Volksabstimmungen in der Schweiz 2022
Dieser Artikel bietet eine Übersicht der Volksabstimmungen in der Schweiz im Jahr 2022.
In der Schweiz sind in diesem Jahr auf Bundesebene vorerst sieben Volksabstimmungen vorgesehen, im Rahmen zweier Urnengänge am 13. Februar und 15. Mai. Dabei handelt es sich um zwei Volksinitiativen und fünf fakultative Referenden. Weitere mögliche Abstimmungstermine sind der 25. September und der 27. November.
Abstimmungen am 13. Februar 2022
Ergebnisse
(provisorische amtliche Ergebnisse)
Nr. | Vorlage | Art | Stimm- berechtigte | Abgegebene Stimmen | Beteiligung | Gültige Stimmen | Ja | Nein | Ja-Anteil | Nein-Anteil | Stände | Ergebnis |
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651[1] | Eidgenössische Volksinitiative «Ja zum Tier- und Menschenversuchsverbot – Ja zu Forschungswegen mit Impulsen für Sicherheit und Fortschritt» | VI | 44,2 % | 2'394'476 | 500'937 | 1'893'539 | 20,92 % | 79,08 % | 0:23 | nein | ||
652[2] | Eidgenössische Volksinitiative «Ja zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Tabakwerbung (Kinder und Jugendliche ohne Tabakwerbung)» | VI | 44,2 % | 2'420'125 | 1'370'137 | 1'049'988 | 56,61 % | 43,39 % | 15:8 | ja | ||
653[3] | Änderung des Bundesgesetzes über die Stempelabgaben | FR | 44,0 % | 2'363'447 | 882'335 | 1'481'112 | 37,33 % | 62,67 % | – | nein | ||
654[4] | Bundesgesetz über ein Massnahmenpaket zugunsten der Medien | FR | 44,1 % | 2'388'480 | 1'085'237 | 1'303'243 | 45,44 % | 54,56 % | – | nein |
Verbot von Tier- und Menschenversuchen
Ein Bürgerkomitee mit Mitgliedern von Tierschutzorganisationen sowie einzelnen Exponenten von SP und Grünen reichte im März 2019 eine Volksinitiative ein. Sie forderte ein Verbot von Tierversuchen sowie ein Importverbot von Produkten, die unter Anwendung von Tierversuchen entwickelt wurden. Zusätzlich forderte sie, dass Forschung, die ohne Tierversuche auskommt, mindestens dieselbe staatliche Unterstützung erhält wie heute diejenige mit Tierversuchen. Schliesslich verlangte sie ein Verbot von Menschenversuchen. Die Befürworter argumentierten, dass Versuche an Tieren unethisch seien, da Tiere genau wie Menschen Leid und Schmerz zu verspüren vermögen. Aus medizinisch-wissenschaftlicher Sicht seien solche Versuche unnötig, denn die Wirksamkeit an Tieren könne nicht mit jener an Menschen verglichen werden. Versuche an Menschen seien ebenfalls unnötig, da sie bestenfalls vage Durchschnittswerte liefern könnten, die aber im «Zeitalter der individuellen Medizin» obsolet seien. Der Bundesrat und (ohne Gegenstimme) das Parlament wiesen die Forderungen zurück; keine einzige der im Parlament vertretenen Parteien unterstützte die Vorlage. Gemäss den Gegnern hätte eine Annahme der Initiative schwerwiegende Konsequenzen. Sehr viele Medikamente dürften dann weder in der Schweiz hergestellt noch aus dem Ausland importiert werden. Das Land würde vom weltweiten medizinischen Fortschritt abgeschnitten, mit schwerwiegenden Folgen für die Gesundheit von Menschen und Tieren. Die Schweiz habe bereits jetzt eine der weltweit strengsten Regelungen für Tierversuche und für die Forschung am Menschen, ausserdem fördere der Bund bereits die tierversuchsfreie Forschung mit dem Ziel, die Anzahl Versuche sukzessive zu verringern. Fast vier Fünftel der Abstimmenden und alle Kantone lehnten die Initiative ab.[5][6]
Schutz vor Tabakwerbung
Ein Komitee aus Ärzten und Apothekern, der Krebsliga und der Lungenliga sowie der SAJV reichte im September 2019 eine Volksinitiative ein. Sie forderte ein Verbot von Tabakwerbung, die an Minderjährige gerichtet oder für sie zugänglich ist. Davon betroffen wäre unter anderem Werbung in Printmedien, im Internet und in den sozialen Medien, auf Plakaten, an Kiosken und in Kinos. Ebenfalls verboten wäre das Sponsoring von Musikfestivals durch Tabakproduzenten oder die Abgabe von Gratismustern. Dem Bundesrat und dem Parlament ging diese Forderung zu weit, weshalb sie ein weniger strenges Tabakproduktegesetz ausarbeiteten, das weiterhin Tabakwerbung in beschränktem Umfang zulassen würde. Die Initianten betrachteten das neue Gesetz als Alibiübung; nur mit der Initiative sei es möglich, die besonders für Werbebotschaften empfänglichen Kinder und Jugendlichen wirksam vor den schädlichen Auswirkungen des Tabakkonsums zu schützen sowie den Konsum deutlich zu senken. Unterstützung erhielt die Initiative unter anderem von der EDU, der EVP, der GLP, den Grünen und der SP sowie verschiedenen Gesundheits- und Präventionsorganisationen. Ihnen gegenüber standen FDP, Die Mitte und SVP, Wirtschaftsverbände sowie Vertreter der Werbe- und Tabakbranchen. Ihnen zufolge stellte ein umfassendes Werbeverbot einen zu starken Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit dar, ebenso würde das Sponsoringverbot zu finanziellen Einbussen bei Kultur- und Sportveranstaltungen führen. Das Tabakproduktegesetz verstärke den Jugendschutz ebenfalls, auch könnten die Kantone noch strengere Vorschriften erlassen. Die Initiative schaffte sowohl das Volks- als auch das Ständemehr relativ deutlich.[7][6]
Emissionsabgabe bei Stempelsteuer
Eine im Dezember 2009 von der FDP-Fraktion eingereichte parlamentarische Initiative verlangte die Abschaffung der Stempelsteuer. Die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates entschied sich vorerst für die Abschaffung der darin enthaltenen Emissionsabgabe. Diese wird bei der Ausgabe von Geld oder Wertpapieren durch Banken oder Unternehmen erhoben (beispielsweise bei einer Erhöhung des Aktienkapitals); die Höhe der Abgabe beträgt ein Prozent. Nachdem die Vorlage mehrmals sistiert worden war, wurde sie schliesslich im Juni 2021 von beiden Parlamentskammern angenommen. Gegen diesen Beschluss ergriffen SP, Grüne und Gewerkschaften mit Erfolg das Referendum. Nach Ansicht der Gegner würden von der Abschaffung der Emissionsabgabe lediglich internationale Grosskonzerne, Banken und Versicherungen profitieren. Ebenso entstünde ein Einnahmenausfall von rund 250 Millionen Franken jährlich, der dann von Privatpersonen über höhere Einkommens- und Mehrwertsteuern oder durch die Streichung von Leistungen ausgeglichen werden müsste. Darüber hinaus sei die geplante Abschaffung der Emissionsabgabe Teil einer «Salamitaktik», da mit weiteren geplanten Massnahmen Konzerne steuerlich noch mehr begünstigt werden sollen. Die bürgerlichen Parteien und die Wirtschaftsverbände wiesen darauf hin, dass die Schweiz eines der wenigen Länder sei, die eine Emissionsabgabe kennen. Sie sei ungerecht, denn sie benachteilige junge Unternehmen, die zumeist weniger Gewinn erwirtschaften, mit dem sie ihre Investitionen finanzieren können. Ebenso belaste sie nur das Eigenkapital und nicht das Fremdkapital, was falsche Anreize setze. Über drei Fünftel der Abstimmenden lehnten die Vorlage ab.[8][6]
Medien-Massnahmenpaket
Die Digitalisierung führte zu einem durchgreifenden Strukturwandel der Massenmedien, insbesondere zu einem starken Rückgang der Auflagenzahlen von Zeitungen und der Werbeeinnahmen, die zu einem grossen Teil zu international tätigen Internetplattformen wie Google oder Facebook abfliessen. Diese Entwicklung bewog Bundesrat und Parlament dazu, die lokalen und regionalen Medien mit verschiedenen Massnahmen zu stärken. Dazu gehörten u. a. höhere Subventionen zur Förderung der Zustellung von Zeitungen und Zeitschriften, Förderbeiträge für von Lesern mitfinanzierte Online-Medien, die finanzielle Unterstützung der Aus- und Weiterbildung von Journalisten sowie eine verstärkte Förderung von Lokalradios und Regionalfernsehstationen. Die jährlichen Mehrkosten sollten 178 Millionen Franken betragen, wobei der grösste Teil des Betrags auf sieben Jahre beschränkt gewesen wäre. Gegen das vom Parlament verabschiedete Bundesgesetz ergriff ein Komitee aus Verlegern und Exponenten von SVP, FDP und Mitte das Referendum. Sie kritisierten, dass vor allem die vier grossen Verlagshäuser der Schweiz profitieren würden, obwohl sie die zusätzlichen Subventionen gar nicht nötig hätten. Der ausdrückliche Ausschluss von Gratis-Medien sei unsozial und diskriminierend; er habe den Effekt, dass die Monopole weiter gestärkt und innovative neue Medienangebote diskriminiert würden. Durch die erhöhte finanzielle Abhängigkeit vom Staat sei auch die Rolle der Medien als «vierte Gewalt» gefährdet. Zu den Befürwortern gehörten linke Parteien, die Mitte und die GLP. Sie befürchteten, dass ohne ein Eingreifen des Staates viele Medien verschwinden würden. Der Umfang und die Qualität der Berichterstattung würden ohne Förderung weiter zurückgehen, was für den demokratischen Diskurs schädlich sei. Eine relativ deutliche Mehrheit der Abstimmenden lehnte die Vorlage ab.[9][6]
Abstimmungen am 15. Mai 2022
Geplant sind Abstimmungen über drei Vorlagen, unter dem Vorbehalt, dass die Referenden zustande kommen:
- Änderung des Filmgesetzes
- Widerspruchslösung bei der Organspende
- Beteiligung an der europäischen Grenz- und Küstenwache Frontex
Weblinks
- Chronologie Volksabstimmungen mit allen Abstimmungen auf Bundesebene seit 1848 (admin.ch)
- Swissvotes – Datenbank zu den Schweizer Volksabstimmungen (Universität Bern)
Einzelnachweise
- Volksinitiative «Ja zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Tabakwerbung» (Kinder und Jugendliche ohne Tabakwerbung), nach Kanton. Bundesamt für Statistik, 13. Februar 2022, abgerufen am 13. Februar 2022.
- Volksinitiative «Ja zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Tabakwerbung» (Kinder und Jugendliche ohne Tabakwerbung), nach Kanton. Bundesamt für Statistik, 13. Februar 2022, abgerufen am 13. Februar 2022.
- Änderung des Bundesgesetzes über die Stempelabgaben, nach Kanton. Bundesamt für Statistik, 13. Februar 2022, abgerufen am 13. Februar 2022.
- Bundesgesetz über ein Massnahmenpaket zugunsten der Medien, nach Kanton. Bundesamt für Statistik, 13. Februar 2022, abgerufen am 13. Februar 2022.
- «Ja zum Tier- und Menschenversuchsverbot – Ja zu Forschungswegen mit Impulsen für Sicherheit und Fortschritt». Volksinitiative. In: Année politique suisse. Universität Bern, Institut für Politikwissenschaft, abgerufen am 7. Februar 2022.
- Volksabstimmung 13. Februar 2022 (Abstimmungsbüchlein). (PDF; 849 kB) Bundeskanzlei, 2021, abgerufen am 7. Februar 2022.
- Volksinitiative «Ja zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Tabakwerbung (Kinder und Jugendliche ohne Tabakwerbung)». In: Année politique suisse. Universität Bern, Institut für Politikwissenschaft, abgerufen am 7. Februar 2022.
- Volksinitiative Parlamentarische Initiative führt zu schrittweiser Abschaffung der Stempelsteuer. In: Année politique suisse. Universität Bern, Institut für Politikwissenschaft, abgerufen am 7. Februar 2022.
- Massnahmenpaket zur Förderung der Medien. In: Année politique suisse. Universität Bern, Institut für Politikwissenschaft, abgerufen am 7. Februar 2022.