Ab 2000 wurde das WBG-X durch das System OPHELIOS und später durch ATTICA abgelöst.
Mittlerweile gibt es gekühlte und ungekühlte Wärmebildkameras. Ungekühlte Geräte arbeiten mit Bolometer-Arrays. Gekühlte Wärmebildgeräte können kleinere Temperaturunterschiede auflösen, sind jedoch teurer, schwerer und nicht sofort betriebsbereit.
Technik
Wärmebildgeräte arbeiten wie die Thermografie und besitzen eine Wärmebildkamera. WBG registrieren die Wärmestrahlung im mittleren Infrarot[5], d. h. in einem Bereich von 3 bis 14 Mikrometern Wellenlänge. Ein WBG vermag daher im Gegensatz zu Restlichtverstärkern und Infrarot-Sichtgeräten auch bei vollkommener Dunkelheit und ohne Beleuchtung (d. h. passiv) Temperaturunterschiede in ein Thermobild umzuwandeln. Wärmebildgeräte geben die Wärmesignatur von Personen und Fahrzeugen bei Nacht und schlechter Sicht (Nebel, Rauchentwicklung während eines Gefechtes) wieder.
Die Funktionsweise eines WBG ist an Temperaturunterschiede gebunden. Die Bilder werden in Falschfarben oder Graustufen wiedergegeben. Sonnenreflexionen, Brände auf dem Gefechtsfeld[6] oder Schneefall können dies stark beeinträchtigen.
Glas ist im Mittleren Infrarot undurchsichtig, weshalb beispielsweise Personen hinter einer Frontscheibe nicht wahrgenommen werden können.
Auch bei Tageslicht liefert das WBG häufig zusätzliche Informationen und bleibt daher oft eingeschaltet.
Typen/Modelle
WBG-X
Im Jahr 1981 wurde die erste Generation der WBG von der Firma Hensoldt[7], Sparte Optronik (ehemals Zeiss-Eltro Optronic), entwickelt und bei den Kampftruppen der Bundeswehr als WBG-X eingeführt. Mit dem WBG-X wurden Kampfpanzer Leopard 1, Leopard 2[8], Schützenpanzer Marder, Spähpanzer Luchs[9] und andere Gefechtsfahrzeuge des Heeres[10] ausgerüstet, um nachts kämpfen zu können.
Andere Einsatzgebiete waren Marine (MEOS, EOBA, SERO) und Luftwaffe (Hawk, Tornado ECR).
Es wurden über 10.000 Stück WBG-X gebaut.[11] Das Modell wurde durch modernere Geräte[12] wie Ophelios und Attica abgelöst und seit 2015 nicht mehr produziert.
In Panzern verbaute Wärmebildgeräte sind zumeist Wärmebildzielfernrohre, die gleichzeitig mit der Feuerleitanlage der Bordkanone verbunden sind und von Kommandanten und Richtschützen unabhängig voneinander bedient werden können. Das WBG-X hat 4- bis 12-fache Vergrößerung, mit einer Erweiterung bis 36-fach.
Nach dem Einschalten ist das WBG-X erst nach zehn Minuten betriebsbereit, weil zunächst der aus Cadmium-Quecksilber-Tellurid (CdHgTe bzw. MCT)[13] bestehende Bildsensor auf eine Betriebstemperatur von −196 °C heruntergekühlt werden muss.
Das WBG-X arbeitet bei Wellenlängen von 8 bis 14 Mikrometern und empfängt die Wärmestrahlung der Objekte. Es benötigt somit wie alle Wärmebildkameras keinerlei Beleuchtung.
Das WBG verwendet annähernd das gleiche Strichbild wie die Zieloptik im Tagbetrieb (z. B. EMES PERI-R17). Zu Beginn des Anrichtens verwenden Richtschützen oder Kommandanten in der Regel die 12-fache Vergrößerung, die anschließend für das weiträumige Beobachten des Gefechtsfeldes auf die 4-fache umgeschaltet wird.
Die maximale Aufklärungsreichweite beträgt etwa 3 Kilometer.
Die Hell-Dunkel-Polarität der Anzeige kann je nach Gegebenheiten der Beobachtungsumgebung angepasst werden. Das Bild des WBG wird über einen optischen Kanal einer Okularbaugruppe in das Sichtfeld des Tagkanals eingeblendet, um Beobachtung und Feuerführung wie unter Tagbedingungen zu erreichen. Es kann mit einem Hebel zwischen Tag- und Wärmebildkanal umgeschaltet werden.
Das modular aufgebaute Zeiss WBX-X ist optisch verbunden mit dem Kommandanten-Rundblickperiskop Zeiss PERI R17. Es kann zwischen einem großen Sichtfeld und einem Ausschnitt für eindeutige Zielerkennung und Identifizierung gewechselt werden[14].
Das WBG-X besaß eine Leistungsaufnahme von 180 Watt, hatte eine Arbeitstemperatur von −35 bis +63 °C und wog mit der Masse seines Grundgerätes etwa 18 Kilogramm[15].
Das Einschalten des WBG gehört zur Herstellung der Gefechtsbereitschaft im Panzer[16]. Das Wärmebildgerät ist betriebsbereit, sobald die Kältemaschine den Bildsensor heruntergekühlt hat und ein klares Bild erscheint.
Die Aufklärungsreichweite des WBG reicht weiter als die Einsatzschussweite der Bordwaffen. Schützen, die sich in 1500 Metern befinden, lassen sich auch bei schneller Drehbewegung des Turms meist gut erkennen. Bis zu einem gewissen Grad lassen sich auch Wärmesignaturen hinter leichter Deckung aufklären. Die Identifikation von Schützen gelingt hingegen meist nur mit der Tagesoptik.
Gefechtsfeldbeobachtung aus einer Stellung gehört zu den Hauptaufgaben des WBG. Die Tagessichtoptik hingegen kommt eher zur Zielidentifikation oder bei Zielen ohne Wärmesignatur zum Einsatz.
Fusion
Eine Lösung der Nachteile der Restlichtverstärker- und Wärmebildtechnik ist die Kombination der einzelnen Technologien zu einem Bild.[17] Der „Fusion“- Ansatz setzt darauf das optische bzw. restlichtverstärkte Bild über das Wärmebild zu legen. Der Hintergedanke dieses Ansatzes ist es mindestens zwei Bildquellen zu einem „nützlicheren“ Bild zu verschmelzen. Besondere taktische Herausforderungen auf dem Gefechtsfeld können so einfacher bewältigt werden.
Beispielsweise ist es selbst auf Distanzen von 50 m äußert schwierig Personen die sich nicht bewegen mittels Restlichtverstärkern im Wald zu detektieren. Insbesondere dann, wenn diese angelehnt an Bäume oder Büsche stehen. Die Überlagerung des Restlicht-Bildes mit dem Wärmebild bewirkt, dass die deutlichen Temperaturunterschiede zwischen Bebauung und Bewuchs im Vergleich zu der Körpertemperatur ebenfalls als Detektionsquelle genutzt werden kann. Die Person wird somit auch auf weitere Distanzen deutlich erkennbar.
Die Überlagerung (Fusion) kann auf zwei Arten erfolgen. Die erste und seit längerem genutzte Möglichkeit ist es einen WBG-Aufsatz vor das Nachtsichtgerät zu schalten (Clip-On). Somit können bestehende Nachtsichtgeräte bei Bedarf kampfwertgesteigert werden. Eine zweite und wesentlich leistungsfähigere Möglichkeit wäre eine interne Überlagerung der Bilder. Die Fusion-Geräte stellen strenggenommen eine eigene Kategorie von Nachtsichttechnik dar. Diese Geräte haben von Beginn an sowohl Restlichtverstärkerröhren als auch einen WBG Sensor verbaut. Die Überlagerung der beiden Bilder erfolgt intern, das Resultat ist ein deutlich leistungsstärkeres Fusion-Bild. Um Strom zu sparen, kann das Thermalbild bei Bedarf abgeschaltet werden. Solche binokularen Fusion-Brillen stellen den aktuell modernsten Stand der Technik dar.
Literatur
- Harry Schlemmer: Eine unsichtbare Welt sehen – Die Geschichte der Wärmebildtechnik. ISBN 978-3-8132-0979-2.
- James A. Ratches: Current and Future Trends in Military Night Vision Applications. Journal Ferroelectrics. Volume 342 – Issue 1. 2006.
Weblinks
- Fahrzeug-Optronik. Produktbroschüre der Firma Hensoldt
- IEA Mil-Optics GmbH Nagold: Was ist Nachtsicht? Grundlagen: Restlichtverstärker, Wärmebild, Nachtsehfähigkeit und Nachtkampffähigkeit
- Prof. Dr. Jürgen Nolting. How does it work? Wie funktionieren eigentlich Wärmebildgeräte? DOZ Optometrie
- Omer Tsimhoni and Paul Green: Night Vision Enhancement Systems for Ground Vehicles: The Human Factors Literature. Technical Report UMTRI-2002-05 April, 2002
- Night Vision Use in the Military. Night Vision Optics.
Einzelnachweise
- WBG-X. Zeiss-Eltro Optronic. Fire Control Systems. Thermal imaging sight. Army Guide
- Hans-Peter Lohmann, Rolf Hilmes: Schützenpanzer Marder. Die technische Dokumentation des Waffensystems. Motorbuch Verlag, Stuttgart 2011, S. 100. ISBN 978-3-613-03295-8.
- HDIR: Very-high-resolution thermal imager
- Firmeninformation Zeiss Optronik: „Common-Modules-Wärmebildgeräte“, 2003
- Technik Wärmebildgeräte
- Technik Wärmebildgeräte
- Innovation at HENSOLDT. Thermal imaging technology
- Land/Optronics/Fire Control and Reconnaissance. Leopard Fleet Retrofits and Upgrades. Fa. Hensoldt
- Hans-Peter Lohmann: Spähpanzer Luchs: Die technische Dokumentation des Waffensystems. Motorbuch Verlag, Stuttgart 2010, S. 104. ISBN 978-3-613-03162-3.
- weitere Fahrzeuge waren M48, M113 und Jagdpanzer Jaguar
- Although the inceptive heat-seeking device, the Donau, dates back to 1944, large-scale production commences much later. 10,000+ WBG-X thermal imagers designed for Leopard 1, Leopard 2, Marder and Luchs armoured vehicles are produced pursuant to the common module principle. Katalog der Fa. Hensoldt. 2014
- Airbus DS Optronics offers state-of-the-art retrofit gunner sights for armoured vehicles. Fa. Hensoldt
- Die Feuerleitanlage des Kampfpanzers Leopard 2
- Zeiss Wärmebildgeräte sehen, erkennen, zielen bei Nacht und bei schlechtem Wetter. Anzeige der Firma Zeiss. Herbert Wanner: Modernes Rüstungsmaterial: Notwendiges und Wünschbares auch für unsere Armee. Schweizer Soldat + FHD : unabhängige Monatszeitschrift für Armee und Kader. Band (Jahr): 57 (1982)
- Hans-Peter Lohmann, Rolf Hilmes: Schützenpanzer Marder. Die technische Dokumentation des Waffensystems. Motorbuch Verlag, Stuttgart 2011, S. 101. ISBN 978-3-613-03295-8.
- TDv 1005/049-12 SPz Schützenpanzer Panzer Marder 1
- Alexander Engelhardt: IEA MIl-Optics GmbH Was ist Nachtsicht? Abgerufen am 23. September 2020.