Victor Kaluza
Victor Michael Kaluza (* 10. September 1896 in Lowkowitz, Landkreis Kreuzburg O.S.; † 24. Oktober 1974 in Holzkirchen, Oberbayern) war ein deutscher Lehrer sowie Jugend- und Sachbuchautor.[1]
Leben
Victor Kaluza wurde 1896 im oberschlesischen Dorf Lowkowitz (heute Łowkowice) als Sohn der Eheleute Simon Kaluza und Agnes, geborene Bocionek, geboren und wuchs zweisprachig auf. Der Vater war väterlicherseits mit Johann Dzierzon, dessen Großmutter Maria Kaluza hieß, verwandt. Als der Vater zum Pächter eines Gasthauses im Landkreis Tost-Gleiwitz wurde, zog die Familie von Lowkowitz in das Dorf Schwieben um.
Nach dem Abschluss der örtlichen Volksschule bildete sich Victor zunächst an der Präparandenanstalt und dann am Lehrerseminar in Oberglogau zum Lehrer fort. Als der Erste Weltkrieg begann, meldete er sich Ende 1914 als Kriegsfreiwilliger, kämpfte an der Westfront und geriet am 20. Juli 1916 in die französische Kriegsgefangenschaft, wo er als prisonnier de guerre nr. 3137 drei Jahre und 225 Tage verbrachte. Nach der Entlassung trat am 3. März 1920 die Heimreise nach Oberschlesien an. Er legte am 1. September 1920 in Oberglogau die erste Lehrerprüfung ab und wurde als Lehrer in Schwieben angestellt. Ab dem 22. Oktober 1921 lehrte er in der Volksschule in dem Walddorf Latscha (heute Łącza), legte am 22. März 1923 die zweite Lehrerprüfung ab und heiratete mit Helena Kohn, die 1924 die Tochter Sonia geboren hatte. Er begründete in Latscha ein Schultheater und eine Freilichtbühne, für die er die Bühnenwerke Der Spuk von der Waldschenke und Eine oberschlesische Hochzeit schrieb.
Das erste Buch Narrenmühle. Oberschlesischer Humor veröffentlichte er im Jahr 1922 in Gleiwitz. Es folgten fünf Bücher sowie Novellen, Kurzgeschichten, Erzählungen mit Erinnerungen aus der schlesischen Heimat und aus der Kriegszeit samt Gefangenschaft. Mit dem Buch Kumpel Janek schuf er die Figur eines heimatlichen Eulenspiegels. Es erschienen erste Publikationen in der Kulturzeitschrift Der Oberschlesier und für die Radiosendung Schlesische Funkstunde in Breslau. Er wurde ein Mitglied in der Vereinigung Oberschlesischer Schriftsteller und trat der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) bei. Von 1928 bis 1932 trat er mehrmals als Autor im Studio beim Sender Gleiwitz auf.[2] Am 23. Januar 1930 wurde er in der Gemeindewahlen als Kandidat der SPD zum Gemeindevorsteher von Latscha gewählt. Eine Wiederwahl Kaluzas erfolgte am 12. März 1933.
Am 9. März 1930 wurde ihm in der Aula der Realschule in Beuthen der Eichendorffpreis aus dem Jahr 1929 für die Erinnerungen PG 3717 – In französischer Kriegsgefangenschaft übergeben. Nach 1933 trat er der Reichsschrifttumskammer (RSK) bei.
Sowohl die SPD-Mitgliedschaft als auch die jüdische Abstammung der Ehefrau wurden der Familie zum Verhängnis. Im April 1933 wurde Victor Kaluza durch die NS-Machthaber als „politisch unzuverlässig“ aus dem Amt des Gemeindevorstehers entfernt. Ab dem 1. Februar 1934 wurde er als Lehrer von Latscha nach Gieraltowitz im Landkreis Cosel strafversetzt. Karl Schodrok, Herausgeber der Kulturzeitschrift Der Oberschlesier, schützte ihn 1936 vor dem Hinauswurf aus der Reichsschrifttumskammer. Am 1. April 1938 wurde Victor Kaluza im Alter von 41 Jahren zwangspensioniert.
Victor Kaluza übersiedelte mit Familie nach Bad Kudowa im Landkreis Glatz, wo er unter der Polizeiaufsicht stand. Im Jahr 1941 veröffentlichte er das Buch Kamerad Malheur. Eine Gefangenschaft und 1943 Lausbübeleien. Dorfjungentage. Im Jahr 1944 musste er mit der Familie Zwangsarbeit leisten. Als im Mai 1945 die Rote Armee Bad Kudowa besetzte, war Victor Kaluza ein Mitarbeiter der dortigen Stadtverwaltung. Nach Kriegsende war er Mitglied des Jüdischen Hilfskomitees in Glatz. Am 1. August 1946 wurde die Familie aus der Volksrepublik Polen vertrieben. Über die Oder-Neiße-Grenze kam sie in der Britischen Besatzungszone an und lebte in Oelde im Münsterland.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Bücher PG 3717. In französischer Kriegsgefangenschaft und Kammerad Malheur in der Sowjetischen Besatzungszone auf die Liste der auszusondernden Literatur gesetzt.[3]
Um 1947/48 zog die Familie nach Holzkirchen, wo er zuerst als Lehrer, dann ab April 1956 als Oberlehrer unterrichtete. Er führte Briefwechsel mit der Schwester Cilly Kaluza, die als Flüchtling nach Gifhorn kam und um 1958 in Bünde wohnte. In Holzkirchen wirkte Victor Kaluza ebenfalls am kulturell-gesellschaftlichen Leben mit. Er betätigte sich wieder als Autor, wurde SPD-Stadtrat für den Bereich Schulwesen und Kultur, gründete im Jahr 1950 die Holzkirchener Volkshochschule sowie die Zeitung Turmhahn, deren Schriftleiter er ab 1952 wurde. Er war ein Mitglied beim Verband Deutscher Schriftsteller (VS). Nach der Emeritierung im Februar 1960 war er eine Zeit lang als Visiting Instructor an der Baker University in Baldwin City, Kansas tätig.
Ehrungen
- Eichendorffpreis für das Buch PG 3717 – In französischer Kriegsgefangenschaft (1929/30)
- Ehrenurkunde des Wangener Kreises (1971)
- Bundesverdienstkreuz am Bande (2. Juni 1972)[4]
- postum: Victor-Kaluza-Straße in Holzkirchen[5]
Werke
Bücher
- PG 3717. In französischer Kriegsgefangenschaft. Avalun-Verlag, Hellerau bei Dresden 1930.
- Das Buch vom Kumpel Janek. P. Kupfer, Breslau 1935.
- Kamerad Malheur. Eine Gefangenschaft. Duncker, Weimar 1941.
- Lausbübeleien. Dorfjungentage. Duncker, Weimar 1943.
- Und einer hieß Schelldupek. Oberschlesische Dorfjungen. Oberschlesischer Heimatverlag, Augsburg 1967.
Novellen und Kurzgeschichten
- Narrenmühle. Oberschlesischer Humor. Heimatverlag Oberschlesien, Gleiwitz 1922.
- Meine Flucht nach Spanien. Novelle. Verlag Volk und Heimat, Hindenburg 1925.
- Der Grillengarten. Priebatsch, Breslau 1926.
- Kunterbunte Förderschale oberschlesischer Humore. C. Cieslik, Peiskretscham 1927.
- Die Reise nach Magdeburg. Erzählung. 1927.
- Die Reise nach Lowkowitz. Ein Bericht über den Bienenvater Dzierzon. 1931.
- Grüß Dich, Dürrbeendl! Geschichten von Vorgestern. Verlag Hausham, Bonn 1953.
- Geschichten aus dem grasgrünen Wald. Altberliner Verlag Groszer, Berlin 1961.
- Notizen eines Waldläufers. Es ist nicht immer ein Reh, was über die Schneise wechselt. Verlag Martin Glasl, Hausham 1966.
- Zacharias Zitterbart. Der Lebenslauf eines Poeten einem kleinen Mädchen erzählt. Oberschlesischer Heimatverlag, Augsburg 1971.
- Die Große Heuscheuer. Bergfahrt auf Goethes Spuren. 1986.
- Tabakierka für verschnupfte Leute.
Theaterstücke
- Der Spuk von der Waldschenke
- Eine oberschlesische Hochzeit
Literatur
- Heinz Starkulla: Wie Victor Kaluza 'Die Große Heuscheuer' schrieb. In: Schlesien. Kunst, Wissenschaft, Volkskunde. Niederschlesien, Oberschlesien, Sudetenschlesien. Eine Vierteljahresschrift. Organ der Freunde und Förderer der Stiftung Kulturwerk Schlesien e. V. Band 31/1986. Bergstadtverlag Wilhelm Gottlieb Korn, Görlitz / Freiburg 1986, S. 169–171.
- Meinhard Köhler: Anläßlich des hundertsten Geburtstages von Victor Kaluza. Ein Repräsentant einer neuen literarischen Gattung (Z okazji setnej rocznicy urodzin Victora Kaluzy. Reprezentant nowego gatunku literackiego). In: Zeszyty Edukacji Kulturalnej. Heft 11/1996, S. 42–45. (deutsch / polnisch)
- Victor Kaluza. Ein Dichter aus Schlesien. Landsmannschaft Schlesien, Königswinter 1991.
Weblinks
Einzelnachweise
- Stefan Pioskownik: Gott gab mir zwei Zungen, eine deutsche und eine polnische. (Nicht mehr online verfügbar.) Oberschlesische Stimme Nr. 7/2013, 25. April 2013, S. 3–4, archiviert vom Original am 2. April 2015; abgerufen am 19. März 2015. Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- Victor Kaluza. Deutsches Rundfunkarchiv, abgerufen am 10. August 2020.
- Kaluza, Victor – Pos. 5781 und 5782. Deutsche Verwaltung für Volksbildung in der sowjetischen Besatzungszone, Liste der auszusondernden Literatur, 1946, abgerufen am 27. Oktober 2016.
- Bundespräsidialamt
- Victor-Kaluza-Straße